TV-Duell im Berliner Wahlkampf Der Sonnenprinz und der wackere Friedbert

Der wackere Friedbert Pflüger hat seine Sache nicht schlecht gemacht. Aber gegen Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit konnte er im TV-Duell nicht bestehen. Der SPD-Sonnenprinz hat den CDU-Mann pampig-charmant überstrahlt.

"Wo bleibt denn nur der Wowereit?" Im Foyer des RBB steht die Pressesprecherin des ARD-Senders und blickt etwas nervös zu dem verglasten Eingang. Es ist Viertel vor acht. Eigentlich sollen die Fotografen schon längst Bilder der Duellanten machen. Von Klaus Wowereit, dem Amtsinhaber, und von Friedbert Pflüger, dem Herausforderer. Händeschütteln. Klickklick. Lachen. Händeschütteln. Pflüger sitzt auch schon in der Maske und wartet. Aber wo zum Teufel ist nur der Wowereit?

Da ist er. Um 19.48 Uhr, dicke zu spät, kommt Berlins Regierender Bürgermeister dann doch. Nicht mit dem Taxi, sondern zu Fuß. Schnellen Schrittes. Gelassen. Gut gebräunt. Blendend gelaunt. Als er im Foyer begrüßt wird, fragt er unschuldig: "Wie viele Kandidaten sind denn schon da?" Ein Scherz, haha. Wowereit, der Profi, weiß ganz genau, dass er sich an diesem Abend nur mit einem Herausforderer streiten soll bei dieser ersten und einzigen TV-Debatte im Wahlkampf. Mit Pflüger eben, dem Herausforderer? "Wollen sie mich verarschen?", antwortet ein Mann vom RBB auf die flapsige Frage des SPD-Mannes nach den anderen Kandidaten. Aber da ist der schon auf dem Weg in die Maske.

Der Amtsinhaber

Klaus Wowereit ist seit 2001 Regierender Bürgermeister von Berlin. Der 52-jährige SPD-Politiker sorgte damals im Wahlkampf für aufsehen, weil er sich offen zu seiner Homosexualität bekannte - "Ich bin schwul, und das ist gut so." Jenseits dessen fiel der gebürtige Berliner als Chef der rot-roten Regierung vor allem durch seine Sparpolitik und seine vermeintliche Party-Präsenz auf. Im Wahlkampf dieses Jahres machte Wowereit durch ein stern-Interview von sich reden, in dem er klare Ansprüche auf eine Führungsrolle in der Bundes-SPD erhob.

Auch eine rot-grüne Option ist möglich

Wowereit strotzt, und das ist wohl bezeichnend für diesen mauen Wahlkampf, vor Selbstbewusstsein. Und es scheint, als könne er sich das leisten, der Sonnenprinz. Am Sonntag wird gewählt und die Aussichten des SPD-Mannes sind gut. In allen Umfragen kann die SPD gegenüber der letzten Wahl 2001 zulegen, von 29,7 auf 31, 32 oder sogar 33 Prozent. Ihr derzeitiger Koalitionspartner im rot-roten Bündnis, die Linkspartei fällt demnach zwar von 22,6 Prozent im Jahr 2001 auf ein Ergebnis zwischen 15 und 17 Prozent. Aber das reicht für eine Fortsetzung der Allianz, für eine absolute Mehrheit, an die auch eine möglichen Jamaika-Koalition von Union, FDP, und Grünen nicht heran kann. Die CDU, mit ihrem Spitzenkandidaten Pflüger liegt 20 und 22 Prozent, das wäre ein noch schlechteres Resultat als 2001, als die berüchtigte Hauptstadt-Union sich mit 23,8 Prozent zufrieden geben musste. Die Grünen gelten als Ausreißer dieser Wahl. Ihnen werden 13 oder 14 Prozent zugetraut (2001: 9,1 Prozent), die FDP sehen die Demoskopen bei 7 bis 9 Prozent (2001: 9,9 Prozent). Kurzum: Es läuft also gut für Wowereit. Gelingt den Grünen eine Überraschung, könnte er sogar mit ihnen koalieren. Er könnte sich seinen Partner dann aussuchen. Auch so eine Aussicht macht fröhlich, gelassen, selbstbewusst.

Selbst das Glück ist Wowereit wohl gesonnen

Wie souverän Wowereit derzeit auftritt, zeigt eine andere, eine kleine Geschichte an diesem Abend. Kurz vor dem Beginn der Live-Sendung soll eine Münze geworfen werden. Dem Gewinner wird die erste Frage gestellt. Das ist ein kleiner Vorteil, immerhin. Kopf oder Zahl? Pflüger nimmt den Kopf. Zahl gewinnt, Wowereit gewinnt. Selbst das Glück ist ihm wohl gesonnen. Als die Moderatorin, RBB-Chefredakteurin Petra Lidschreiber, dann jedoch die Sendung eröffnet. macht sie einen Fehler. Sie sagt, Pflüger hätte bei dem Münz-Entscheid gesiegt, er erhalte die erste Frage. Wowereit verzieht keine Miene, macht einfach weiter. Cool. Später, nach der Sendung, witzelt er, das ginge ihm ja ständig so mit diesen kleinen Benachteiligungen. Und: "Das ist man beim Schwarzfunk RBB ja gewöhnt." Der Moderatorin ist der Faux-Pas hochnotpeinlich.

