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Roland Kochs Rückzug Wie Merkel die CDU entmannt

Mit Roland Koch tritt einer der letzten großen Charismatiker der CDU ab. Schuld ist Angela Merkel, die eigenwillige Leute systematisch ausbremst. Die Christdemokraten werden zusehends konturloser.
Von Hans Peter Schütz

Einige in der CDU sprechen von "brutalstmöglicher" Beschädigung von Angela Merkel, wenn sie den Rückzug von Roland Koch aus Partei und Politik analysieren. Natürlich nur hinter vorgehaltener Hand. Nur wenige sind mutig genug zum offenen Angriff auf die CDU-Chefin. Christian Wulff wagt es und sagt: "Man muss eben sehen, dass man gute Leute hält." Und nachdenken müsse man auch, "wenn man gute Leute verliert".

Wulff ist immerhin stellvertretender CDU-Vorsitzender. Und auch Gründungsmitglied des "Pacto andino", des Andenpakts. Jener legendären CDU-Seilschaft, die sich in jungen Jahren auf einer Südamerikareise versprach, sich wechselseitig beim politischen Aufstieg zu fördern. Das Netzwerk funktionierte, bis Angela Merkel kam.

Die Strecke von Merkels Opfern ist inzwischen beträchtlich. Roland Koch steigt aus. Christian Wulff hat sich bundespolitisch abgemeldet und auf das Amt des Ministerpräsidenten von Niedersachsen beschränkt. Günther Oettinger - nach Brüssel von Merkel abgeschoben. Friedrich Merz, ein Spätmitglied im Andenpakt, warf ihr den Parteibettel hin. Friedbert Pflüger, einst CDU-Spitzenmann in Berlin, ist parteipolitisch komplett ausgestiegen. Matthias Wissmann, Ex-Verkehrsminister, dient der Autoindustrie als Cheflobbyist. Peter Müller ist im Saarland nur noch mit Hilfe der Grünen und FDP an der Macht, nicht dank der Stärke seiner CDU.

Personalmisere bei der CDU

Auch auf anderen Führungspositionen kränkeln die CDU-Leute. Jürgen Rüttgers hat die Partei in NRW ins Desaster geführt, zehn Prozent der Stimmen gingen verloren. Er kann als Ministerpräsident kaum überleben. Ebenfalls abserviert vom Wähler wurde Dieter Althaus in Thüringen. Die Merkel-Stellvertretende im CDU-Präsidium, Annette Schavan, ist von der CDU-Basis in ihrem Wahlkreis nur widerwillig zur Bundestagswahl aufgestellt worden.

Dass in Hessen auf Koch mit Volker Bouffier ein Mann nachfolgt, an dessen Hacken ein peinlicher Untersuchungsausschuss klebt, unterstreicht die Personalmisere der CDU. Und kaum war Kochs Rückzug bekannt, kursierte der Name Stanislaw Tillich als neuer Vize-CDU-Chef. Doch wer kennt schon das Parteiprofil des sächsischen Ministerpräsidenten außerhalb des Freistaats?

Was der fortwährende personelle Aderlass für die CDU bedeutet, sagt am deutlichsten der Junge-Union-Vorsitzende Philipp Missfelder: "Für die politische Kultur in Deutschland ist es sehr schlecht, wenn Charakterköpfe die CDU verlassen." Der dem konservativen Flügel der CDU verbundene JU-Chef hofft jetzt, dass es der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus wagen werde, "auch unpopuläre Positionen zu vertreten". Wie der Parteinachwuchs die Personallage mit Blick auf die mittlere Generation der CDU-Spitzenpolitiker einschätzt, belegt eine Stellungnahme der JU gegenüber stern.de: "Wir setzen die größten Hoffnungen auf Karl-Theodor zu Guttenberg." Der ist bekanntlich in der CSU.

CDU-Stammwähler werden zu Nichtwählern

Was vielen in der CDU erhebliche Sorgen macht: Die politisch-programmatische Bandbreite schrumpft erkennbar. Auch bei der CDU wackelt längst ihr Auftritt als Volkspartei. Bei der Bundestagswahl sind bislang unbeirrbare Stammwähler im großen Stil zur FDP übergelaufen. Die von Merkel intensiv betriebene Öffnung der CDU für das großstädtische Milieu vergraulte erkennbar die Konservativen. Die CDU-Stammkundschaft kommt auch mit anderen politischen Positionen Merkels nicht zu Rande: Etwa dem moderneren Familienbild, das Frauen nicht länger auf die Formel "Kirche, Kinder, Küche" reduziert. Das hat besonders schwerwiegende Folgen für die CDU - ihre Stammkundschaft bleibt am Wahltag häufig zuhause, wie in NRW geschehen.

Hinzu kommt aus der Sicht vieler CDU-Mitglieder Merkels Amtsverständnis, das die Partei zu Helmut Kohls Zeiten nicht kannte, allenfalls unterm ihrem Kurzzeit-Kanzler Kiesinger. Die Vorsitzende präsidiert als Kanzlerin und führt als CDU-Chefin nicht. Typisch dafür sei, so ihre Kritiker, wie sie die Diskussion über die Verlängerung der Kernenergie habe laufen lassen. Kein klarer Standpunkt nirgends, klagen viele in der Partei. Das gelte insbesondere auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik der vergangenen Monate. Als eine geradezu angemessene Verhöhnung Merkels wird in der CDU empfunden, dass die Linkspartei den Rückzug Kochs mit dem Kommentar bedauert, es gehe einer, der für "klare Aussagen" stehe.

Koch und Merz: Opfer der Kanzlerin

So sehr Koch seinen Rückzug argumentativ als persönliche Lebensentscheidung verkauft und betont "Politik ist nicht mein Leben", so wird diese Entscheidung in der CDU weithin auch als Resignation vor der Kanzlerin verstanden. Wer auch nur andeutungsweise zu ihrem innerparteilichen Konkurrenten aufrückt, werde gebremst.

Es wird in der CDU auch eine direkte Linie von Koch zu Friedrich Merz gezogen. Der sei ebenfalls gegangen aus Mangel an politischer Perspektive und Gestaltungsmöglichkeit. Beide sind, und dies wird nicht nur von Konservativen so gesehen, letztlich Opfer der Kanzlerin. "Wir verlieren einen der Besten, die wir in der CDU in Deutschland haben", sagt Franz-Josef Jung, Ex-Verteidigungsminister, über Roland Koch. Jung ist letzlich ein Opfer - eines der unklaren Afghanistan-Politik der Kanzlerin.

Eine Warnung, die viele in der CDU berechtigt halten, formulierte jetzt die Financial Times Deutschland: "Je weniger Charismatiker der Partei bleiben, desto mehr wird ihre eigene Konturlosigkeit sichtbar." Mappus wiederum murrt schon nach 100 Tagen im Amt massiv gegen Merkel: "Ich will, wenn es schon keinen Rückenwind gibt, dann wenigstens keinen Gegenwind aus Berlin." Er weiß, jetzt muss er den neuen Koch geben.

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