Eine Woche nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen ringt die Union angesichts bundesweiter Umfrageverluste um ihren Kurs zur Bundestagswahl 2009 und macht der FDP Avancen. Laut einer Forsa-Umfrage für RTL verliert die Union deutlich an Zustimmung. Bei der Sonntagsfrage kam sie nur auf 35 Prozent der Stimmen - vier Prozentpunkte weniger als vor einer Woche. Auch Merkel selbst büßte Punkte ein: Ihr gaben noch 49 (vorher 53) Prozent den Vorzug vor SPD-Chef Kurt Beck.
Der Umfrage zufolge verliert aber auch die SPD, wenn auch nur zwei Prozentpunkte. FDP, Grüne und Linke dagegen würden jeweils genauso viel hinzugewinnen. Die Linken kämen demnach auf 14 Prozent. SPD, Linke und Grüne zusammen würden so 49 Prozent erreichen, Union und FDP 46 Prozent. Nur noch 21 (vorher 24) Prozent trauen der Union zu, die Probleme in Deutschland zu lösen.
Koch fordert Standhaftigkeit
Hessens Ministerpräsident Roland Koch warnte seine Partei in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" davor, aus Verzweiflung über Wahlergebnisse jegliche Identität zu verwischen. "Ich glaube, dass wir das in der großen Koalition in Berlin gerade so geschafft haben." Zugleich berief er sich auf Merkels Unterstützung und sagte, "dass wir nichts in der CDU und im hessischen Wahlkampf getan haben, was wir nicht miteinander besprochen haben". Demgegenüber kritisierte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen die hessische Wahlkampfstrategie. Die Integrationspolitik der CDU hätte in den Vordergrund gerückt werden müssen, sagte er im Deutschlandfunk. Damit hätte man erfolgreicher werben können "als mit dem anderen Stil".
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil rief angesichts der Umfrageergebnisse die große Koalition auf, zu konstruktiver Zusammenarbeit zurückzufinden. "Wenn wir nicht alle miteinander die Kraft finden, bis 2009 die wichtigen Dinge anzupacken, verlieren am Ende SPD und Union gleichermaßen", sagte Heil der Zeitschrift "Super Illu". Für die Verstimmungen im Regierungsbündnis machte er Kanzlerin Angela Merkel verantwortlich, die als CDU-Vorsitzende die rechtspopulistische Kampagne des hessischen Ministerpräsidenten unterstützt habe. "Die Union hat jetzt gelernt, dass mit dem Schüren fremdenfeindlicher Ängste keine Wahlen zu gewinnen sind." Das lasse für die künftige Arbeit der großen Koalition hoffen.
Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier geht die Kanzlerin an: Sie solle die Kritik aus der Union an seiner Außenpolitik zu stoppen. "Diese parteitaktische Wadenbeißerei schadet der deutschen Außenpolitik und dem Ansehen unserer gemeinsamen Regierung", sagte der SPD-Politiker dem "Handelsblatt". Offenkundig hätten einige Unionspolitiker nach den Landtagswahlen vergessen, ihre Kriegsbemalung abzulegen. "Ich bin mir sicher, die Kanzlerin findet das auch nicht sehr unterhaltsam und wird wissen, wie sich das stoppen lässt", appellierte er an die CDU-Chefin.
Wolff fordert mehr Besonnenheit
Der niedersächsische Wahlsieger und stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff forderte als Konsequenz aus dem Wahlsonntag: "Besonnenheit im Stil und in den Inhalten ein klares wirtschaftspolitisches Profil - dann können CDU und FDP auch in einem Fünf-Parteien-Parlament Mehrheiten erringen", sagte er "Bild am Sonntag". Röttgen betonte mit Blick auf die Bundestagswahl, die CDU strebe eine Koalition mit der FDP an. Sie müsse aber auch Wähler ansprechen können, die Linken, Grünen oder SPD nahe stünden.