Durch die gewaltigen Pforten der Kathedrale Notre-Dame dringt laute Orgelmusik. Während in Paris im Jahr 1789 die Straßen brennen, wird hier ein Gottesdienst abgehalten. Hunderte von Menschen suchen Trost im Glauben und Rat bei predigenden Priestern. Doch unter die Masse hat sich auch Charles Gabriel Sivert, ein hochrangiger Templer, gemischt. Ein zwielichtiger Bursche, der mitverantwortlich für die Morde an vielen Unschuldigen ist. Er nutzt die Messe, um sich dort ungesehen mit einem seiner Klienten zu treffen.
Was er nicht weiß: Hoch oben im Dachstuhl der Kirche lauert der Tod auf ihn. Für Victor Dorian ist es der erste Einsatz nach einer fast einjährigen Ausbildung zum Assassinen. Seinen Lehrmeister Bellec lernte er in den Verliesen der Bastille kennen. Der erkannte das Potenzial des jungen Adeligen und rekrutierte ihn für den Assassinen-Orden. Nun ist Arno erstmals auf sich allein gestellt. Durch eine Dachluke brach er in die Kathedrale ein und wartet auf eine günstige Gelegenheit.
Wieselflink balanciert er über Kronleuchter, behält dabei immer sein Ziel im Auge. Dann ist der richtige Moment da: Wie ein Adler stürzt sich der Kapuzenträger auf Charles Gabriel Sivert und rammt ihm seine Dolche in die Kehle. Aber dieser Anschlag ist nur der Anfang eines großen Abenteuers.
Ein Spiel, das neue Standards setzen will
"Assassin's Creed: Unity" ist Ubisofts erster exklusiver Ausflug für Playstation 4, Xbox One und PC. Besitzer der alten Konsolengeneration in Form von Playstation 3 und Xbox 360 müssen sich in diesem Jahr mit der konservativen Fortsetzung "Assassin's Creed: Rogue" zufriedengeben. Die Gründe dafür erklärt Alex Amancio, Produzent hinter "Assassin's Creed: Unity", im Gespräch: „Wir arbeiten nun seit über vier Jahren an 'Unity'. Es gibt in jeder neuen Konsolengeneration Spiele, die neue Standards setzen. Wir wollen so einen Titel abliefern, bevor es jemand anders tut.“ Und zumindest mit der Spielwelt demonstriert Ubisoft eindrucksvoll, wie viel Liebe zum Detail im Action-Spektakel steckt.
Paris besteht aus sieben Bezirken und besitzt an der längsten Stelle einen Durchmesser von acht virtuellen Kilometern. Die rekonstruierte Metropole ist allein oberirdisch über 21 Quadratkilometer groß. Unzählige Kanäle, Tunnel, Katakomben und Häuser vergrößern die Fläche noch weiter. Kurios: Für die linke Seite der Stadt südlich der Seine zeichnet Ubisofts Studio in Toronto verantwortlich, die rechte bauten die Kollegen in Montreal auf. Viele Wahrzeichen und Gebäude wurden im Maßstab 1:1 umgesetzt. Eine gewaltiger Aufwand: Die Recherche und Modellierung von Notre-Dame fraß 15 Monate und mehr als 5.000 Arbeitsstunden auf; die nachgebildete Kirche besteht aus über drei Millionen Polygonen und 140 Mosaikfenstern.
Geschichte zum Mitspielen
Die Französische Revolution prägt das Bild von "Assassin's Creed: Unity". Menschenmassen bevölkern die Straßen, Rauch hängt in den engen Gassen, die Guillotine läuft auf Hochtouren. Alex Amancio: „Es war eine Zeit der neuen Ideen, aber auch der Angst und der Gewalt. Wir mussten dem Rechnung tragen. Unser Spiel ist daher härter als seine Vorgänger und thematisiert Gewalt mehr. Die Guillotine stand damals nicht still. An großen Plätzen fanden ständig Hinrichtungen statt. Würde man alle Exekutionen zeigen wollen, die wir ins Spiel eingebaut haben, würde das gut anderthalb Stunden dauern.“
Obwohl die geschichtlichen Hintergründe nur Mittel zum Zweck sind, um den fiktiven Konflikt zwischen Templern und Assassinen darzustellen, gab es im Vorfeld umfangreiche Nachforschungen. „Unser Team reiste zwei Mal nach Paris und wurde dort von einem Mitarbeiter des Louvre begleitet. Außerdem stand uns die gesamte Entwicklungszeit über ein Historiker zur Verfügung. Zudem gab es zwei Experten für die Französische Revolution, die uns in Montreal und in Paris unterstützten.“
Hobby-Historiker finden dann auch unzählige Anspielungen auf zeitgenössische Geschehnisse und Figuren in "Assassin's Creed: Unity". Arno besorgt unter anderem für Madame Tussaud abgeschlagene Schädel, damit sie daraus Totenmasken anfertigen kann. Er befreit einen jungen Napoleon Bonaparte aus der Gefangenschaft und macht Bekanntschaft mit dem lasterhaften Marquis de Sade.
