Vor dem Abstieg in den Grand Canyon erteilt der Ranger erst einmal eine Lektion wie man die Tour übersteht.
"Der South Kaibab Trail ist steil. Zwölf Kilometer lang. Er führt dich 1500 Meter in die Tiefe. Versuch' erst gar nicht, an einem Tag hinunter und wieder herauf zu kommen. Es hat schon Tote gegeben. Okay?"
"Okay."
"Geh' früh los. Es wird heiß. Nimm' vier Liter Wasser mit. Okay?
"Okay."
Es ist noch dunkel am nächsten Morgen. Über Nacht legte sich pudriger Schnee auf die Kakteen am Wegesrand. Doch mit jedem Schritt nach unten wird die weiße Kruste dünner. Es wird wärmer, dampfiger. Im Osten zeigt sich ein erster violetter Schimmer. Die Sonne geht auf.
Dann glaubt man, den Talgrund zu erkennen. Fransige Nebel hängen darüber. Doch schon offenbart der nächste Blick, es geht noch viel tiefer. Da ist noch eine Felsstufe. Und noch eine. Irgendwann an diesem Tag werden wir dort unten ankommen, wo sich der reißende Colorado durch die Schlucht wälzt.
Grand Canyon: Sieben Stunden bergab wandern
Ein Felsbrocken klackert nicht weit entfernt in die Tiefe. Vielleicht wurde er von einem Bighornschaf oder einem Berglöwen losgetreten. Dann ist es wieder still. Ein schwarzer Skorpion krabbelt unter einem Stein hervor und wärmt sich in der Morgensonne. Man würde gern stundenlang schauen, aber der Weg ist noch weit und die Sonne gewinnt rasch an Kraft. Unten im Canyon steigt das Thermometer am Mittag auf 45 Grad Celsius.
Tipps für die zehn schönsten Nationalparks der USA

Phantom Ranch
Abstieg über den South Kaibab Trail und Rückweg über den Bright Angel Trail. Man braucht dafür zwei Tage. Die Tour ist technisch nicht schwierig, aber lang und wegen der hohen Temperaturen im Canyon sehr anstrengend. Viel Wasser einpacken!
Übernachtet wird auf der Phantom Ranch - entweder im Zelt oder 10-Bett-Zimmer. Sehr früh reservieren, bis zu einem Jahr im Voraus.
Infos: www.grandcanyonlodges.com/lodging/phantom-ranch
Rad fahren am Abgrund
Asphaltierte Straßen und Wege führen am Canyon-Rand entlang. Mountainbikes und Cruiser gibt es an der South Rim zum Ausleihen, auch für Kinder. Besonders schön ist die Fahrt vom Besucherzentrum nach Hermits Rest. Die Straße ist für Autos gesperrt.
Infos: http://bikegrandcanyon.com
Grand Canyon Railway
Reisen wie im wilden Westen. Ein restaurierter Zug (Diesel- oder Dampflok) fährt vom Städtchen Williams 50 Kilometer direkt an die Schlucht im Nationalpark. Auf dem Rückweg wird der Zug von Posträubern überfallen. Eine große Show, vor allem für Kinder.
Infos: www.thetrain.com
Jeder weitere Schritt führt hinab in noch ältere Erdschichten - Kalkstein, Sandstein, Schiefer, Gneis und Granit - immer tiefer. Die Erdgeschichte zieht im Schritttempo vorbei. Das im Grand Canyon abgelagerte Gestein entstand in Sümpfen, Wüsten und tropischen Meeren. Es ist unfassbar und gleichzeitig sind die versteinerten Zeugen, wie Krebse, Schwämme, Farne und Algen, aus vergangenen Jahrmillionen zum Greifen nah. Das älteste Gestein am Canyongrund ist 1,7 Milliarden Jahre alt.
Sieben Stunden ging es immer nur bergab. Nun führt ein flacher Pfad am Colorado entlang zur Phantom Ranch, eine Ranger Station und ein paar Bruchsteinhütten. Hier bleiben wir über Nacht. Geschlafen wird in Stockbetten, zu zehnt in einem Raum. Männer und Frauen getrennt.
Nationalparks in Amerika sind besondere Orte
Ob im spektakulären Grand Canyon oder in den endlosen Graslandschaften der Badlands. Sie entschleunigen und entspannen. Sie bieten so viel Natur, dass einem der Atem stockt. Sie überwältigen. Sie können süchtig machen.

