Wachstumsförderungsgesetz Zockerei beim Kaffeekranz

Vielen galt er als tapsiger Polit-Bär, aber nun hat Peter Harry Carstensen im Steuerstreit mit Angela Merkel für die Länder offenbar doch tatsächlich etwas herausgeholt - und muss am Ende dennoch auf das Wort der Kanzlerin vertrauen.
Von Hans Peter Schütz

Es gab keinen entspannenden Rotwein, nur ernüchternden Kaffee und Tee. Kein Kerzchen wurde entzündet und kein Weihnachtsplätzchen gereicht. Man saß am Sonntagabend schließlich im Kanzleramt nicht zur schwarz-gelben Weihnachtsfeier zusammen. Es ging um Milliarden. Und die brisante Frage, ob die Kanzlerin Angela Merkel und ihr Vizekanzler Guido Westerwelle mit ihrem Gesetz zur Konjunkturankurbelung diese Woche am Freitag im Bundesrat scheitern. Der Amtsantritt der neuen Regierung würde damit in einer politischen Großblamage enden.

Carstensen und Kubicki zuversichtlich

So weit wird es wohl doch nicht kommen. Denn der schleswig-holsteinische CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki scheinen gemeinsam Manns genug gewesen zu sein, die von der Bundesregierung geplante Attacke auf die ohnehin leeren Steuerkassen der Länder abzuwehren. Endgültig gesichert ist das zwar noch nicht. Aber Carstensen und Kubicki sehen eine "sehr gute Chance", dass alles noch klappt.

Zunächst machten die Schleswig-Holsteiner ihren Gegenübern klar, dass die finanzschwächeren Länder wie Schleswig-Holstein, das Saarland oder Berlin keine Chance haben, die ihnen ab 2020 zwingend vorgeschriebenen Vorgaben für eine Netto-Neuverschuldung zu erreichen, wenn ihnen durch das umstrittene Steuersenkungspaket zur Ankurbelung der Konjunktur neue Finanzlasten aufgebürdet werden. Das sei nur zu ertragen, wenn die Länder - und zwar alle - an anderer Stelle entlastet würden.

Bund macht Zugeständnisse

Dafür hat, selbst Kubicki staunte sehr darüber, Carstensen mit Löwenmut gekämpft. Am Ende des Abends gab es dann finanzielle Annäherung an drei Punkten:

Erstens werden die Länder und Kommunen bei der bevorstehenden Rückabwicklung der Organisation zur Betreuung von Arbeitslosen von den Kosten komplett entlastet. Das Verfassungsgericht hatte die derzeit stattfindende Kooperation der Bundesagentur für Arbeit mit den Kommunen als verfassungswidrig erklärt. Die Neuorganisation führt zu einem erheblichen bürokratischen und räumlichen Mehraufwand. Die Millionen-Kosten der Neuorganisation werde der Bund jetzt vollständig übernehmen, haben Merkel und Westerwelle angeboten. Dadurch sparen die Kommunen vor allem erhebliche Beträge.

Zweitens wird der Bund auf dem diesen Mittwoch stattfindenden Bildungsgipfel den Ländern erhebliche Hilfen für den Ausbau der Schulen und die Ausbildung von Lehrern sowie die Förderung von Kindern mit schlechten Deutsch-Kenntnissen anbieten. Durch das geplante Bildungspaket soll es den Ländern möglich gemacht werden, sieben Prozent des Bruttoinlandprodukts ab dem Jahr 2015 für Bildung auszugeben. Die Bildungs-Finanzspritzen des Bundes sollen die Haushalte aller Länder entlasten.

Merkel liefert nur pauschale Zusage

Drittens sollen die Länder bei den im nächsten Jahr anstehenden Gesprächen über eine umfassende Steuerstruktureform - Mehrwertsteuer und Einkommensteuer - stärker als bisher bedient werden. Zur Zeit werden diese allgemeinen Steuereinnahmen zu je 42,5 Prozent an Bund und Länder verteilt, der Rest geht an die Kommunen. Mehr als eine allgemeine, pauschale Zusage machte die Kanzlerin hier allerdings nicht.

Carstensen hat energisch bemängelt, dass man sich auf Worte der Regierungsspitze allein nicht verlassen wolle. Er forderte entweder eine schriftliche Zusage oder aber eine eindeutige Erklärung der Bundesregierung in der Sitzung des Bundesrats am kommenden Freitag. Antwort der Kanzlerin: "Ihr müsst unseren Worten vertrauen." Dass die geplante Sanierung des Bundeshaushalts durch diesen Kompromiss um vermutlich ein weiteres Jahr verschoben werden muss, wurde nicht diskutiert.

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