Anzeige
Anzeige

Klatsche bei EU-Wahl Kurs Richtung Abgrund: Nur eine wirklich neue Parteispitze kann die SPD jetzt noch retten

Der Neuanfang mit alten Köpfen ging voll in die Hose: Nach dem Debakel der Sozialdemokraten bei der Europawahl ist endgültig klar, Andrea Nahles und Co. sind die Falschen, um die SPD vor dem Untergang zu bewahren.

Bei der Europawahl am Sonntag hat die SPD ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Abstimmung eingefahren - mal wieder. Erstmals bei einer bundesweiten Wahl landete sie dabei mit 15,8 Prozent sogar weit unter der 20-Prozent-Marke und wurde nur drittstärkste Kraft hinter den Grünen. Und was ist die Antwort der Parteiführung auf diesen erneuten Schritt in Richtung Abgrund? Wir müssen Kurs halten. Und bloß keine Personaldiskussion!

"Kopf hoch, [...] wir nehmen diese Herausforderung an", ergeht sich Partei-und Fraktionschefin Andrea Nahles kaum eine Stunde nach Schließung der Wahllokale in Durchhalteparolen. "Das Schlimmste, was uns passieren könnte, wäre, diesen Weg auf halber Strecke abzubrechen." Nein, liebe Andrea Nahles. Das schlimmste, was euch passieren kann, ist, die Partei von Willy Brandt in die Bedeutungslosigkeit zu führen.

SPD braucht endlich wirklich frische Köpfe

Wer seit Jahren so stramm wie die SPD ins eigene Verderben marschiert, sollte vielleicht doch irgendwann mal über einen drastischen Richtungswechsel nachdenken. Und vielleicht auch über neue Anführer. Und zwar wirklich neue Anführer, nicht solche, wie nach der letzten Bundestagswahl. Seit der Wahlklatsche von 2017 versucht die SPD den Wählern tatsächlich mit alten Kräften wie Olaf Scholz, Heiko Maas und allen voran Andrea Nahles einen Neuanfang zu verkaufen. Das Debakel von Sonntag hat endgültig bewiesen, dass das nicht funktioniert.

Klatsche bei EU-Wahl: Kurs Richtung Abgrund: Nur eine wirklich neue Parteispitze kann die SPD jetzt noch retten

Leider zeigt sich die SPD-Spitze unmittelbar nach der Niederlage unfähig, das zu erkennnen. "Der Ruf nach personellen Konsequenzen hilft nicht weiter", wiegelt Bundesfinanzminister Scholz noch am Sonntag ab. Damit habe die SPD in der Vergangenheit "schlechte Erfahrungen" gemacht. Ja, lieber Olaf Scholz, hat sie. Und jetzt wieder. Aber nicht, dass es personelle Konsequenzen gab, hat der Partei die schlechten Erfahrungen beschert, sondern welche personellen Konsequenzen es gab. Angefangen bei Scholz selbst, dessen größte Leidenschaft - wenn man dieses Wort bei dem scheinbar emotionstoten Finanzminister überhaupt in den Mund nehmen kann - es ist, Journalistenfragen mithilfe von Allgemeinplätzen und Worthülsen nicht zu beantworten.

Und Nahles mag zwar, wie auch Scholz, eine fleißige und vor allem gut vernetzte Arbeiterin sein, das ändert aber nichts daran, dass der, wie stern-Kolumnist Micky Beisenherz sie nannte, "stets übergriffig gut gelaunte Stimmungstanker aus der Eifel" mit seinen "Bätschi"- und "In die Fresse"-Auftritten selbst dem geneigten Betrachter regelmäßig die Fremd-Schamesröte ins Gesicht treibt und dem Wähler absolut nicht vermittelbar ist.

Habeck zeigt SPD wie wichtig die Parteispitze ist

Andrea Nahles hat nun wenigstens einmal verkündet, die Neuwahl für den Fraktionsvorsitz auf nächste Woche vorzuziehen und ihre Kritiker aufgefordert, sich zur Wahl zu stellen. Bis dahin war die einzige konkret verkündete Konsequenz, dass die Parteichefin angesichts des erfolgreichen Abschneidens der Grünen den Klimaschutz mehr in den Mittelpunkt stellen will. Das ist sicherlich löblich und richtig, greift aber in der Analyse zu kurz. Denn gerade die Grünen zeigen, wie wichtig das richtige Personal an der Spitze einer Partei ist. Annalena Baerbock aber vor allem Robert Habeck sind maßgeblich mitverantwortlich für den Höhenflug des früheren "Kellners" der SPD, wie Gerhard Schröder die Grünen einst nannte. Habeck ist genau das, was die SPD an ihrer Spitze bräuchte: Ein Politiker, der nicht in Phrasen antwortet, ehrlich und authentisch wirkt und bereit ist, sich selbst zu hinterfragen.

Europawahl: SPD-Spitze äußert sich zu enttäuschendem Ergebnis

Die Bestätigung dafür könnte die SPD in ihrer eigenen jüngeren Vergangenheit finden: Als Martin Schulz im Januar 2017 Kanzlerkandidat der SPD wurde, geschah etwas, wovon selbst die chronisch optimistische Nahles damals nicht zu träumen gewagt haben dürfte: Die Sozialdemokraten kletterten in den Umfragen in längst unerreichbar geglaubte Höhen und tausende Bürger traten in die Partei ein. Schulz galt - siehe Habeck - als ehrlich, bondenständig und authentisch, Charakterzüge, die vor allem bei der klassischen SPD-Klientel gut ankommen. Zwar brachten die verheerende Wahlkampftaktik der SPD, die ihren Kandidaten wochenlang abtauchen ließ, und die Erkenntnis der Wähler, dass der langjährige Präsident des Europäischen Parlaments mehr Projektionsfläche als tatsächlicher Heilsbringer war, den Schulz-Zug ziemlich schnell zum Entgleisen, dennoch zeigt der Fall, welchen Einfluss der richtige Anführer auf den Erfolg einer Partei haben kann.

Seit Jahren lamentiert die SPD bei den Analysen ihrer Wahlpleiten: Wir haben viel erreicht in der Regierungsarbeit, aber unsere Erfolge leider dem Wähler nicht vermitteln können. Man kann es einfach nicht mehr hören. Dabei ist da sogar etwas Wahres dran. Auch in dieser noch nicht einmal zur Hälfte abgelaufenen Legislaturperiode haben die Sozialdemokraten ein starkes programmatisches Engagement an den Tag gelegt: So etwa mit ihrem Sozialstaatspapier und dessen Forderungen nach einer Kindergrundsicherung, gebührenfreier Bildung, einem Bürgergeld und einer Grundrente. Auch das von Nahles angekündigte stärkere Engagement für den Klimaschutz ist inhaltlich richtig. Aber wenn die SPD nicht enden will wie Frankreichs einst so stolze Sozialisten, ist es allerhöchste Zeit, dass sie nicht nur auf Themen, sondern auch auf Politiker setzt, die beim Wähler gut ankommen.

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel