Der heute von Transparency International (TI) veröffentlichte Korruptionswahrnehmungsindex 2006 (CPI) ist für Deutschland erfreulich: Im internationalen Vergleich wird Deutschland als weniger korrupt wahrgenommen als in den Studien zuvor und liegt auf dem 16. Platz - nach Hongkong und vor Japan.
Den ersten Rang teilen sich Finnland, Island und Neuseeland - alles Staaten mit besonders harten Anti-Korruptions-Gesetzen. Am schlechtesten schneidet Haiti ab, das auf dem 163. und letzten Platz landet. Der CPI 2006 ist ein zusammengesetzter Index. Er basiert auf einer Vielzahl von Umfragen bei Experten, in denen die Wahrnehmungen von Korruption im öffentlichen Sektor in 163 Ländern untersucht werden. Der Grad der Korruption wird in einer Skala von Null bis Zehn abgebildet. Je weniger Punkte, desto höher die Bestechlichkeit.
Der CPI zeigt vor allem den Zusammenhang zwischen Korruption und Armut auf. Viele der sehr armen Länder finden sich am unteren Ende des Index wieder. Fast drei Viertel aller im Index aufgenommenen Länder erreichen weniger als fünf Punkte.
71 Staaten - fast die Hälfte aller erfassten Länder - weisen einen Punktwert von unter drei auf, was darauf schließen lässt, dass es dort eine grassierende Korruption gibt. Mit nur 1,8 Punkten erreicht Haiti den geringsten Punktwert. Guinea, Irak und Myanmar teilen sich mit jeweils 1,9 Punkten den vorletzten Platz.
Dass die meisten industrialisierten Staaten einen vergleichsweise hohen Punktewert haben, heißt allerdings nicht, dass es hier keine Korruption gibt, so Transparency. Dies zeigten bereits die großen Skandale wie bei Enron, Faurecia, Hyundai, Philips, Rewe oder VW. Nach Meinung von Transparency seien lediglich die Folgen für die reiche Gesellschaft nicht so verheerend wie für die arme.
Zusammenhang von Armut und Korruption
"Korruption hält Millionen von Menschen in der Armutsfalle gefangen", sagt Huguette Labelle, die Vorsitzende von Transparency International. "Die heute veröffentlichten Ergebnisse zeigen: In den vergangenen zehn Jahren gab es erhebliche Fortschritte, Anti-Korruptionsgesetze und -regulierungen einzuführen und zu verbessern. Doch es bleibt noch viel zu tun, bevor wir entscheidende Verbesserungen im Leben der Ärmsten dieser Welt verzeichnen können."
Handlanger der Korruption
Zu den Ländern, in denen deutliche Verschlechterungen des wahrgenommenen Korruptionsniveaus zu verzeichnen sind, gehören: Brasilien, Israel, Jordanien, Kuba, Laos, die Seychellen, Trinidad und Tobago, Tunesien und die USA. Staaten, die eine deutliche Verbesserung der wahrgenommenen Korruption erkennen lassen, sind: Algerien, Indien, Japan, Lettland, Libanon, Mauritius, Paraguay, Slowenien, die Türkei, Turkmenistan, die Tschechische Republik und Uruguay.
Genauer hinschauen
"Unternehmen und Berufsverbände für Juristen, Wirtschaftsprüfer und Banker tragen eine besondere Verantwortung, sich stärker gegen Korruption zu engagieren", sagt David Nussbaum, Geschäftsführer von Transparency International. "Denn gerade diese Berufsgruppen können als Staatsanwälte, kriminalistisch geschulte Buchprüfer und Spezialisten für Korruptionsbekämpfung in den Firmen selbst zu Mitstreitern in einem erfolgreichen Kampf gegen Korruption werden."
Was ist der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI)?
