US-Wahl 2016 "Es wird Nacht über Washington"

Langsam legt sich der Staub nach dem politischen Erdbeben in den USA. Die Weltpresse, die zum überwiegenden Teil mit einem Sieg Hillary Clintons gerechnet hatte, zeigt sich besorgt über Trumps Triumph. So mancher spricht von einer neuen Weltordnung.

"The Times", Großbritannien

"Trump hat große Investitionen in das Militär sowie die Vernichtung dessen angekündigt, was von der Terrororganisation IS übrig ist. Andererseits könnte seine Bereitschaft, militärische Stärke zu demonstrieren, durch Behutsamkeit gebremst werden. Ein neuer amerikanischer Isolationismus wäre bedauerlich und zugleich bedeutsam für Großbritannien und Frankreich. Beide Länder könnten veranlasst sein, eine prominentere internationale Rolle zu übernehmen, denn sie sind die einzigen anderen westlichen Mächte mit eigener nuklearer Abschreckung und kampferfahrenen Interventionstruppen. 

"Tages-Anzeiger", Schweiz

"Hat die Welt, hat Europa oder die Schweiz etwas zu befürchten, wenn der Egomane aus New York die Kontrolle über die Atomwaffen erhält? Nicht unbedingt, es kann auch besser werden. Außenpolitisch will Trump Abschied nehmen vom Konzept des globalen Weltpolizisten. Ein Konzept, das den USA Milliardenkosten und ein Heer von Kriegsveteranen bescherte. (...) 

Waren denn die außenpolitischen Interventionen der Amerikaner der letzten 30 Jahre wenigstens ein Erfolg? Nein, Haiti ist heute ein gescheiterter Staat, Afghanistan, Somalia und der Irak ebenso. Syrien und Libyen, wo Obama halbherzig eingegriffen hat, geht es nicht besser. Kosovo und Bosnien sind korrupte Gebilde am Tropf der EU, und in der Ukraine hat das forsche Vorgehen im Verbund mit der EU fast zu einem offenen Krieg geführt.

"Le Figaro", Frankreich

"Amerika ähnelt an diesem Morgen einer dieser Schwerverwundeten, denen man den Schlamm abwaschen muss, um ihre Wunden zu entdecken und sie endlich zu versorgen. Der Zusammenstoß war heftig, die Schäden sind immens. Zwei Länder sind aufeinandergeprallt, ohne dass irgendjemand über lange Zeit den Unfall hätte kommen sehen. Die erste Aufgabe des neuen Bewohners des Weißen Hauses wird es sein, zu versuchen, sie wiederzuvereinigen. (...) Neben Gewalt und Schlamm wird von diesem amerikanischen Wahlkampf das Bild eines großen Scheiterns bleiben. Politiker, Medien, Analysten haben den Bulldozer Trump nicht kommen sehen und sich bereitwillig an die Karikatur gehalten. Oder eher: Sie haben das wütende Volk nicht wahrgenommen, das auf seiner breiten Spur marschierte. (...) Das Jahrmarkt-Phänomen hat das Gesellschaftsphänomen verdeckt."

"Die Presse", Österreich

"Für den Westen ist Trumps Erfolg nach dem Brexit der zweite Schock binnen kürzester Zeit. Und wieder hat sich der Zorn gegen Immigration, offene Grenzen und Freihandel gerichtet. Die Globalisierung, die weltweit Hunderte Millionen Menschen aus der Armut gehoben hat, ist offenbar an ihre politischen Grenzen gestoßen, weil eben nicht alle in gleichem Ausmaß davon profitieren. Als Gegenreaktion tobt nun ein grenzüberschreitender Volksaufstand gegen ökonomische, technologische und soziale Veränderungen, von denen sich viele überrollt und übervorteilt fühlen. Am Ende dieses Prozesses könnte sich die liberale Weltordnung, wie wir sie kennen, auflösen."

"The Guardian", Großbritannien 

"Trumps Sieg bedeutet Unsicherheit hinsichtlich Amerikas künftiger Strategie in einer Welt, die sich lange auf die Stabilität der Vereinigten Staaten verlassen hat. Trumps Fähigkeit zur Destabilisierung ist nahezu grenzenlos. Auf allen Gebieten seiner Politik - Verteidigung, Diplomatie, Sicherheit, Umwelt und Handel - kann er die Lage der Welt verschlechtern. Die Amerikaner haben in dieser Woche (mit Trumps Wahl) etwas sehr Gefährliches gemacht. Wir alle sehen deshalb dunklen, unsicheren und angstvollen Zeiten entgegen."

