Angesichts steigender Flüchtlings- und Asylbewerberzahlen sehen sich viele Kommunen am Rande der Leistungsfähigkeit. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Länder-Spitzen beraten am Mittwoch über die Flüchtlingshilfe. Ein Überblick über die Lage vor dem Flüchtlingsgipfel:
Wie viele Menschen kamen zuletzt nach Deutschland?
In den ersten vier Monaten des Jahres wurden in Deutschland laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 101.981 Erstanträge auf Asyl gestellt. Das waren 78 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Würde sich diese Entwicklung fortsetzen, wären dieses Jahr mehr als 300.000 Asylanträge möglich – nach 218.000 Erstanträgen im vergangenen Jahr. Diese Menschen müssen in den Kommunen untergebracht werden – neben den rund eine Million Ukraine-Flüchtlingen.
Welche Forderungen gibt es aus den Ländern?
Die Länder würden gerne zu Pauschalzahlungen zurückkehren, die es bis 2021 gab. Der Bund hatte ab 2016 den Ländern 670 Euro pro Asylbewerber und Monat zur Verfügung gestellt. Der Vorteil wäre, dass Bund und Länder nicht immer wieder neu über die Flüchtlingskosten verhandeln müssten.
Die Länder sprechen dabei von einem "atmenden System", das sich automatisch der Lage anpasst. Sie verlangen nun wegen gestiegener Kosten nach einem Papier der Länderfinanzministerien monatlich tausend Euro pro Asylbewerber. Der Bund lehnt die Rückkehr zu Pro-Kopf-Pauschalen generell ab.
Wie positioniert sich die Bundesregierung in der Geldfrage?
In einem Beschlussvorschlag für den Flüchtlingsgipfel bleibt der Bund bei seiner Haltung und will keine wesentliche Erhöhung der Hilfen zusagen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verwies jüngst darauf, dass der Bund bereits im vergangenen November zusätzliche 2,75 Milliarden Euro an Hilfen für dieses Jahr zugesagt habe.
Insgesamt gibt der Bund 2023 nach eigenen Angaben damit 15,6 Milliarden Euro für Flüchtlinge aus. Dies umfasst auch die Ausgaben für die gut eine Million Ukraine-Flüchtlinge, die direkt Sozialleistungen erhalten können und kein Asyl beantragen müssen.
Was will der Bund den Ländern also anbieten?
Die Regierung will den Ländern durch Verfahrenserleichterungen helfen, um Asylverfahren zu beschleunigen. Denn derzeit dauert es laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Schnitt 6,5 Monate bis zu einer Asyl-Entscheidung. Allerdings ist dann auch ein gerichtlicher Einspruch möglich. Im vergangenen Jahr betrug die durchschnittliche Verfahrensdauer deshalb 26 Monate. Gefordert werden in dem Beschlusspapier der Bundesregierung deshalb auch mehr Anstrengungen zur Digitalisierung der Ausländerämter.
Wie sollen Abschiebungen erleichtert werden?
Der Bund schlägt zentrale "Ankunftseinrichtungen" für Geflüchtete vor, aus denen direkt Abschiebungen erfolgen könnten. Darüber hinaus soll der Verstoß gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote als eigenständiger Haftgrund festgelegt und der Ausreisegewahrsam von zehn auf 28 Tage verlängert werden. Mit wichtigen Herkunftsländern will der Bund Gespräche führen, um die Kooperation bei der Rücknahme ihrer Staatsangehörigen zu verbessern.

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Warum will der Bund auch die Liste sicherer Herkunftsländer erweitern?
"Zeitnah" will der Bund auch einen Gesetzentwurf vorlegen, um insbesondere Georgien und Moldau auf die Liste sicherer Herkunftsländer zu setzen. Bei solchen Staaten wird aufgrund der politischen Lage generell nicht von einer Verfolgung ausgegangen. Asylanträge ihrer Staatsangehörigen wären als "offensichtlich unbegründet abzulehnen", die Fristen für Einsprüche sind verkürzt.
Wie sind die Einigungschancen?
Viele Vorschläge des Bundes zur Verfahrensbeschleunigung und schnelleren Abschiebungen werden auch Unterstützung bei den Ländern finden, helfen aber wohl nur mittel- bis langfristig. In der Finanzfrage schienen die Positionen vor dem Treffen verhärtet. Ein Scheitern des Flüchtlingsgipfels wäre angesichts der angespannten Lage in vielen Kommunen aber für beide Seiten schwierig. Ob es doch zu einer Einigung kommt, wird sich wohl erst nach stundenlangen Verhandlungen am Mittwoch zeigen.