Der Herausforderer

Friedbert Pflüger, 50, ist Bundestagsabgeordneter für die CDU und Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Ende März dieses Jahres wählte ihn die für ihre internen Zwistigkeiten berüchtigte Berliner CDU zu ihrem Spitzenkandidaten. Pflüger hat eine illustre Vita. Er promovierte als Politikwissenschaftler, forschte an der US-Elite-Uni Harvard, war Büroleiter Richard von Weizsäckers, als der noch Bürgermeister in Berlin war, und später, als von Weizsäcker Bundespräsident wurde, dessen Sprecher. Laut Zeitungsberichten will sich Pflüger auch bei einer Wahlniederlage in der Hauptstadt künftig ganz auf Berlin konzentieren und alle anderen Ämter niederlegen. Kritik zog er während des Wahlkampfs auf sich, weil er sich ausdrücklich zu seiner Heimatstadt Hannover bekannte. Pflügers Privatleben gilt als schillernd. Er ist nach wie vor formal mit der Bankerin und Politik-Beraterin Margarita Mathiopoulos verheiratet, auch wenn er mittlerweile mit seiner ehemaligen Assistentin zusammenlebt, mit der er auch zwei Kinder hat.

Die Pragmatiker von Rot-Rot

Auch in dem Duell selbst, in dieser einen Stunde Live-Show, kann Wowereit seine Stärken voll ausspielen. Er kombiniert bewusst vorlaut-berlinerisches Auftreten, den Charme der Aggression, mit seinem Wissen über die Stadt, die Leute, die Politik der letzten Jahre. Von einer Erfolgsgeschichte kann angesichts der katastrophalen Finanzlage der Stadt keine Rede sein, aber grandiose Fehler hat sie offenbar nicht gemacht, die rot-rote Koalition. Wowereit und seinem Linkspartei-Wirtschaftssenator Harald Wolf wird gemeinhin bescheinigt, sie hätten sogar eine vernünftige Sparpolitik hinbekommen. Da lässt sich souverän aufspielen. Ein Herausforderer hat es schwer, die rot-roten Pragmatiker ideologisch zu packen, sich zu profilieren - einerlei ob es um neue Arbeitsplätze, um neue Investoren, den maroden Haushalt, Unterrichtsausfälle, die Integration von Migranten oder Rechtsradikale geht.

Pflügers Kontakt-Liste

Pflüger, der Herausforderer, macht seine Sache angesichts dieser Umstände nicht einmal schlecht. Der Mann aus Hannover, Bundestagsabgeordneter, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Außenpolitiker, hat sich in die Berliner Politik eingefuchst. Er hat Zahlen gepaukt und Unternehmen besucht. Er hat die Basisarbeit verrichtet, sich die lebensnahen Beispiele zusammengeklaubt, mit denen man den Wählern zeigt: Ich kenne Euch, ich verstehe Euch, ich weiß, was für eine Politik Ihr braucht. Selbst Wowereit hat ihn zu Anfang der Sendung als "wacker" gepriesen. Ein vergiftetes Lob, denn Pflüger kommt an diesem Abend nicht an Wowereit heran. Er wirkt immer noch ein wenig zu neu, ein wenig zu beflissen, ein wenig auch zu bemüht. Manchmal trifft er auch einfach den Ton nicht. Als er etwa gefragt wird, wie er denn neue, ausländische Investoren nach Berlin locken wolle, sagt Pflüger, er habe eine ganze Liste mit Kontakten parat. In der arabischen Welt, in Asien, in Amerika. Die könne er jederzeit anrufen. Es klingt ein wenig, als müsse das provinzielle Berlin nur den Weltmann Pflüger und dessen Notizbuch anheuern, um aus seiner Misere entfliehen zu können. Das kommt nicht gut, Wowereit, der Mann aus Tempelhof, wirkt bodenständiger.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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"Ich war inhaltlich stärker"

Nach dem Duell, es ist vielleicht halb zehn, kommen die Kontrahenten ins Foyer. Wer denn gewonnen habe, wird Wowereit gefragt. Die Frage sollten andere beantworten, sagt er. Wie er sich denn fühle. "Ich bin zufrieden mit mir. Aber man darf die Dramaturgie dieses Rededuelle auch nicht überbewerten." Er lacht. Pflüger dagegen macht den Sieger klar aus. "Ich habe das Duell klar gewonnen", sagt er. "Ich war inhaltlich stärker, argumentativ dichter." Er sagt, er hätte gerne noch ein zweites TV-Duell gehabt, aber Wowereit habe sich verweigert. Dann geht Pflüger. Er muss noch zu einer Watch-Party im Regierungsviertel. Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wartet dort. Wowereit hat sich derweil an einen der Cocktail-Tische des Foyers gestellt. Er foppt die Moderatorin. Er ist spät gekommen, früh gehen will er nicht.

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