Nürburgring, 1. August 1976. Der rote Ferrari von Niki Lauda rast beim Großen Preis von Deutschland in eine Felswand. Der Helm des österreichischen Formel-1-Piloten wird beim Aufprall vom Kopf gerissen. Die fast 200 Liter Benzin im Fahrzeugtank laufen aus und entzünden sich. Einige nachfolgende Wagen stoßen gegen Laudas Fahrzeug, andere können noch stoppen. Mit schweren Brandwunden im Gesicht wird Lauda aus seinem brennenden Boliden geborgen. Als er später im Krankenhaus aufwacht, spricht ein Priester an seinem Bett die Sterbesakramente. Doch Laudas Zeit ist noch nicht gekommen.
Nur vier Wochen nach seinem Horror-Crash steigt der Österreicher wieder in einen Rennwagen. Mit einem Spezialhelm, der an der Innenseite ausgehöhlt ist, um die Knorpel seiner Ohren zu schonen, fährt Lauda im italienischen Imola auf Platz vier. "Das ist das Mutigste, was ich je gesehen", zollt Formel-1-Legende Jackie Stewart seinem Rennkollegen damals höchsten Respekt. Lauda kam mit dem Leben davon. Andere fanden im Rausch der Geschwindigkeit den Tod. Wie zum Beispiel Ayrton Senna.
Horror-Rennen in Imola
Wieder Imola. Dort, wo Lauda ein umjubeltes Comeback gefeiert hatte, kommt für den Brasilianer am 1. Mai 1994 jede Hilfe zu spät. Bereits im Training am Vortag hatten sich zwei schwere Unfälle ereignet: Der Österreicher Roland Ratzenberger verunglückte tödlich, Genickbruch. Rubens Barrichello brach sich Arm und Nase. Schließlich Senna. In der 7. Runde schießt sein Williams in eine Mauer. Wenig später erliegt der damals 34-Jährige im Krankenhaus seinen schweren Kopfverletzungen. Nicht nur die Unfälle selbst ließen Lauda und Senna zu Legenden ihres Sports werden. Auch um die Ursachen ranken sich bis heute Spekulationen.
Infos zum Buch
Bernard und Paul-Henri Cahier (Fotos), Xavier Chimits (Text): "Legenden der Formel 1", 224 Seiten, 116 z. T. doppelseitige Schwarz-Weiß-Fotos, Format 27 x 29 cm, gebunden mit Schutzumschlag, Verlag: Delius Klasing Verlag, Preis: 39,90 Euro
Von diesen und anderen Mythen der 58-jährigen Geschichte der Rennfahrer-Königsklasse erzählt der Bildband "Legenden der Formel 1". Die Fotografen Bernard Cahier und sein Sohn Paul-Henri waren seit den Anfängen immer ganz dicht dran an den Fahrern. Durch die Linse ihrer Leica haben sie sowohl rasante Manöver auf als auch intime Momente abseits der Rennstrecke eingefangen. Graham Hill, wie er gedankenverloren seinen Schnauzbart zwirbelt. Ein lachender Jackie Stewart, der sein langes Haar unter der für ihn typischen Cordmütze versteckt. Oder Michael Schumacher, der mit versteinerter Mine ins Leere starrt. Die Schwarz-Weiß-Porträts der 70 ausgewählten Fahrer geben Einblicke, was für ein Mensch sich unter Helm und Schutzanzug verbirgt.
Lampenfieber vor dem Startschuss
Vertieft werden diese durch die knappen Texte von Xavier Chimits, dem langjährigen Chefredakteur des französischen "L´ Automobile Magazine". Statt sich auf die Aufzählung der Anzahl von Grand-Prix-Siegen, Pole-Positions oder Bestzeiten zu beschränken, liefert Chimits zahlreiche Details und Anekdoten. So erfährt der Leser, dass James Hunt, Weltmeister von 1976, derart nervös war, dass er sich vor jedem Rennen vor Lampenfieber übergeben musste. Denny Hulme wiederum setzte sich bei seinem ersten Rennen in Europa 1965 in Socken ans Steuer. Die Begründung des Neuseeländers, der sich zwei Jahre später den Titel holte: "Zu Hause bin ich immer barfuss gefahren, egal, ob die Lastwagen meines Vaters oder im Rennen."
Für einige der bemerkenswertesten, und bis heute nicht mehr erreichten, Leistungen haben Juan Manuel Fangio und Jack Brabham gesorgt. Dem Argentinier Fangio reichten in den 1950er Jahren ganze 24 Siege für seine insgesamt fünf Weltmeistertitel. Eine nie wieder übertroffene Gewinnquote. Gleichzeitig lieferte Fangio 1957 auf dem Nürburgring eine der sensationellsten Aufholjagden überhaupt in der Rennsportgeschichte. Nach einem verpatzten Boxenstopp wird aus einem 28-Sekunden-Vorsprung ein 48-Sekunden-Rückstand auf die Ferrari-Piloten Peter Collins und Mike Hawthron. Doch Fangio gibt sich nicht geschlagen. Runde um Runde kämpft er sich an die "Roten" heran. Am Ende liegt er drei Sekunden vorn, Collins und Hawthron sind geschlagen.
"Er ist akrobatisch, hartnäckig, knallhart und analytisch in einem"
Jack Brabham ist der einzige Fahrer, der in seinem eigenen Auto zum Weltmeistertitel fuhr. Auch als Formel-1-Pilot war der Australier im Herzen immer Mechaniker geblieben. Brabham liebte es, selbst den Kopf unter die Motorhaube zu stecken, seine Hände in Schmieröl zu tauchen und Schrauben festzuziehen. Für seine Leidenschaft musste Brabham jedoch letztlich einen hohen Preis bezahlen. Um jedes Räuspern des Motors zu hören, verzichtete er bei seinem Rennen auf Ohrenstöpsel. Heute ist der 81-Jährige fast taub.
72 Fahrer, nicht jeder ein Weltmeister, aber jeder für sich ein Original. Geordnet sind die Protagonisten des Bildbands nach Charakterzügen: Den "Stylisten", "Romantikern" und "Akrobaten" stellen die Autoren die "Hartnäckigen", "Analytiker" und die "Harten" gegenüber. Dass die Einordnung der Formel-1-Helden in die unterschiedlichen Kategorien nicht immer ganz leicht gefallen ist, zeigt das Beispiel von Michael Schumacher. Zwar sei schnell klar gewesen, dass der siebenfache Weltmeister keinen Stylisten oder Romantiker verkörpere. Doch dann sei es auch schon schwierig geworden. "Er ist akrobatisch, hartnäckig, knallhart und analytisch in einem. Dennoch scheint das Analytische bei ihm der vorherrschende Charakterzug zu sein", schreibt Chimits im Vorwort. Die vielschichtige Persönlichkeit des Rekordchampions wird damit zum Sinnbild für die facettenreiche Geschichte, die Bernard und Paul-Henri Cahier mit ihren Porträts sowie Xavier Chimit mit seinen Worten von der Königsklasse des Rennsports zeichnen.