Chaos bei der Entwicklung Vollbremsung in Cupertino: Steht das Apple Car vor dem Aus?

Hunderte Leute entlassen oder abgezogen, der Chef ausgetauscht: Apples Auto-Projekt steht vor dem Aus. Zumindest in seiner jetzigen Form. Denn Apple will offenbar immer noch auf die Straßen, nur anders als viele zunächst dachten.

Nach iPhone, iPad und Apple Watch wollte Apple als nächstes das ganz große Rad drehen: Seit Jahren brodeln die Gerüchte um ein selbstfahrendes Auto aus Cupertino, dass es mit Tesla, Google und den deutschen Traditionsherstellern aufnehmen soll. Dass die Ambitionen nicht gerade klein waren, zeigt allein schon der Projektname: "Titan". Man wollte die Auto-Industrie ähnlich umkrempeln, wie es dem Konzern mit dem iPhone und den Mobiltelefonen gelungen war.

Die Erwartungen an das Apple-Auto sind dementsprechend groß: In Zeiten sinkender iPhone-Verkäufe sucht der Konzern nach einem weiteren Standbein, um die Erlöse aufrechtzuerhalten. Für die Entwicklung des Autos stellte Apple nicht nur Hunderte Ingenieure an, sondern auch Experten für Akku-Technik und autonomes Fahren und warb führende Mitarbeiter der Automobilbranche von der Konkurrenz ab.

Spurwechsel beim Apple Car

Doch einem Bericht des für gewöhnlich sehr gut informierten "Bloomberg"-Redakteurs Mark Gurman zufolge steht das Apple Car womöglich vor dem Aus - zumindest in der geplanten Form. Waren es vor wenigen Wochen noch Dutzende, wurden mittlerweile Hunderte Mitarbeiter entlassen oder von dem Projekt abgezogen.

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Dass die Entwicklung des Apple-Auto nicht auf Kurs war, zeichnete sich schon länger ab: Erst wurde der angepeilte Marktstart intern von 2020 auf 2021 verschoben, Anfang des Jahres verließ "Titan"-Chef Steve Zadesky überraschend das Unternehmen. Sein Nachfolger wurde Bob Mansfield, der schon zahlreiche Großprojekte wie die Entwicklung des Macbook Air, der Apple-Prozessoren oder diverser iMacs betreute.

Mansfield schlägt offenbar eine komplett andere Richtung ein als sein Vorgänger: Er will kein komplettes Auto bauen, sondern sich auf die Entwicklung des Systems für autonome Fahrzeuge und die Software konzentrieren. "Das gibt Apple die Flexibilität, mit bereits existierenden Autobauern zusammenzuarbeiten, oder später immer noch ein eigenes Fahrzeug zu bauen", werden anonyme Quellen in dem Bericht zitiert. "Bloomberg" zufolge hat Apple dem Entwicklungs-Team eine Deadline bis Ende 2017 gesetzt. Erst dann werde über die finale Richtung entschieden.

Autos liefern zu niedrige Gewinnmargen

Auch wenn ein Apple-Auto für Fans der Kultmarke eine interessante Vorstellung gewesen wäre, für den Konzern ist der Schritt nur konsequent. Denn Apple ist hohe Gewinnmargen bei seinen Produkten gewohnt, beim iPhone liegt die Gewinnspanne jenseits von 40 Prozent. Zubehör wie Beats-Kopfhörer oder Apple-Watch-Armbänder sind wahre Gelddruckmaschinen.

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Auto-Hersteller begnügen sich dagegen durchschnittlich mit fünf bis zehn Prozent Gewinnmarge. Sicher, Apple könnte mit einem saftigen Preisschild diesen Anteil nach oben treiben. Dafür dürfte sich das Auto aber keine Patzer erlauben und müsste ein deutlich besseres Fahrerlebnis liefern als die Konkurrenz. Angesichts des verschobenen Marktstarts ist das eine große Herausforderung.

Konzentration auf Dienste ist lukrativer

Hinzu kommt: Die Fertigung eines Autos und die Kontrolle der im Vergleich zur Smartphone-Herstellung beinahe undurchschaubaren Lieferketten sind enorm komplex. Gerade für einen Konzern wie Apple, der sich Geheimhaltung auf die Fahnen geschrieben hat (diese aber nur selten wahren kann), ein unkalkulierbares Risiko.

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Warum heißt Apple eigentlich Apple?

Mit der Konzentration auf die Software und Fahrsysteme könnte Apple dagegen schnell in Millionen Fahrzeugen präsent sein. Und dort kräftig mitverdienen: Wer 40.000 Euro für ein neues Auto ausgibt, dürfte nicht zögern, 30 bis 40 Euro für eine App oder einen Service auszugeben, wenn diese nur genug Mehrwert bietet - etwa eine nonstop mit dem Internet verbundene Version des Musikstreamingdiensts Apple Music, die sich nur via Sprache steuern lässt.

Die Software könnte Apple ständig nachbessern und mit seinen Geräten verschränken. Den schwierigsten Teil dagegen, die Entwicklung des Fahrzeugs, könnte Apple anderen, erfahrenen Partnern überlassen. Das senkt das Prestige, aber auch das Risiko. Sollte das Apple-Auto etwa im Elchtest versagen wie Mercedes' A-Klasse im Oktober 1997, der Image-Schaden würde sich auch auf die anderen Produkte aus Cupertino übertragen.