Dem nach Deutschland ausgelieferten Ex-Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber drohen im Falle einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft. Darauf hat der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz am Montag in Augsburg hingewiesen. Die Ankläger werfen Schreiber Steuerhinterziehung, Betrug und Bestechung vor. Der Prozess werde auf keinen Fall noch vor der Bundestagswahl am 27. September beginnen und voraussichtlich Monate dauern, betonte Nemetz. Eine strafmindernde Absprache schloss er aus. Schreiber gilt als Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre, die im Jahr 2000 die Partei erschüttert hatte.
Vertreter der Parteien gaben sich cool. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte, er sehe eventuellen Enthüllungen von Schreiber "gelassen" entgegen. Ähnlich reagierte auch die Bundes-CDU. Jetzt sei die Justiz am Zuge, hieß es im Adenauer-Haus in Berlin. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering sagte: "Stinken tut es woanders. Wir müssen nur sehen, dass die Leute merken, woher der Duft kommt." Der FDP-Innenexperte Max Stadler sagte "Spiegel Online", Schreibers Aussagen würden für CDU und CSU "bestimmt nicht angenehm". Er rechne jedoch nicht damit, dass der Fall den Bundestagswahlkampf entscheidend beeinflussen werde.
Der Angeklagte sitzt derweil in der Augsburger Justizvollzugsangstalt (JVA). Es gebe keine gesundheitlichen Bedenken gegen eine Untersuchungshaft von Schreiber, erklärte der Staatsanwalt. Schreiber sei auf dem Flug von Kanada nach München von einem kanadischen Arzt begleitet und bei seiner Ankunft von einem deutschen Arzt empfangen worden. Er sei dann von vier Beamten des Bundeskriminalamtes in die JVA gebracht worden. Für die Strafverfolger sei es "ein befriedigendes Gefühl", dass die zum Teil nervenaufreibenden Verhandlungen mit den kanadischen Behörden nun doch zu einer Auslieferung Schreibers geführt hätten.
Der ehemalige Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber sitzt zunächst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Augsburg ein. Nach einem zehnjährigen juristischen Tauziehen um seine Auslieferung war Schreiber am Montag von Kanada nach Deutschland abgeschoben worden. Der 75-jährige Deutsch-Kanadier landete um 9.22 Uhr in einer Maschine der Air Canada in München auf dem Flughafen Franz-Josef Strauß, anschließend wurde er in die Justizvollzugsanstalt gebracht. Der Haftbefehl gegen Schreiber soll am Dienstag eröffnet werden.
Vor seinem Abflug nach Deutschland hatte sich Schreiber zehn Jahre lang mit allen juristischen Mitteln gegen seine Rückkehr in die Bundesrepublik zur Wehr gesetzt - am Ende erfolglos. Die Regierung in Ottawa hatte Schreiber am Freitagabend überraschend informiert, dass er sich innerhalb von 48 Stunden in Abschiebehaft einfinden müsse.
Einen Tag vorher hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) bei der kanadischen Regierung auf eine zügige Auslieferung Schreibers gedrängt. In einem Fax an ihren Amtskollegen Robert Nicholson bat sie, einem entsprechenden Ersuchen zuzustimmen, damit das "gegen Schreiber geführte Verfahren endlich fortgeführt werden kann", berichtete der "Spiegel" am Wochenende.
Als Waffenlobbyist begann das "Verkaufsgenie" Schreiber, Aufträge für Hubschrauber, Airbusflugzeuge und Spürpanzer im In- und Ausland zu vermitteln. Unter anderem knüpfte er Kontakte zwischen dem Stahlriesen Thyssen und der bayerischen Staatskanzlei. Selbst zum Bundesnachrichtendienst in Pullach soll er gute Kontakte gehabt haben. Als Augsburg 1995 ein Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Schreiber eröffnete, kamen auch die Schmiergelder ans Licht.

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Auch Schäuble stolperte über Schreiber
Die Fahndungen ergaben, dass der ehemalige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep von Schreiber auf einem Parkplatz in der Schweiz eine Million Mark im Koffer erhalten hatte, die dann in die Parteikasse der CDU flossen. Kiep, zwei Thyssen-Manager und der frühere Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls wurden wegen Bestechlichkeit verurteilt. 2000 geriet der damalige CDU-Chef Wolfgang Schäuble unter Verdacht, von Schreiber Geld angenommen zu haben, und gab deshalb schließlich sein Amt auf.
Angesichts der Augsburger Ermittlungen wurde Schreiber das Pflaster in Deutschland schnell zu heiß. 1996 setzte er sich zunächst in die Schweiz und - nach Räumung aller Konten - mit seinem kanadischen Pass nach Toronto ab. Dort gründete er eine Imbisskette und schmiedete bereits Pläne für den Einstieg in die lukrative Schulspeisung, als die Regierung in Ottawa beschloss, dem Haftbefehl der Augsburger zu folgen und Schreiber nach Deutschland abzuschieben.