Trotz eines Verbots von pro-palästinensischen Demonstrationen ist es in Berlin-Neukölln am Mittwochabend erneut zu Menschenansammlungen und stundenlangen Auseinandersetzungen gekommen. Die Polizei sprach am Abend von einer unverändert aufgeheizten Stimmung auf der Sonnenallee. Es werde Pyrotechnik abgebrannt und es würden Steine und Flaschen auf Polizistinnen und Polizisten geworfen, teilte die Behörde auf der Plattform X, früher Twitter, mit. Einem Polizeisprecher zufolge wurden einige Polizeikräfte dadurch verletzt, vorläufigen Angaben zufolge blieben sie weiter im Dienst.
"Die Situation in Nord-Neukölln ist angespannt", sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik in der RBB-Abendschau. "Wir haben mit Sicherheit mehrere Hundert Menschen auf den Straßen in der Sonnenallee", sagte Slowik. "Wir haben auch heute Nacht damit zu rechnen, dass kleinere und größere Gruppen auf den Straßen unterwegs sind, die skandieren und die vielleicht auch zu Straftaten greifen", sagte sie. Die Polizei sei mit Wasserwerfern im Einsatz, um etwa brennende Hindernisse wie Mülltonnen auf den Straßen zu löschen. "Wir greifen deutlich ein", betonte die Polizeipräsidentin.
Pro-Palästinensische Demonstration in Berlin verboten
Die Polizei teilte bei X mit, viele Demonstranten kämen den Aufforderungen der Beamten nicht nach. Es gebe Widerstand gegen Festnahmen von Verdächtigen, so dass die Polizei "unmittelbaren Zwang anwenden" müsse. Bei den Demonstranten handele es sich eindeutig um Teilnehmer einer ebenfalls verbotenen Ersatzveranstaltung einer pro-palästinensischen Kundgebung. Neben der Sonnenallee waren nach Angaben des Sprechers auch die Reuterstraße, die Donaustraße und der Hermannplatz Nebenschauplätze der zuvor verbotenen Demonstration.
Ein dpa-Reporter sprach von einer aggressiven Stimmung und Dutzenden Festnahmen. Ihm zufolge skandierten die Menschen vor allem "Free free palestine" und "Viva viva palestina". Die Polizei teilte weiter auf X mit: "Wir sehen, wie Menschen wahllos Gegenstände auf die Straße werfen, anzünden und sich dabei filmen und feiern." Durch Würfe von Pyrotechnik sei ein Feuer auf einem Balkon entstanden, das Polizisten gelöscht hätten.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, hat ein konsequentes Handeln im Zusammenhang mit solchen Ausschreitungen gefordert. "Wir brauchen schnelle Gerichtsverfahren und Urteile gegen die Krawallmacher", sagte Kopelke am Mittwoch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Er sprach von einer "absolut widerlichen Stimmung in Deutschland" und bezog sich unter anderem auch auf den versuchten Brandanschlag auf eine jüdische Gemeinde in Berlin in der Nacht zum Mittwoch.
Am Auswärtigen Amt versammeln sich Menschen
Auch am Auswärtigen Amt versammelten sich nach Polizeiangaben mehrere Hundert Menschen. Die Versammlung gegen Gewalt in Nahost wurde laut Polizei jedoch direkt von der Veranstalterin beendet, weil sie keinen Einfluss auf die Teilnehmer habe. Angemeldet waren demnach 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Gekommen waren mehrere Hundert.
Ein Raketeneinschlag bei der Al-Ahli-Klinik im Gazastreifen mit möglicherweise Hunderten Toten löste vor allem in arabischen und islamischen Ländern große Wut aus (mehr zu der Explosion erfahren Sie hier). Dort und auch in Deutschland kam es zu anti-israelischen Demonstrationen.

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Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde hatte dafür am Dienstagabend umgehend Israel verantwortlich gemacht, arabische Nachbarstaaten schlossen sich dem an. Israel wies dies entschieden zurück und sprach vom Einschlag einer verirrten Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad. Auch die US-Regierung hält Israel nach "derzeitiger Einschätzung" nicht für verantwortlich.
Erst in der Nacht zum Mittwoch war es bei pro-palästinensischen Kundgebungen zu Ausschreitungen vor allem in Neukölln gekommen. 20 Polizistinnen und Polizisten seien verletzt worden, hieß es. Zwei hätten den Dienst beenden müssen. Nach Angaben der Polizei wurden 39 Menschen festgenommen und 65 Strafverfahren eingeleitet. Zudem wurden 12 Ordnungswidrigkeiten registriert.
Proteste zu Nahost-Konflikt auch in anderen Städten
In Frankfurt am Main hat die Polizei einen Wasserwerfer eingesetzt, um eine verbotene pro-palästinensische Mahnwache aufzulösen. Die Hauptwache wurde geräumt, wie die Polizei am Mittwochabend auf X mitteilte. Ein Polizeisprecher bestätigte das. "Die vereinzelten Personen, die nicht der Aufforderung nachgekommen sind, wurden durch die Einsatzkräfte wegbefördert."
Die Stadt Frankfurt habe bereits im Laufe des Nachmittages eine Verbotsverfügung erteilt, sagte der Sprecher. Auch jegliche Ersatzveranstaltungen seien dadurch verboten. "Diejenigen, die jetzt nichtsdestotrotz hier teilnehmen möchten, verstoßen gegen geltendes Recht. Somit werden jetzt die Identitäten festgestellt."

In Bremerhaven versammelten sich etwa 450 Menschen zu einet Kundgebung unter dem Motto "Frieden in Nahost". Die Polizei sprach von einem friedlichen Verlauf. Kleinere spontane Versammlungen wurden aus Kassel und Heidelberg gemeldet.
Die Hamburger Polizei hat das Verbot pro-palästinensischer Kundgebungen bis einschließlich Sonntag verlängert. Das teilte die Behörde am Mittwochabend mit. Betroffen sind demnach "alle nicht angemeldeten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen, die inhaltlich einen Bezug zur Unterstützung der Hamas oder deren Angriffe auf das Staatsgebiet Israels aufweisen (sog. pro-palästinensische Versammlungen)". Die Polizei als Versammlungsbehörde hatte das Verbot am vergangenen Sonntag mit einer Allgemeinverfügung verhängt, es galt zunächst bis Mittwoch.
Hinweis: Dieser Artikel wurde aktualisiert