Trotz Bedenken der Bonitätswächter pocht Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Hilfe der Privatgläubiger bei der Rettung Griechenlands. "Es ist wichtig, dass sich die Troika die eigene Urteilsfähigkeit nicht wegnehmen lässt", sagte Merkel am Dienstag in Berlin. "Ich vertraue vor allem den Bewertungen dieser drei Institutionen", sagte sie mit Blick auf die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und den Internationalen Währungsfonds (IWF). Die weltgrößte Rating-Agentur Standard & Poor's (S&P) hatte am Vortag den französischen Vorschlag abgelehnt, mit dem private Gläubiger an der Rettungsaktion beteiligt werden sollen. Beide Varianten des Modells seien als begrenzter Zahlungsausfall (selective default) zu bewerten - was deutsche Banken und Versicherer unbedingt vermeiden wollen, um massive Abschreibungen im Falle einer Griechenland-Pleite zu verhindern.
Nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble könnte der private Anteil an der Finanzierung eines zweiten Hellas-Hilfspakets bis zu 50 Prozent betragen. Wenn alle Eurostaaten mit ihren Banken Vereinbarungen ähnlich wie Deutschland schlössen, sei ein solch hoher Betrag machbar, sagte Schäuble in der CDU/CSU-Bundestagsfaktionssitzung nach Angaben von Teilnehmern. Allerdings müssten andere Staaten noch liefern. Die niederländische Regierung kündigte an, die Banken des Landes seien grundsätzlich zu einem Beitrag bereit.
Arbeit am zweiten Rettungspaket mit Hochdruck
Der neue französische Finanzminister Francois Baroin versicherte in Paris: "Wir werden alle nötigen Maßnahmen ergreifen, damit es nicht zu einem Zahlungsausfall kommt." In der französischen Hauptstadt wird am Mittwoch der von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann geführte Internationale Bankenverband (IIF) eine Sitzung zur Beteiligung der Privatgläubiger an den geplanten Griechenlandhilfen leiten. Am selben Tag wird Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos in Berlin mit seinem Kollegen Schäuble zusammenkommen. Die Politiker der Euro-Zone arbeiten derzeit mit Hochdruck an einem zweiten Rettungspaket für das klamme Ägäis-Land, das den Kapitalbedarf bis 2014 decken und die privater Gläubiger mit ins Boot holen soll.
Die Euro-Finanzminister hatten am Wochenende die dringend benötigte Rate über zwölf Milliarden Euro aus einem ersten Rettungspaket freigegeben und Griechenland damit vorerst vor der Pleite bewahrt. Die nächste Tranche ist im September fällig. Bis dahin soll Klarheit über die mittelfristige Finanzierung von Hellas herrschen: Es braucht weitere Hilfen im Umfang von bis zu 120 Milliarden Euro. Der Bundestag wird wohl erst im September über das zweite Hilfspaket abstimmen. Die Regierungsfraktionen rechnen trotz kritischer Stimmen mit einer eigenen Mehrheit von CDU-, CSU- und FDP-Abgeordneten für das Programm. Als Voraussetzung für eine Zustimmung fordern sie allerdings eine substanzielle Beteiligung privater Investoren.
In der Frage droht zudem bis in den Herbst hinein eine juristische Zitterpartei vor dem höchsten deutschen Gericht. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe muss nach mehreren Verfassungsbeschwerden namhafter Wirtschaftsprofessoren in den kommenden Monaten entscheiden, ob die deutschen Gesetze zur Griechenland-Hilfen und zum Euro-Rettungsschirm gegen das Grundgesetz und EU-Recht verstoßen. In der mündlichen Verhandlung am Dienstag in Karlsruhe äußerten die Verfassungshüter allerdings bereits Zweifel über die Zulässigkeit der Klagen.
EZB könnte Tür für Kompromiss aufstoßen
Einem Bericht der "Financial Times" (FT) zufolge könnte die EZB die Tür für einen Kompromiss zur Lösung der griechischen Schuldenkrise aufstoßen. Nach Informationen des Blatts wird sie bis auf weiteres Hellas-Staatsanleihen als Sicherheit akzeptieren, solange nicht alle relevanten Ratingagenturen einen Zahlungsausfall feststellen. Ein EZB-Sprecher lehnte einen Kommentar ab. In dem beschriebenen Szenario akzeptiert die EZB Schuldtitel Griechenlands auch dann weiterhin als Sicherheit, wenn zum Beispiel die Ratingagentur Fitch dem klammen Land keinen Zahlungsausfall bescheinigen würde. "Die EZB würde sich auf das Prinzip stützen, jeweils das beste verfügbare Rating der Agenturen heranzuziehen", zitierte die Zeitung einen namentlich nicht genannten ranghohen Vertreter des Finanzsektors. Aus Finanzkreisen verlautete jedoch, eine solche Sichtweise sei womöglich schwierig zu vermitteln: "Wenn mehrere Rating-Agenturen das gleiche Urteil abgeben, kann man das schwerlich ignorieren."