Zwischen Genie und Wahnsinn
Trotz aller historischen Genauigkeit bleibt "Assassin's Creed: Unity" ein typischer Vertreter der beliebten Spielereihe. Arno Dorian springt, klettert, schleicht und hangelt behände wie ein Parkour-Läufer über die Dächer von Paris. Die komplexe Steuerung erfordert jedoch viel Einarbeitung und macht manchmal Probleme. Nicht selten bleibt der Kapuzenmann bei der Flucht an kleinen Objekten wie Stühlen oder Kisten hängen, auch beim Klettern verweigert der Protagonist gelegentlich den Dienst.
Diese Macken sind Ubisoft bekannt – bereits zum Start des Spiels wurde ein 900 Megabyte großer Day-One-Patch angekündigt, der die gröbsten Kontroll- und Kameraprobleme beseitigen soll. Denn in der Praxis schwankt "Assassin's Creed: Unity" zwischen Genie und Wahnsinn: Macht Arno was er soll, sind die Turnübungen herrlich flüssig und lassen wundervolle Angriffe aus luftiger Höhe zu. Läuft das allerdings alles schief, dann wird der Assassine schnell zum Dorftrottel, der den Spieler mit einem Neustart abstraft.
Immerhin funktioniert das Schleichen besser als in den Vorgängern. Erstmals gibt es ein Deckungssystem, sodass sich Arno aktiv hinter Mauern verstecken kann. Die Zeiten, in denen Assassinen in Büschen Zuflucht suchten, sind also vorbei. Die Kämpfe laufen nun ebenfalls handlicher und komplexer ab – mit Dauerfeuer kommt niemand mehr zum Erfolg. Stattdessen spielen Timing und der richtigen Einsatz der eigenen Waffen eine wichtige Rolle. Schließlich agiert Arno mit einem flinken Degen deutlich wendiger als mit einem schweren Streithammer oder einer
Lernfähiger Assassine
Im Gegensatz zu seinen Vorvätern – etwa Edward Kenway aus #http://www.stern.de/digital/spiele/assassins-creed-4-black-flag-im-test-ahoi-assassinen-2067518.html;"Assassin's Creed 4: Black Flag"# oder Ezio Auditore aus "Assassin's Creed 2" – ist Arno kein Profikiller. Zu Beginn des Spiels fehlen ihm wichtige Fertigkeiten, zum Beispiel Angriffe aus der Luft oder auf mehrere Gegner. Diese Aktionen muss man in den Hauptmissionen erst freischalten. Die logische Konsequenz: Kenner der Vorgänger fühlen sich anfangs in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, da früher erlernte Taktiken noch nicht möglich sind. Das gestaltet den Einstieg zäh.
Glücklicherweise nimmt das Spiel schnell Fahrt auf, was nicht zuletzt an den spürbar gestrafften Missionen liegt. Viele Altlasten der Vorgängertitel wurden abgelegt. Stattdessen konzentriert sich "Unity" auf knackige Attentate. Diese wollen nun gut geplant sein; Angriffe wie der auf Charles Sivert verfügen über keinen klaren Ablauf. Hier bestimmt man selbst den Weg zu seinem Ziel. Praktisch: Das Spiel markiert sogenannte Gelegenheiten und Ablenkungen. So blockiert Arno auf dem "Friedhof der Unschuldigen" die Luftzufuhr in die Katakomben – und räuchert die Wachleute einfach aus.
Neben Erfahrungspunkten erhält Arno für jede seiner Taten Kredo. Diese Währung benötigt er zum Verbessern seines Waffenarsenals. Fast wie in einem Rollenspiel à la The Elder Scrolls: Skyrim“ passt man so Eigenschaften wie Schleichen, Nahkampf oder Fernkampf an die eigenen Bedürfnisse an. Das Arsenal ist mit weit mehr als 100 Waffen und ebenso vielen Kleidungsstücken äußerst umfangreich. Allerdings will "Assassin's Creed: Unity" kein Beutespiel wie "Destiny" oder #Link;http://www.stern.de/digital/spiele/diablo-3-dreimal-hoelle-und-zurueck-1826965.html;"Diablo 3"# sein, ein Handelssystem gibt es nicht.