In den Parks öffnen sich Tore in eine nahezu unberührte Natur. Eine noch heile Welt, in der man staunen darf. Über Steine, die vom Anfang unserer Zeit zeugen. Über Agaven, die an einem Tag 25 Zentimeter in die Höhe wachsen und nur einmal in ihrem Leben blühen. Über Farben, wie sie nur der Chemiebaukasten unserer Erde mixen kann.
Seit vielen Jahren bereisen wir diese Schutzgebiete, von den Grassümpfen der Everglades im Süden bis zu den Gletschern im Norden des amerikanischen Kontinents. Es gibt 59 Nationalparks in den 50 Bundesstaaten. Fast alle haben wir gesehen. Die versteinerten Wälder in Arizona, die Mammutbäume Kaliforniens, die Felsmonolithen im Yosemite-Tal, die wandernden Dünen in Colorado, die letzten Regenwälder am Pazifik oder die rote Steilküste von Arcadia am Atlantik. Und natürlich die zwei berühmtesten Parks: Grand Canyon und Yellowstone. Es sind epische Landschaften, jede einzigartig, alle atemberaubend.
Nationalparks als Volkseigentum
Ausgerechnet die USA, das Land das den Kapitalismus und die Ausbeutung der Natur auf die Spitze treibt, stellt ganze Landstriche unter radikalen Schutz. Insgesamt eine Fläche so groß wie ganz Deutschland.
Wie schaffen die Amerikaner das bloß? Wie gelingt es, in einer von Gier getriebenen Nation, die Parks zu erhalten? In einem Land, in dem Berge enthauptet werden, um an die darunter liegenden Kohle zu kommen. In dem mit Donald Trump ein Präsident gewählt wurde, der ohne Rücksicht auf die Umwelt Gas und Öl aus den letzten Poren der Erde herauspressen lässt. Warum stehen nicht längst Luxus-Resorts am Rande des Grand Canyon oder an den heißen Quellen im Yellowstone?
Die Antwort ist überraschend simpel: Das Volk will es nicht. Selbst in den USA ist nicht alles käuflich. Die Amerikaner haben mit Sozialismus nun wirklich nichts am Hut. Aber ihre Nationalparks sind echtes Volkseigentum. Dort kann sich niemand mit Geld oder Einfluss einen Logenplatz erkaufen. Das strikte Bauverbot gilt für alle. Keine Villen, keine Ferienhäuser, kein Privatbesitz.
Unzählige Male hörten wir auf unseren Reisen Sätze wie diese: "Das sind unsere Parks". "Das Land gehört uns, dem Volk, den Bürgern." Auch die freie Marktwirtschaft ist im Park eingeschränkt. Wer im Nationalpark etwas verkaufen will, muss Qualität und Preis von der Parkleitung genehmigen lassen.
Der erste Nationalpark entsteht
Im Hotel El Tovar am Grand Canyon zum Beispiel kosten ein Hamburger 15 Dollar. Aber das Essen wird von Kellern im Frack serviert. Gegessen wird mit Silberbesteck an weiß gedeckten Tischen. Auf freie Tische, muss man bisweilen warten. Selbst Beatles-Star Sir Paul McCartney sah man schon in der Schlange stehen. Und als er abends in der Hotelhalle noch ein wenig länger als erlaubt Klavier spielen wollte, musste er erst alle Gäste um Erlaubnis fragen. Demokratie pur.
Mehr Besucher denn je strömen in die Nationalparks. 325 Millionen kamen im vergangenen Jahr. Ein neuer Rekord. Noch einen Satz hörten wir oft auf unseren Reisen: "Die Nationalparks sind Amerikas beste Idee." Es dauerte freilich ein Weilchen, bis sich diese Sichtweise durchsetzen konnte.
Um den ersten Nationalpark Amerikas, den Yellowstone, wurde noch vor gut 130 Jahren mit Waffen gekämpft. Jäger und Forscher hatten um 1860 von unglaublichen Naturwundern in einer schwer zugänglichen Region im Norden des Landes berichtet.
Der Abenteurer Jim Bridger zum Beispiel erzählte, wie er in einem See Forellen fing und die Fische dann gleich im kochend heißen Wasser einer nahen Quelle zubereitet habe. Keiner glaubte ihm. Zeitungen weigerten sich, solche Berichte zu veröffentlichen, mit der Begründung: "Wir drucken keine ausgedachten Geschichten."
Dann tauchten die ersten Landschaftsgemälde und Fotos aus dem Yellowstone-Tal auf. Sie zeigten ein unberührtes Wunderland, Geysire, aus denen meterhohe Heißwasserfontänen schossen und riesige Büffelherden.
Eine Stampede der Gier brach los
Rancher trieben ihre Rinder ins Land. Jäger meuchelten die Büffel. Die Köpfe der Tiere waren begehrte Trophäen, die damals tausend Dollar brachten. Eisenbahnbarone witterten das neue Geschäft mit Touristen. Hotels wurden gebaut. Wäsche waschen im Geysir wurde zur Attraktion. Frauen warfen schmutzige Bettlaken in die heißen Quellen. Brachen die Geysire aus, flogen sie im hohen Bogen und sauber wie nie zuvor wieder heraus. Die Natur wurde überrannt. Die Büffel standen vor der Ausrottung. Die ersten Naturschützer schlugen Alarm.
Der Kongress in Washington schickte schließlich die Kavallerie. General Philip Sheridan, der kein Freund von Unternehmern war, versprach: "Ich kann genügend Soldaten mobilisieren um Park und Wild zu schützen." Er hielt Wort. Am Nordeingang zum Park ließ er 1886 ein Fort bauen. Es steht noch heute.
Ranger kümmern sich um Mensch und Natur

Yellowstone: 300 Geysire und 10.000 heiße Quellen
Olympic Peninsula: Der letzte Regenwald Nordamerikas
