Panzerbrechende Munition Uranmunition – so funktioniert die Nadel des Todes

Uranmunition Panzer
Ein US-Panzer feuert seine Hauptwaffe ab
Die USA schicken Panzergranaten in die Ukraine. Ihr Penetrator besteht aus abgereichertem Uran. Wenn sie eine Panzerung durchschlagen, wird ein guter Teil des Urans in kleinste Partikel verwandelt und bleibt in der Umwelt zurück.

Die USA werden Kiew sogenannte Uranmunition liefern. Das war zu erwarten, denn die Standardmunition des US-Kampfpanzers Abrams nutzt ebenfalls einen Kern aus abgereichertem Uran. Der Einsatz derartiger Munition ist umstritten, weil Partikel des Materials Erbschäden und Krankheiten auslösen können. Dazu später.

Wie funktioniert eine Granate wie die Uranmunition M829 eigentlich? Der Laie stellt sich Munition so vor, wie man das aus einem Western kennt. Unten herum befindet sich eine Messinghülle, in ihr ist das Pulver, obendrauf sitzt die Kugel – das Geschoss und ganz unten ist ein Zündhütchen. Es bringt das Pulver zur Explosion, die Kugel wird aus der Hülse heraus und durch den Lauf gedrückt. Panzerbrechende Munition funktioniert immer noch nach dem gleichen Prinzip, das aber in XXL - die M829 wiegt über 20 Kilogramm und ist fast einen Meter lang. Panzergranaten wie die M829 entsprechen dem Nato-Standard. Werden sie geliefert, können sie auch von Leopard-2-Panzern eingesetzt werden.

Komplexer Aufbau der Munition 

Heute befindet sich kein einfaches Schießpulver, sondern eine moderne Treibladung in der Hülse, auch wird sie nicht von einem Hütchen gezündet, sondern besitzt einen spezifischen Zünder im Inneren, der eine kontrollierte Explosion hervorruft. Der größte Unterschied ist die "Kugel", bei panzerbrechender Munition besteht sie aus einer langen Nadel, dem Geschoss. Es ist sehr viel dünner als der Durchmesser des Kanonenrohres. Um die Nadel – den sogenannten Penetrator – ist ein Treibspiegel angebracht, dieses Teil bringt die Nadel auf den Durchmesser des Rohres und wird nach dem Verlassen des Kanonenrohres abgeworfen.

 Diese Art von Munition nennt sich "Wuchtgeschoss" – sie bricht eine Panzerung nicht durch einen Schneidstrahl oder eine Art von Explosion auf, sondern allein durch die Wucht des Aufpralls. Darum wird der Durchmesser des Penetrators verkleinert, zugleich soll er eine hohe Masse haben. Beim Aufprall wird die gesamte kinetische Energie des Geschosses in Verformung und Wärme umgesetzt. Daher muss der Penetrator nicht nur Masse haben, er muss auch fest und widerstandsfähig sein. Ein Stab aus Blei besitzt zwar Masse, das weiche Metall würde an einer Panzerung aber einfach in eine heiße Gaswolke übergehen, ohne großen Schaden zu hinterlassen.

Im Flug setzt das Geschoss den Penetrator frei . Das Ganze nennt sich APFSDS - Armour Piercing Fin Stabilized Discarding Sabot Projektil.
Im Flug setzt das Geschoss den Penetrator frei . Das Ganze nennt sich APFSDS - Armour Piercing Fin Stabilized Discarding Sabot Projektil.
© US Army / Commons

Uran ist billiger

Die Anforderungen für einen Penetrator erfüllen nur Materialien wie Wolfram oder eben abgereichertes Uran. Zuerst, im Zweiten Weltkrieg, wurde Wolfram verwendet. Die Bundeswehr nutzt es heute noch. Die Wirkung von Uran soll etwas besser sein, der Hauptgrund für die Verwendung ist jedoch, dass es weit billiger als Wolfram ist. Letztlich ist das "abgereicherte" Uran ein Abfallprodukt der "Anreicherung" von Uran. Wegen der geringen Radioaktivität gelten diese Granaten auch nicht als Atomwaffe.

Der Vorzug eines Wuchtgeschosses ist seine brachiale Gewalt, aber es gibt auch Nachteile. Das augenfälligste Problem ist die Flugbahn. So eine Granate fliegt immer entlang einer Linie – genau genommen einer flachen Parabel. Ein Ziel kann nur bei direktem Sichtkontakt getroffen werden. Hinter einem Hügel oder Wall ist es geschützt. Für einen Kampfpanzer ist das ein schwerer Nachteil, weil er umgekehrt von Waffen bekämpft werden kann, die diese direkte Linie nicht benötigen. Artillerie, Drohnen und Panzerabwehrwaffen, die von oben angreifen. Auch die Panzerung selbst hat sich verändert, anstatt einfacher, aber dicker Stahlplatten werden heute Kompositmaterialien verwendet, die aus mehreren Schichten bestehen. Sie werden eigens so abgestimmt, um diese Hartmetallpenetratoren abzuwehren.