Für Jäger und Sammler
Aber auch Assassinen arbeiten nicht umsonst. Für fast jede Tat erhält Arno Livre, die er wiederum in Waffen oder gar in den Ausbau des Café Theatre – eine Art Stützpunkt des Widerstands – investiert. Je mehr Zweigstellen Arno kauft und renoviert, desto mehr Geld fließt automatisch in seine Portokasse.
Überhaupt findet er an jeder Straßenecke neue Aufgaben: Er schützt Zivilisten vor Dieben oder Räubern, sucht nach verlorenen Andenken oder erledigt die Drecksarbeit für Figuren wie den Marquis de Sade. Dazu versucht er sich als Detektiv und klärt in ruhigen, aber nicht minder unterhaltsamen Missionen Morde auf. In den Pariser Geschichten dagegen lernt er die Bevölkerung besser kennen und unterstützt diese während der Revolution.
"Assassin's Creed: Unity" ist ein riesiges Spiel, in das Jäger und Sammler viele Stunden versenken können. Die pure Masse an Aufgaben beeindruckt und fungiert gleichzeitig als Triebfeder für die stetige Weiterentwicklung der eigenen Spielfigur.
Der vernetzte Wahnsinn
Störend fällt die konstante Vernetzung des Hauptspiels mit der Ubisoft Community-Plattform uPlay sowie der Companion App des Spiels für iOS und Android auf. Einige Kisten lassen sich nur dann öffnen, wenn man sich auch bei diesen Portalen anmeldet und sie nutzt. Gleiches gilt für das integrierte Bezahlsystem. Wer keine Lust hat, teure Rüstungen oder schwere Waffen auf die konventionelle Art freizuspielen, der kann diese mit der Kreditkarte direkt kaufen. Diese Art des Ingame-Shoppings verfälscht gerade den neuen Mehrspieler-Modus spürbar. Ein blutiger Anfänger könnte – ein pralles Bankkonto vorausgesetzt – gleich zu Beginn des Spiels die besten Ausrüstungsobjekte käuflich erwerben.
Die Koop-Missionen mit bis zu vier Teilnehmern sind eine kniffelige Angelegenheit, erfordern sie doch ein Höchstmaß an Teamwork und Koordination. Etwas, das gerade bei Spielen mit offener Welt schnell mal auf der Strecke bleibt. So versäumt es Ubisoft, Hilfsmittel wie Zielmarkierungen einzubauen. Die verfügbaren Fertigkeiten wie etwa die geteilte Adlersicht sind nett, ersetzen diese Funktionen aber nicht. Der Koop-Modus unterhält nur dann gut, wenn man ihn gemeinsam mit Freunden und Headset angeht. Ansonsten können die Einsätze schnell frustrieren!
Fazit: Es lebe die Revolution!
"Assassin's Creed: Unity" schlägt ein neues Kapitel in der Geschichte der inzwischen sieben Jahre alten Abenteuerserie auf. Es schneidet viele alte Zöpfe ab und fokussiert das Spielerlebnis stattdessen auf launige Attentate, fetzige Kämpfe und die offene Spielwelt.
Paris strotzt vor Leben und unterhaltsamen Aufgaben und motiviert den Spieler 60 Stunden und mehr zum Weiterspielen. Selbst wenn die schön umgesetzte Hauptgeschichte beendet ist, hat man mit den stark gelösten Nebenaufgaben und den Mehrspielereinsätzen immer noch jede Menge zu tun.
Es gibt aber auch Kritikpunkte: Die konsequente Vernetzung von Hauptspiel, App und uPlay stört ebenso wie die Ingame-Kaufoptionen und die verbesserungswürdige Steuerung. "Assassin's Creed: Unity" ist ein tolles Spiel mit enormem Umfang und hoher Detailverliebtheit, aber auch mit einigen wenigen fragwürdigen Designentscheidungen.
Assassin's Creed: Unity
Hersteller/Vertrieb | Ubisoft |
Genre | Action |
Plattform | Playstation 4, Xbox One, PC |
Preis | 60-70 Euro |
Altersfreigabe | Ab 16 Jahren |