Vor dem CDU-Bundesparteitag hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Koalitionsstreit über seine Steuerpolitik Entgegenkommen signalisiert. "Selbstverständlich wird das Steuerrecht in Abstimmung mit den Koalitionsfraktionen weiter entwickelt", sagte Schäuble der "Bild am Sonntag". "Das Ziel der Steuervereinfachung hat auch für mich hohe Bedeutung." Schäuble war vorgeworfen worden, die Fraktionen von Union und FDP nicht genug einzubinden beim Ziel, das Steuerdickicht zu lichten.
Die CDU trifft sich von Sonntagnachmittag an bis Dienstag in Karlsruhe. Neben Vorstandswahlen dürften auch die Aussetzung der Wehrpflicht und die Steuerpolitik im Fokus stehen. Nach der Erholung der Wirtschaft machte Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel klar, dass sie auch weiterhin keine Spielräume für Steuersenkungen sieht. Damit dürfte es vorerst auch nicht wie von der FDP gewünscht Maßnahmen zum Abbau der schleichenden Steuererhöhung für mittlere Einkommen, der sogenannten kalten Progression geben. "Aber natürlich bleibt das Thema für die Zukunft auf der Tagesordnung", sagte Merkel der "Welt am Sonntag".
Steuererklärung nur noch alle zwei Jahre
Einig seien sich die Koalitionsparteien bei dem Ziel, die Steuererklärung wesentlich zu vereinfachen. "Wir planen eine deutliche Steuervereinfachung, die die Bürger um etwa eine halbe Milliarde Euro entlastet, ihnen aber vor allem bürokratischen Aufwand erspart." So solle nur noch alle zwei Jahre eine Steuererklärung ausgefüllt werden müssen.
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mahnte die Union, den Einkommenssteuersatz für kleine und mittlere Einkommen zu senken. "Noch in dieser Legislaturperiode" müssten die Steuern gesenkt werden, sagte Brüderle dem "Tagesspiegel". Das betreffe zwar nicht das Jahr 2011. Die drei Parteien hätten aber einen Koalitionsvertrag unterschrieben, in dem Steuersenkungen in der laufenden Legislaturperiode vorgesehen seien. Brüderle sagte, er habe "keinen Zweifel daran, dass sich auch CDU und CSU an das halten werden, was sie unterschrieben haben". Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes zur Finanzierung einer Entlastung kleinerer Einkommen, wie sie in Teilen der Union diskutiert wird, lehnte der Wirtschaftsminister ab.
Sitzung ohne Ergebnis abgebrochen
Unmittelbar vor Beginn des CDU-Parteitags drohten Finanzexperten der Partei damit, Schäuble notfalls durch einen Initiativantrag zu umfangreichen Steuervereinfachungen zu zwingen. Der CDU-Finanzexperte Christian von Stetten sagte der "Bild am Sonntag": "Wenn wir kein Steuervereinfachungsgesetz umsetzen, das seinen Namen verdient, dann nehmen uns unsere Wähler nicht mehr ernst. Notfalls muss der Bundesparteitag darüber entscheiden."
Großen Streit habe es bei einer Sondersitzung der Arbeitsgruppe Finanzen und des Ministeriums am Freitag gegeben, wo die Fachpolitiker angeblich 18 Steuervereinfachungsvorschläge aus Schäubles Haus nur abnicken sollten. Nach massivem Protest sei die Sitzung nach zwei Stunden ohne Ergebnis abgebrochen worden. Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) sagte, die Gesetzentwürfe Schäubles entsprächen nicht dem Wunsch und Willen der Fraktion.
Merkel stärkt Schäuble den Rücken
Der finanzpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Leo Dautzenberg (CDU), wies die Kritik an Schäuble zurück. "Unsere steuerpolitische Bilanz ist absolut positiv, und auch das von uns vereinbarte steuerpolitische Programm für die nächsten Monate steht", sagte er "Handelsblatt Online". Die Kritik Einzelner entbehre jeder Grundlage.
Schäuble war zuletzt auch wegen des rüden Umgangs mit seinem Sprecher in die Kritik geraten, der daraufhin zurücktrat. Spitzenpolitiker von CDU und FDP stellten sich vor dem CDU-Parteitag demonstrativ vor ihn. Merkel sagte, auf dem G-20-Gipfel in Südkorea habe sie "wieder einmal erlebt, was für einen international hoch angesehenen Finanzminister Deutschland in ihm hat und ich habe volles Vertrauen zu ihm". Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, sagte der "Passauer Neuen Presse", Schäuble mache hervorragende Arbeit. „Er hat den Sparkurs durchgesetzt. Das soll ihm erst einmal jemand nachmachen." Die designierte stellvertretende CDU-Vorsitzende, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, erklärte Schäuble für unverzichtbar im Bundeskabinett. "Er ist ein unersetzlicher Anker für Verlässlichkeit und gutes Regierungshandeln", sagte sie der "Bild am Sonntag". Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag": "Ich erlebe den Kollegen Schäuble als konstruktiven und fairen Partner."
Laut "Focus" schließt Schäuble trotz aller anderslautenden Erklärungen einen Rückzug zum Jahreswechsel nicht aus. Er wolle aber zunächst um sein Amt kämpfen und könne auf die uneingeschränkte Unterstützung der Bundeskanzlerin zählen. "Keiner gibt ihm länger als bis Weihnachten", sagte ein ungenannter Bundesminister dem Magazin. Auch in der Fraktionsspitze gelte der 68-Jährige nach den Worten eines Vorstandsmitglieds als "Minister auf Abruf".