Uran bleibt in Partikelform zurück

Warum ist die Uranmunition so umstritten? Das abgereicherte Uran ist nicht gefährlich, solange die Granate nicht abgefeuert wird. Die Strahlenbelastung ist minimal. Das Material ist auch umhüllt. Das Problem entsteht erst, wenn der Penetrator auf eine Panzerung trifft – seine Wucht soll den Uranstab durch die Panzerung schweißen. Durchschlägt das Geschoss sie, gelangt ein Strahl glühenden Materials in den Panzer. Der Innenraum gerät in Brand, mehr oder minder schnell wird der Panzer dann explodieren. In dem glühenden Strahl befinden sich nun Partikel aus der Panzerung und dem Penetrator – so wird das Uran freigesetzt und kommt in die Natur. Zwischen zehn und 30 Prozent, manchmal sogar bis zu 70 Prozent des Urans werden beim Einschlag pulverisiert. Sobald die Munition im Panzer Feuer fängt, verbrennen die Uransplitter zu feinen Uranoxidpartikeln.

Schwerer Nachweis  

Im Irakkrieg wurden dem Einsatz dieser Munition Erbschäden bei den Bewohnern nachgesagt, auch das sogenannte Golfkriegssyndrom bei Veteranen wurde darauf zurückgeführt. Ein klarer medizinischer Nachweis gelang jedoch nicht. Das ist aber nur ein "Freispruch zweiter Klasse". Das Problem müsste intensiver untersucht werden. Schäden und Krankheit sind vorhanden, es gelang nur bislang nicht einen Verursacher exakt auszumachen. In Falludscha im Irak wurde etwa ein deutlicher Anstieg von Krebs und Missbildungen nachgewiesen, aber kein konkreter Verursacher benannt. Dass ein Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen besteht, ist kaum zu bezweifeln. Der Körper scheidet den größten Teil des Urans wieder aus. Das ist bei einer einmaligen Kontamination beruhigend. Doch es gibt keine Langzeituntersuchungen, was geschieht, wenn Menschen über Jahre hinweg in einer belasteten Umgebung leben und immer wieder neues Material aufnehmen.

Sieht man sich die Kämpfe in Falludscha oder auch in Bachmut - ohne Uranmunition - an, wird deutlich, warum man nur schwer eine Kausalität von "Ein Verursacher erzeugt eine Wirkung" nachweisen kann. Wenn ganze Städte eingeebnet werden, wird nicht ein einzelner isolierter Giftstoff freigesetzt. Feuer, Explosionen und Brände erzeugen bei Kämpfen in urbanen Gebieten einen komplexen Giftstoffcocktail, dem Soldaten und Zivilisten ausgesetzt sind. Die Zivilisten, die in der Gegend bleiben, nehmen dann jahrelang die verschiedensten Schadstoffe auf.

Kommen auch kleinere Kaliber? 

In der Ukraine ist der Kampf Panzer gegen Panzer zumindest bislang die Ausnahme, die meisten gepanzerten Fahrzeuge werden von Minen, Artillerie, Drohnen und Lenkraketen zerstört, sie arbeiten allesamt ohne Uranmunition. Im Irakkrieg wurde abgereichertes Uran jedoch nicht allein von Panzern benutzt, auch sehr viel kleinere Kaliber, etwa für das Schlachtflugzeug Fairchild-Republic A-10 (Warthog), wurden mit Uranmunition bestückt. Diese Waffen verschießen nicht einzelne gezielte Schüsse, sondern geben Garben ab und feuern so Hunderte von Geschossen ab. Entsprechend viel Uranstaub bleibt zurück.

Wegen der dichteren Luftabwehr ist der Einsatz von Bordkanonen gegen Bodenziele in der Ukraine derzeit kaum vorstellbar, doch sollten die USA später Uranmunition nicht nur für die schweren Kampfpanzer liefern, sondern auch für Schützenpanzer, dürften weit mehr Geschosse zum Einsatz kommen. Dazu gibt es ein weiteres, wenig beachtetes Problem: Die USA nutzen abgereichertes Uran auch als Lage in der Kompositpanzerung. Ein russischer Treffer wird dieses Material freisetzen. Russland verfügt auch über Uranmunition, behauptet aber, sie noch nicht eingesetzt zu haben. Auch wurde die Verwendung in der Ukraine nicht beobachtet.

Trotz der kontroversen Diskussionen gibt es, ähnlich wie bei der Streumunition, kaum eine Alternative zu den Lieferungen. Der Verbrauch des Krieges ist so groß, dass der Westen das Material schicken muss, welches vorhanden ist, und nicht jenes, welches vielleicht wünschenswerter wäre. Ohne die Vorräte der USA geht es nicht.

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