Der Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von Transparency International listet Länder nach dem Grad der bei Amtsträgern und Politikern wahrgenommenen Korruption auf. Es ist ein zusammengesetzter Index, sozusagen eine Untersuchung von Untersuchungen, die sich auf verschiedene Umfragen und Analysen stützt, welche von einer Reihe unabhängiger und namhafter Institutionen durchgeführt wurden. Der CPI gibt auf der ganzen Welt gesammelte Meinungen wider, einschließlich der Meinungen von Experten, die in den untersuchten Ländern leben. Transparency International hat den Passauer Universitätsprofessor Johann Graf Lambsdorff mit der Erstellung des CPI beauftragt.
Der CPI 2006 umfasst 12 verschiedene Umfragen von neun unabhängigen Institutionen. Der CPI berücksichtigt nicht länger Daten aus einem Dreijahresrhythmus, sondern verwendet lediglich Daten aus den letzten beiden Jahren. Somit werden im CPI 2006 nur Daten aus den Jahren 2005 und 2006 verwendet. Der Grund für diesen methodologischen Wechsel ist eine stärkere Konzentration auf aktuelle Daten.
Die vom CPI wiedergegebene Einschätzung ergibt sich aus dem Verständnis von korruptiven Praktiken von Menschen sowohl aus Industrienationen als auch aus Entwicklungsländern. Die Befragungen werden unter Geschäftsleuten und Länderanalysten durchgeführt. Die für den CPI herangezogenen Umfragen verwenden zwei Arten von Samples. Es wurden sowohl in den Ländern ansässige wie auch nicht in den Ländern ansässige Experten befragt. Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass die Ansichten beider miteinander korrelieren.
Wie wird Korruption für den CPI definiert?
Der CPI konzentriert sich auf Korruption im öffentlichen Sektor und definiert Korruption als den Missbrauch von öffentlicher Macht zum persönlichen Nutzen. In den Umfragen, die für die Erstellung des CPI genutzt werden, geht es meist um Fragen im Zusammenhang mit dem Missbrauch öffentlicher Macht zum privaten Nutzen (zum Beispiel Bestechung von Amtsträgern, Zahlung von Kickbacks bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Unterschlagung öffentlicher Gelder) oder um Fragen, die auf die Wirksamkeit von Anti-Korruptions-Maßnahmen abzielen. Die Quellen unterscheiden dabei nicht zwischen administrativer und politischer Korruption.
Wie viele Länder sind im CPI 2006 enthalten?
Der CPI 2006 umfasst 163 Länder. 2005 wurden im CPI 159 Länder untersucht.
Transparency International verlangt, dass ein Land in mindestens drei Quelluntersuchungen berücksichtigt wird, damit es in den CPI aufgenommen werden kann. Die Veränderung der Anzahl der erfassten Länder geht darauf zurück, dass eine neue Quelle hinzugekommen ist (World Bank's Country Policy and Institutional Assessment, CPIA), während zwei andere Quellen (Columbia University's State Capacity Survey und Information International's Survey of Middle Eastern Businesspeople), bei der Erstellung des diesjährigen CPI nicht mehr berücksichtigt werden konnten.
Die Nichtbeachtung dieser älteren Umfragen führt dazu, dass folgende Länder nicht mehr im CPI erfasst sind: Afghanistan, die Fidschiinseln, Liberia, Palästina und Somalia. Die Einbeziehung des CPIA und die gesteigerte Zahl der im PERC untersuchten Länder erlauben es gleichzeitig, folgende Länder neu in den CPI aufzunehmen: Bhutan, Dominica, Grenada, Guinea, Macao, Mauretanien, Ost-Timor, Togo und die Zentralafrikanische Republik.
Welche Länder könnten zukünftig in den CPI aufgenommen werden?
Länder oder Territorien, für die zwei Datenquellen zur Verfügung stehen, sind: Afghanistan, Antigua und Barbuda, die Bahamas, die Bermudainseln, die Cayman Inseln, Djibuti, die Fidschiinseln, Guinea-Bissau, die Kapverdischen Inseln, die Komoren, Liberia, die Malediven, Palästina, Puerto Rico, Samoa, Sao Tome & Principe, Somalia, St. Lucia und St. Vincent & die Grenadien. Für all diese Länder bzw. Territorien fehlt noch mindestens eine Datenquelle, um zukünftig in den CPI aufgenommen zu werden.
