Passau Stoiber spricht sich Mut zu

Er poltert noch ein wenig, aber so richtig kam Edmund Stoiber in Passau nicht in Fahrt - in den Zeiten der großen Koalition fehlt der politische Gegner. Dafür redete er die CSU stark - und damit auch sich selbst.

In gewisser Weise passt es schon zusammen, dass die neue Bundesregierung ausgerechnet an diesem Aschermittwoch ihr 100-tägiges Amtsjubiläum begeht - es ist Zeit, um Zwischenbilanz ziehen. In Berlin ging CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla an den Start, um die Geschicke der großen Koalition darzustellen. In Bayern trat Ministerpräsident Edmund Stoiber vor das Publikum, um es seine Mißgeschicke vergessen zu lassen.

Beim politischen Aschermittwoch der CSU in Passau durften die 3000 bis 4000 Zuhörer sich schon eine Stunde vor Beginn der Stoiber-Rede in Stimmung trinken. Letztes Jahr war das Interesse am Ministerpräsidenten größer gewesen, aber da hatte es seine Partei auch noch einfacher: die Regierungsverantwortung schien in weiter Ferne und vor allem musste sie nicht mit der SPD zusammen am Kabinettstisch sitzen.

"CSU pur ist das Beste"

Mangels eines ernstzunehmenden Gegners blieb der CSU-Chef dieses Mal also nichts anderes übrig, als sich selbst stark zu reden. "CSU pur ist das Beste", rief Stoiber in den Saal, denn "die CSU ist stark, weil wir eine legendäre Geschlossenheit haben". Die in der neuen Dreiländerhalle versammelten Anhänger jubelten und klatschten pflichtgemäß.

Die Arbeit der großen Koalition würdigte der Bayer nur am Rande, ungewöhnlich deutliches Lob hielt er aber für die Kanzlerin bereit: "Mit Angela Merkel und der Union gilt: Deutschland wird wieder vernünftig regiert - Master- statt Desaster-Politik", so Stoiber. Und dem ehemaligen Hauptkontrahenten SPD gab der Ministerpräsident noch einen Rat mit auf dem Weg: Sie solle doch trotz schlechter Umfragewerte keine Unruhe in die Arbeit der Bundesregierung bringen. Denn diese müsse in der nächsten Zeit wichtige innenpolitische Vorhaben anpacken, und "da brauchen wir Ruhe in der Koalition und nicht Sand im Getriebe."

Die CSU lässt nicht jeden ins Land

Welche innenpolitischen Themen nach Ansicht der CSU dringend auf die Agenda gehören, sagte Stoiber auch und viele Sozialdemokraten werden sie vermutlich nicht gerne hören. So soll etwa der Kurs gegen einbürgerungswillige Ausländer verschärft und die Einführung von einheitlichen Einbürgerungstests Pflicht werden. "Wer deutscher Staatsbürger werden will, muss unser Land kennen, seine Werte teilen und seine Rechtsordnung anerkennen", sagte er. "Jedem muss klar sein: Hier gilt das deutsche Grundgesetz und nicht die Scharia." Das christlich-abendländisch geprägte Menschenbild stehe nicht zur Diskussion: "Wir entscheiden, wer Deutscher wird. Und wir lassen nicht jeden hinein"

Auch die Aufnahme der Türkei in die EU lehnte Stoiber erneut klar ab. Die Reaktionen türkischer Spitzenpolitiker auf den türkischen Actionfilm "Tal der Wölfe" bestätigten die Kluft zwischen Europa und Ankara: "Europa und die Türkei trennen eben mehr als nur ein paar Kilometer Luftlinie am Bosporus."

Ohne große Showbeilagen empfing etwa zur gleichen Zeit CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in Berlin zwei Handvoll Journalisten in der Parteizentrale am Tiergarten. Keine 20 Minuten brauchte er, um die Erfolge der großen Koalition zu preisen. Pofalle sprach von einem "glänzenden Start", ja sogar von dem "besten Start einer Regierung seit Jahrzehnten". Er zählte auf: Die Föderalismusreform sei geglückt, die Rentenreform ebenso, der Beschäftigungs- und Bildungspakt auf den Weg gebracht, genau wie die Senkung der Arbeitslosenbeiträge. Zudem würden nun Familien besser gefördert und der Bundeshaushalt bald wieder verfassungskonform sein.

Nüchtern aber räumte Pofalla ein, dass die Herausforderungen nach wie vor groß seien, "das zeigen die aktuellen Debatten um Vogelgrippe und internationale Krisenherde." Vor der Regierung lägen nun Aufgaben, die viel Kraft kosten würden, darunter die Entwicklung eines "zielgenaues Kombilohn-Modells" und die Debatte über Mindestlöhne. Weil dies schwierige Themen sind und demnächst Wahlen in gleich drei Bundesländern anstehen, kündigte der Generalsekretär eine Aktionswoche an, in der die Bürger über die Politik der großen Koalition informiert werden sollen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Deutsche beurteilen Regierungsstart durchschnittlich

So richtig überzeugt scheint das Volk vom Start der neuen Regierung noch nicht zu sein. Nur als durchschnittlich beurteilen die Deutschen die ersten 100 Tage der großen Koalition, wie eine Forsa-Umfrage von RTL und des stern ergeben hat. Nur zwei Prozent der Befragten geben der Regierung die Note "sehr gut" und 21 Prozent "gut", aber die Hälfte beurteilt die Leistung als befriedigend. Immerhin noch 18 Prozent der Bürger vergeben die Note ausreichend und fünf Prozent finden die Regierungsarbeit mangelhaft.

AP
Niels Kruse mit DPA/AP