"El País", Spanien

"Es wird Nacht über Washington. Der Triumph des republikanischen Kandidaten Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl ist eine sehr schlechte Nachricht für alle Demokraten der Welt. Gleichzeitig bringt er allen Gegnern der Demokratie Chancen und Freude. Der vernichtende Sieg des unberechenbaren und somit gefährlichen Demagogen stürzt die Welt in die größte Ungewissheit. Die wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen werden nicht lange auf sich warten lassen."

"Aftonbladet", Schweden

"Für die Welt und Schweden dürfte ein Sieg von Donald Trump eine dramatische Veränderung beinhalten. Seine Außenpolitik ist im Großen und Ganzen völlig unbekannt, außer dass er Gegner des Freihandels ist, skeptisch gegenüber den Nato-Verpflichtungen und den russischen Präsidenten Wladimir Putin mag. Wie er sich im Mittleren Osten, im Bezug auf China oder im Kampf gegen Terrorismus verhalten wird, können wir nur raten. (...) Er hat freie Medien angegriffen, unabhängige Richter infrage gestellt und gedroht, seine Gegenkandidatin ins Gefängnis zu werfen. Das sind Methoden, die wir mit Diktaturen und autoritären Staaten verbinden - nicht mit den USA und der westlichen Welt. Und Trumps Bewegung liegt in der Nähe von Parteien wie den Schwedendemokraten und dem europäischen Rechtspopulismus. Das verheißt nichts Gutes."

"La Stampa", Italien

"Das Volk des Aufstandes erobert Amerika und wählt Donald Trump, es erschüttert die Welt. In knapp elf Monaten hat der weiße Mittelstand, gegeißelt von der Wirtschaftskrise und sozialen Missständen, in dem Tycoon einen Verteidiger gefunden, der (...) die Demokraten von Hillary Clinton geschlagen und das Establishment in Washington gedemütigt hat. Er hat den ganzen Planeten überrascht.

Es ist ein Hurrikan der Unzufriedenheit, der aus dem Bauch der Nation schlägt und der seine Hochburg in den Midwest-Staaten hat, die Barack Obama einst erobert hatte und die nun die Farbe gewechselt haben. Weil Millionen verarmte Familien ohne Hoffnung auf Wohlstand und Zufriedenheit sich entschieden haben, aus Washington die Dynastien der letzten 30 Jahre zu vertreiben: die Bushs und die Clintons."

"Financial Times", Großbritannien 

"Wenn Trump seine Drohung wahr macht, der Welthandelsorganisation sowie (dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen) Nafta den Rücken zuzukehren und Handelskriege mit globalen Partnern zu beginnen, wird die Welt insgesamt ärmer werden. Die Folgen hinsichtlich der sozialen Ungleichheit werden kaum jene sein, die Trumps Anhänger in der Arbeiterklasse sich erhoffen. (...) 

Der optimistische Standpunkt ist, dass der böswillige, gegen Muslime hetzende Kandidat sich verwandelt, wenn er erstmal im Weißen Haus ist. So eine Veränderung ist möglich. Aber sie könnte sich als nicht nachhaltig erweisen. Sein Temperament könnte dies verhindern."

"Kommersant", Russland

 "Donald Trump war wohl der ungewöhnlichste Präsidentschaftskandidat der jüngeren US-Geschichte. Sein Sieg gegen die Favoritin Hillary Clinton ist die Sensation des Jahrzehnts. Möglich machte dies eine machtvolle Proteststimmung in der amerikanischen Gesellschaft. Nun spricht alles dafür, dass sich der 45. US-Präsident von allen vorhergehenden Staatschefs des Landes radikal unterscheiden wird. Allerdings wäre dies auch eine neue Chance für eine Wiederherstellung der Beziehungen mit Russland. Die Wahl hat Trump im Alleingang gewonnen, ohne seine Partei. Im Weißen Haus wird er aber gezwungen sein, sich als Teamplayer zu erweisen - wenn auch als Mannschaftskapitän."

AFP · DPA
amt