Zwickauer Zelle und Unterstützer GSG 9 macht das halbe Dutzend voll

  • von Manuela Pfohl
Der sechste Unterstützer der Zwickauer Zelle ist "einkassiert". Die GSG 9 hat einen mutmaßlichen Waffendealer der Terrorgruppe geschnappt. Doch dadurch tun sich neue Rätsel auf.

Ganz überraschend kam die Festnahme nicht. Schon seit einigen Tagen waberten Gerüchte durch die linke und die rechte Szene, dass Carsten S. demnächst "einkassiert" werden würde. Der 31-Jährige war den Verfassungsschützern bereits seit längerem suspekt, wie ein streng geheimer Bericht der Behörde zeigt, der Ende 2011 nicht nur an die Bundes- und Länderregierungen sowie das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages ging. Wenig später zitierte auch "Der Spiegel" aus dem angeblich bis 2040 für die Öffentlichkeit gesperrten Papier. Darin wird vermutet, dass Carsten S. die rechtsextreme Zwickauer Neonazi-Zelle direkt unterstützte. Jetzt machte die Bundesanwaltschaft Nägel mit Köpfen und ließ den Mann am Mittwochmorgen von der Eliteeinheit GSG 9 in Düsseldorf abführen. Er ist damit der sechste Unterstützer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU), der inzwischen festgenommen wurde.

Carsten S. steht laut Bundesanwaltschaft im dringenden Verdacht, Beihilfe zu sechs Morden und einem Mordversuch geleistet zu haben. Nach bisherigen Erkenntnissen soll er gemeinsam mit dem seit vergangenen November in Untersuchungshaft sitzenden Ralf W. im Jahr 2001 oder 2002 eine Schusswaffe nebst Munition für das Terrortrio beschafft haben. Sowohl die Waffe als auch die Munition habe er in Jena gekauft und anschließend an Ralf W. weitergegeben. Der wiederum habe einen Kurier damit betraut, das Ganze an die "NSU"-Mitglieder in Zwickau zu übergeben.

Warum ließ der Verfassungsschutz ihn laufen?

Nach den bisherigen Erkenntnissen war Carsten S. 1999 und 2000 im rechtsextremistischen "Thüringer Heimatschutz" aktiv, dem auch das Neonazi-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe angehört haben soll. S. stand demnach in enger Verbindung zu den drei 1998 abgetauchten Neonazis und soll diese finanziell unterstützt haben. Zeitweilig soll er der einzige aus dem rechtsextremistischen Umfeld der Gruppe gewesen sein, der unmittelbaren Kontakt zu der Zelle hatte. Offenbar bestand also ein besonderes Vertrauensverhältnis.

Laut Bundesanwaltschaft hat Carsten S. "angesichts seiner engen persönlichen und ideologischen Verbindung zu den NSU-Mitgliedern, billigend in Kauf genommen, dass die von ihm besorgte Waffe für rechtsextremistische Morde verwendet werden könnte". Ob die Waffe letztlich wirklich benutzt wurde sei zur Zeit allerdings noch unklar. Unklar ist auch, welche Rolle Carsten S. im rechtsradikalen Netzwerk konkret spielte.

Denn angeblich hatte der Festgenommene ausgerechnet Tino Brandt, dem früheren Chef des rechten "Thüringer Heimatschutzes" und gleichzeitig V-Mann des Verfassungsschutzes, im März 1999 berichtet, dass er Kontakt zum untergetauchten Terrortrio habe. Man vermutete in der Behörde, dass S. die Abgetauchten auch finanziell unterstützte. Nur, warum hat man ihn dann nicht schon damals festgenommen, oder zumindest die Gelegenheit genutzt, über ihn an die drei Gesuchten zu kommen? Hat man ihn wider besseren Wissens unbehelligt gelassen, und wenn ja, warum?

Als Aussteiger Waffen besorgt?

Merkwürdig ist auch, dass Carsten S. angeblich nach einem Streit im Jahr 2000 mit der rechten Szene und den Terroristen brach und Thüringen verließ. 2003 sei er nach Nordrhein-Westfalen umgezogen und habe zunächst in Hürth bei Köln gewohnt, heißt es, bevor er nach Düsseldorf weitergezogen sei, wo er im Herbst 2003 ein Studium aufnahm und sich sozial engagiert haben soll. In der Juli/August Ausgabe der alternativen Düsseldorfer Stadtteilzeitung "Terz" wurde im Rahmen eines Beitrages über Neonazi-Aussteiger auch über ihn als positives Beispiel berichtet. Doch wie passt das zum aktuellen Verdacht der Bundesanwaltschaft, dass er im Jahr 2001 oder 2002 eine Waffe für das Nazitrio besorgt habe und bis 2003 Kontakte in die rechte Szene unterhielt?

Die Zwickauer Neonazi-Zelle soll zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordet haben. Außerdem werden der Gruppe zwei Sprengstoffanschläge in Köln 2001 und 2004 mit insgesamt 23 Verletzten sowie eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt.

Manuela Pfohl