Netzgebühren Im Süden zahlen Verbraucher weniger für ihren Strom – Schluss damit!

Strom: Energiepark Lausitz bei Klettwitz in Brandenburg
Der Energiepark Lausitz bei Klettwitz in Brandenburg ist mit 300 Megawatt Photovoltaik-Gesamtleistung eines der größten Solarprojekte Deutschlands.
© Imago
Verbraucher in den südlichen Bundesländern zahlen weniger für Strom als in den nördlichen. Dort wiederum stehen die meisten Windräder, mit denen die gesamte Republik mit günstiger Energie versorgt wird. Eine Ungerechtigkeit, die an Schnorrerei grenzt.

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat sich dafür ausgesprochen, die Netzgebühren für Kunden in Regionen mit viel Windkraft zu senken. Das heißt: Strom billiger zu machen. Das ist dringend notwendig. Denn damit würde endlich ein bitterer Systemfehler ausgemerzt, der dafür gesorgt hat, dass die Stromkunden im Norden und Osten die günstigeren Energietarife im Süden und Südwesten der Republik mitbezahlen.

Hintergrund: Da immer mehr Windräder und Solaranlagen errichtet werden, müssen auch immer neue Stromleitungen und Verteilstationen gebaut werden. Das kostet die Netzbetreiber Geld. Sie dürfen die Investitionen auf die Verbraucher umlegen, die an den Netzen hängen. Die Umlage nennt sich Netzentgelt. Sie macht derzeit im Bundesdurchschnitt etwa 21 Prozent des Strompreises aus. Kostet also eine Kilowattstunde 32 Cent, sind darin knapp sieben Cent Netzentgelt enthalten.

Das klingt zunächst marktwirtschaftlich und schlüssig. Das Prinzip hat aber zwei Haken: Erstens hängt die Höhe des Netzentgelts für einen Hauhalt wesentlich davon ab, wie viele weitere Haushalte am Netz hängen. Sind es viele, verteilt sich die finanzielle Last auf viele Schultern. Sind es wenige, wird der einzelne stärker zur Kasse gebeten. Beispiel: In Bayern, wo 186 Leute auf einem Quadratkilometer leben, sind es mehr Schultern als in Brandenburg mit 85 Personen. Deshalb zahlt eine bayerische Familie (Stromverbrauch: 4000 Kilowattstunden) laut Verivox im Jahr 323 Euro Netzentgelt, während in Brandenburg 477 Euro anfallen. 

Zweiter Haken: Die Bayern profitieren vom vielen billigen Windstrom aus dem Norden und Osten, der zu ihnen geleitet wird. Aber sie tragen den Ausbau der Infrastruktur am anderen Ende Deutschlands nicht entsprechend mit. Zudem zeigen sie wenig Elan, selbst grüne Kraftwerke hochzuziehen. In Brandenburg wurden in der ersten Jahreshälfte 21 neue Windräder errichtet, in Bayern waren es magere fünf. 

Es geht um Gerechtigkeit

Nicht nur Behördenchef Müller, sondern auch die Ministerpräsidenten aus Bundesländern mit vielen Windrädern plädieren für eine Änderung der Netzentgelte. Es gibt diverse Vorschläge, wie das laufen könnte: Der Strommarkt könnte in mindestens zwei (Großhandels-)Preiszonen eingeteilt werden, wogegen CSU-Chef Markus Söder wettert, weil sein Land sich in der teureren befände. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger fordert, der Staat müsse den Ausbau der erneuerbaren Energien finanzieren; nur so schaffe man Gerechtigkeit.

Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur
Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur
© Bundesnetzagentur

Die Bundesregierung will die Entscheidung über Ausgleichsmaßnahmen bei der Bundesnetzagentur belassen. Sie ist nach europäischem Recht dafür zuständig. Ein Gesetzentwurf liegt im Bundestag. Voraussichtlich im Herbst soll das Energiewirtschaftsgesetz entsprechend geändert werden.

Gerechtigkeit wird ein immer größeres Thema bei der Energiewende. Es geht um Kosten, aber auch um die Inanspruchnahme von Landschaft etwa für die Windkraft. Wenn die Lasten und Vorteile nicht fair verteilt werden, könnte die ohnehin geringe Zustimmung zum grünen Umbau des Staates weiter zurückgehen. Das kann niemand angesichts des überall spürbaren Klimawandels wollen.