Als Konsequenz aus ihrer Alkoholfahrt hat Margot Käßmann offiziell und mit sofortiger Wirkung den Rücktritt von ihren kirchlichen Spitzenämtern erklärt. "Ich habe einen schweren Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue, aber ich kann nicht darüber hinwegsehen, dass das Amt und meine Autorität als Landesbischöfin sowie als Ratsvorsitzende beschädigt sind", sagte die 51-Jährige während einer Pressekonferenz in Hannover. Sie bestätigte damit offiziell Rücktrittsmeldungen, die zuvor bereits öffentlich geworden waren. Sie könne ihre Ämter künftig nicht mit der notwendigen Autorität ausfüllen. Bei ihrer Entscheidung gehe es ihr auch um ihre eigene Gradlinigkeit, die "mir sehr wichtig ist", sagte Käßmann, die künftig weiter als Pastorin in der hannoverschen Landeskirche arbeiten will.
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte seiner Vorsitzenden am Dienstagabend in einer Telefonkonferenz noch das Vertrauen ausgesprochen, dabei aber keine abschließende Bewertung ihres Verhaltens vorgenommen. Dies soll im Laufe der Woche geschehen. Die Entscheidung über den Verbleib der Bischöfin an der EKD-Spitze legte der Rat ausdrücklich in Käßmanns eigene Hände, wofür diese sich bei ihrer öffentlichen Erklärung bedankte. Bei der Entscheidung zurückzutreten, sei sie Worten aus dem Buch Jesus Sirach gefolgt, die einer ihrer Ratgeber ihr mit auf den Weg gegeben habe: "Bleibe bei dem, was Dir Dein Herz sagt" (37,17). Ihr Herz habe ihr zum Rücktritt geraten, sagte Käßmann, die keine Nachfragen zuließ. "Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so, wie ich sie hatte", betonte sie mit Blick auf die Auseinandersetzungen über ihre Beurteilung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr.
Weitere Person in Käßmanns Wagen
Käßmann hatte bereits am Dienstag bis auf weiteres alle öffentlichen Termine absagt. Die Bischöfin werde in den nächsten Tagen eine Auszeit nehmen, hatte der Sprecher der Hannoverschen Landeskirche, Johannes Neukirch, gesagt.
Medienberichte, wonach bei ihrer Trunkenheitsfahrt eine unbekannte weitere Person im Dienstwagen der Bischöfin saß, wurden von einem Sprecher des Innenministeriums in Hannover bestätigt. Laut der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" soll Käßmann bei der Fahrt auf dem Weg von einem Kinobesuch in der hannoverschen Innenstadt zu ihrer Wohnung gewesen sein. Die Personalien des Beifahrers seien nicht aufgenommen worden, hieß es. Ein Beifahrer spiele nur dann als Zeuge eine Rolle, "wenn der Fahrer völlig kontrollunfähig" sei. Dies sei offensichtlich nicht der Fall gewesen.
Die Bischöfin war am späten Samstagabend stark angetrunken am Steuer ihres Dienstwagens gestoppt worden. Die Polizei hielt sie in der Innenstadt von Hannover an, nachdem Käßmann mit ihrem Dienstwagen eine rote Ampel überfahren hatte. Eine Blutprobe ergab 1,54 Promille, wie die Staatsanwaltschaft Hannover erklärte. Ab 1,1 Promille liegt in Deutschland absolute Fahruntüchtigkeit und eine Straftat vor. Käßmanns Führerschein wurde eingezogen, ein Strafverfahren ist - wie in solchen Fällen üblich - eingeleitet.
Laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover soll das Verfahren rasch abgeschlossen werden. Im Fall Käßmann sei die Sachlage eindeutig, die Polizei habe die Akten bereits übergeben. Eine Trunkenheitsfahrt ohne konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer werde in der Regel mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen bestraft. Hinzu komme der Entzug der Fahrerlaubnis für zehn Monate bis zu einem Jahr. Das Strafverfahren werde in der Regel schriftlich abgewickelt und ende mit einem Strafbefehl.
"Schwerer Verlust für den Protestantismus"
Der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer hat den Rücktritt Käßmanns bedauert und sie als vorerst unersetzbar bezeichnet. "Für sie persönlich ist der Schritt richtig. Für uns alle, für den Protestantismus ist die Entscheidung schlecht", sagte Schorlemmer der "Leipziger Volkszeitung". Es sei ein "sehr herber Verlust für die Christen in Deutschland". Für die Nachfolge erwartet er eine schwierige Phase des Übergangs: "Es wird sich eine Persönlichkeit finden. Aber Margot Käßmann ist erst einmal unersetzbar."

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"Die Gradlinigkeit und Klarheit in ihren theologischen, soziopolitischen und gesellschaftlichen Positionen werden der Evangelischen Kirche in Deutschland fehlen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der EKD-Synodenpräsidentin, Katrin Göring-Eckardt, sowie des stellvertretenden EKD-Vorsitzenden, Nikolaus Schneider. "Ihr Rücktritt ist ein schwerer Verlust für den deutschen Protestantismus."
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, bedauerte den Rücktritt. Er kenne Käßmann als einen Menschen, der bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. Daher könne er ihren Schritt verstehen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Rücktritt "mit Respekt und Bedauern aufgenommen". Nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte Merkel am Mittwoch in Berlin: "Ich habe die Zusammenarbeit mit Bischöfin Käßmann sehr geschätzt."
SPD-Chef Sigmar Gabriel äußerte ebenfalls Respekt und Bedauern. Käßmann habe den Mut gehabt, wichtige Debatten innerhalb der evangelischen Kirche und für das Land anzustoßen, erklärte er.
Grünen-Chefin Claudia Roth sagte: "Die Entscheidung von Bischöfin Käßmann verdient Respekt", sagte Roth am Mittwoch in Berlin. "Sie beweist ihre große persönliche Integrität." Gleichwohl bedauere sie den Schritt aus tiefstem Herzen. Die Gesellschaft brauche mehr streitbare Menschen wie Käßmann. "Ich wünsche mir sehr, dass ihre Stimme auch in Zukunft weithin hörbar ist." Am Tag zuvor hatte Roth die Bischöfin allerdings auch kritisiert: "Natürlich ist es richtig Mist, was Frau Käßmann gemacht hat. Es ist richtig schlecht. Sie ist ja ein Vorbild, sie sollte auch Vorbildcharakter haben."
Nach Käßmanns Rücktritt vom EKD-Vorsitz rückt ihr Stellvertreter in den Blick. Nikolaus Schneider, seit 2003 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, wird zunächst den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland leiten - und damit höchster Repräsentant von 25 Millionen evangelischen Christen sein. Schneider ist bekannt für sein soziales wie politisches Engagement. Aus Sicht des 62-jährigen gebürtigen Duisburgers muss sich die Kirche "von der Leidenschaft Gottes für die Schwachen" leiten lassen.