Unions-Streit um Europapolitik Kein bisschen Frieden

Der Ton in der Union wird schärfer. Der Streit um den Kurs in der Europapolitik spitzt sich zu. Die CSU versucht sich, vor der Bundestagswahl im September zu positionieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel deutet die Spitzen der Schwesterpartei richtig, geht einer Konfrontation in der Höhle des Löwen aber diplomatisch aus dem Weg.

Da stehen sie, die Kanzlerin und der bayerische Ministerpräsident - im Kampf um den Unions-Sieg bei der Bundestagswahl vereint, aber nicht immer einig. Angela Merkel ist zur Klausurtagung der CSU-Landesgruppe ins oberfränkische Kloster Banz gekommen. "Verehrte Frau Bundeskanzlerin", sagt Horst Seehofer zur CDU-Chefin und beteuert in feierlichem Ton, die CSU werde alles tun, "damit Du Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland bleibst". Merkel begrüßt den CSU-Chef mit den Worten "lieber Horst Seehofer". Der gemeinsame Auftritt nur zweieinhalb Monate vor der Wahl soll zeigen: Seht her, CDU und CSU stehen zusammen. Vor allem im Wahlkampf.

Wirbel in der Union

Dabei ist Merkel dem Vernehmen nach derzeit gar nicht so gut zu sprechen auf den renitenten Landesfürsten aus Bayern - auch wenn dies die beiden Parteizentralen von CDU und CSU in Berlin und München strikt dementieren und betonen, beide arbeiteten engstens zusammen.

Tatsächlich aber sorgt Seehofer mit seiner CSU derzeit wieder einmal für mächtig Wirbel in der Union. Grund diesmal: die Europapolitik. Denn nach dem jüngsten Europa-Urteil des Bundesverfassungsgerichts fordert die CSU, dass Bundestag und Bundesrat zu jeder EU- Entscheidung eine Stellungnahme abgeben können, die für die Regierung grundsätzlich verbindlich sein soll. Die CDU dagegen fürchtet um die Handlungsfähigkeit Deutschlands in Europa, will längst nicht so weit gehen wie die kleine Schwester.

Und viel Zeit, einen Kompromiss zu finden, bleibt den beiden Unions-Parteien nicht - zumindest, wenn es nach dem Willen der CDU und der Kanzlerin geht. Denn sie weiß: Sie ist bei der Bundestagswahl auf die CSU und ein gutes Ergebnis für die Christsozialen in Bayern angewiesen. So war es immer. Und so macht sie auch diesmal gute Miene zum bösen Spiel. Eine Union könne nur stark sein, "wenn CDU und CSU gemeinsame Lösungen finden", betont sie lediglich, ohne dabei aber auf den Europa-Streit einzugehen. Und meint: "Uns wird der Gesprächsstoff mit Sicherheit nicht ausgehen."

Keine Hast bei der CSU

Das Ziel der CDU ist es, das von Karlsruhe angemahnte neue Begleitgesetz zum EU-Reformvertrag noch vor der Bundestagswahl im Herbst unter Dach und Fach zu bringen. Die CSU stört das nicht. "Das kann im September sein, muss aber nicht zwingend im September sein", sagt CSU-General Alexander Dobrindt.

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) betonte, die CSU sei keine "notorisch europaskeptische Partei", sondern eine, für die der europäische Gedanke außerordentlich wichtig sei. Es gehe nun darum, die Interessen des Bundes und der Länder zu wahren, und darum, die Handlungsfähigkeit von Regierungen sicherzustellen.

Rückblick auf 2005

Auch in der Sache sehen sich die Christsozialen im Recht. Genüsslich verweisen die CSU-Spitzenleute darauf, dass auch die CDU zu Oppositionszeiten im Jahr 2005 einen Gesetzentwurf mit der Forderung nach mehr Mitspracherechten für die deutschen Parlamente unterstützt habe. Allen voran die damalige Unions-Fraktionschefin, und die hieß: Angela Merkel. "Wir haben das wieder rausgeholt, was wir vor vier Jahren auch schon eingebracht hatten. Und das bindet uns gut zusammen innerhalb der Union", sagt Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Aber "festnageln" wolle man natürlich niemanden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Möglicherweise aber könnte der damalige Gesetzentwurf als Grundlage für einen Kompromiss zwischen CDU und CSU dienen. Dort heißt es beispielsweise, dass sich die Bundesregierung grundsätzlich an die Voten der Parlamente halten muss - es sei denn, es stehen herausragende europa- oder integrationspolitische Gründe dagegen. Diese Einschränkung findet sich bislang zwar nicht in den 14 aktuellen Europa-Forderungen der CSU. Aber auch Seehofer sagte bereits, "grundsätzlich" heiße in der Juristerei eben "in der Regel".

Seehofer sieht sich als "Messdiener"

Ein Sturm im Wasserglas also? Tatsächlich ist die Taktik, die Seehofer und die CSU in Sachen Europa derzeit anwenden, alles andere als neu: Es ist seit jeher Teil der Stellenbeschreibung eines CSU- Vorsitzenden, in Berlin möglichst regelmäßig und sichtbar die Muskeln spielen zu lassen - auch gegenüber der großen Schwester CDU. Nur allzu gerne wird in diesem Zusammenhang das Bild vom laut brüllenden bayerischen Löwen verwendet. Man will schließlich den Wählern daheim im schönen Bayern sagen können: Schaut her, wir sind wer in Berlin.

Ähnlich verhält es sich auch beim Thema Steuersenkungen. Da bezeichnete sich Seehofer bei der Verabschiedung des gemeinsamen Unions-Wahlprogramms zwar selbst als "Messdiener" der Kanzlerin. Wenig später aber verabschiedete die CSU einen eigenen Wahlaufruf, in dem sie genau die Punkte verkauft, mit denen sie sich bei Merkel nicht durchsetzen konnte - einem Datum für Steuersenkungen etwa. "Präzisieren" aus bayerischer Sicht, sagen Seehofer und Ramsauer dazu.

DPA
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