Länder oder Territorien, für die nur eine Datenquelle zur Verfügung steht, sind: Andorra, Anguilla, Aruba, Brunei, Französisch-Guayana, Guadeloupe, Kiribati, Liechtenstein, Martinique, die Niederländischen Antillen, Nordkorea, die Salomoneninseln, St. Kitts & Nevis, Tonga, Vanuatu und die Virgin Islands (USA). Für all diese Länder bzw. Territorien sind mindestens zwei weitere Datenquellen nötig, bevor sie in den CPI aufgenommen werden können.
Was ist wichtiger: der Rang eines Landes oder sein Punktwert?
Die Rangliste ermöglicht es Transparency International, einen Index zu bilden. Der Punktwert eines Landes ist jedoch ein weit wichtigeres Instrument, um das wahrgenommene Korruptionsniveau eines Landes darzustellen. Der Rang eines Landes kann sich schlicht und ergreifend deshalb ändern, weil neue Länder in den Index aufgenommen oder andere herausgenommen wurden.
Hat das korrupteste Land den niedrigsten Punktewert?
Nein. Das Land mit dem niedrigsten Punktwert wird nur innerhalb der für den Index untersuchten Länder als am korruptesten wahrgenommen. Auf der Welt gibt es über 200 souveräne Staaten, von denen der CPI 2006 nur 163 umfasst. Der CPI liefert keine Informationen über Länder, die nicht in ihm erfasst werden.
Beispiel: Was sagt der CPI 2006 über Haiti aus?
Laut CPI 2006 wird das Korruptionsausmaß in Haiti am höchsten wahrgenommen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Haiti das korrupteste Land ist oder dass die Haitianer die korruptesten Menschen der Welt sind. Korruption ist unbestritten eine der größten Herausforderungen für die Good Goverance-Strukturen, die Entwicklung des Landes und die Armutsreduzierung in Haiti. Doch die Mehrheit der Menschen ist in erster Linie Opfer von Korruption. Korruption, begangen von einer Minderheit einflussreicher Persönlichkeiten und begünstigt durch die Fehler von politischen Führern und Institutionen bei der Kontrolle und Bekämpfung von Korruption, bedeutet nicht, dass ein Land oder seine Bevölkerung am korruptesten sind.
Das Korruptions-Ranking
Welche Länder haben sich 2006 besonders deutlich verschlechtert?
Aus den oben genannten Gründen ist es problematisch, Vergleiche von einem zum anderen Jahr zu ziehen. Allerdings kann man, soweit Veränderungen bei den Ergebnissen auf einzelne Quellen zurückverfolgbar sind, vorsichtig gewisse Tendenzen ausmachen. Nennenswerte Beispiele für eine negative Entwicklung sind Brasilien, Israel, Jordanien, Kuba, Laos, die Seychellen, Trinidad & Tobago, Tunesien und die USA. In diesen Ländern lassen sich über die letzten beiden Jahre hinweg tatsächlich Verschlechterungen in der Wahrnehmung von Korruption erkennen.
Welchen Länder haben sich besonders verbessert?
Mit den gleichen Einschränkungen können auf der Grundlage von Daten aus Quellen, die regelmäßig für die Ausarbeitung des Index verwendet wurden, Verbesserungen im Vergleich zu 2005 für Algerien, Indien, Japan, Lettland, Libanon, Mauritius, Paraguay, Slowenien, die Tschechische Republik, die Türkei und Uruguay festgestellt werden.
Über Transparency International
Transparency International, 1993 gegründet, ist die weltweit führende Nichtregierungsorganisation, die sich der Bekämpfung der Korruption widmet. TI umfasst gegenwärtig 90 nationale Sektionen in der ganzen Welt. Das Internationale Sekretariat von TI befindet sich in Berlin. Weitere Informationen zur Arbeit von Transparency International und zu den nationalen Sektionen finden Sie unter: www.transparency.org.
Transparency Deutschland fordert die überfällige Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption und die Reform des Paragrafen zur Abgeordnetenbestechung