Andrea Sawatzki über ihre schwierige Kindheit Irgendwann war da Angst, Widerwille und Hass

Musste vieles aufarbeiten: Andrea Sawatzki.
Musste vieles aufarbeiten: Andrea Sawatzki.
© imago images/Future Image/Willy C. Randerath
Andrea Sawatzki musste ihren dementen Vater pflegen, der immer gewalttätiger wurde - bis sie ihn aus Hass am liebsten umgebracht hätte.

Andrea Sawatzki (62) spricht offen über ihre schwere Kindheit. Die Schauspielerin musste damals ihren Vater pflegen, der ihr gegenüber gewalttätig wurde. Mit nur zwölf Jahren hätte sie ihn am liebsten umgebracht, erklärt sie im Gespräch mit "Die Zeit".

Gewalt und Angst prägten ihre Kindheit

Sawatzkis Vater litt an einer Form von Demenz und wurde mit dem Fortschreiten der Krankheit immer gewalttätiger. Die heute 62-Jährige berichtet, wie sie nach einem Streit vor ihm fliehen wollte, dabei stürzte und ihr Vater sie packte. "Er hat mich festgehalten und mir immer wieder ins Gesicht geschlagen. Mit seinem Ehering hat er mir die Augenbraue aufgeschlagen. Es hat furchtbar geblutet."

Als sie ihren Vater in diesen Jahren pflegen musste, seien "irgendwann nur noch Angst und Widerwille gewesen. Und auch Hass." Als ihr Vater 1978 starb, habe sie ein Glücksgefühl verspürt. "Wenn das Hass war, was ich empfand, dann habe ich meinen Vater unermesslich gehasst", erzählt sie. "Ohne die Krankheit hätte ich ihn sicher genauso sehr lieben können."

"Ein zwölfjähriges Kind will seinen Vater umbringen"

Lange habe sie Angst davor gehabt, selbst Mutter zu werden. "Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht lieben kann", erzählt sie. "Dass ich keine Geduld habe. Es war wohl auch die Angst, wieder eingeschlossen zu werden in so eine Wohnung." Doch Sawatzki, die während ihrer langen Karriere unter anderem auch die "Tatort"-Kommissarin Charlotte Sänger verkörpert hat, fand später großen Halt bei ihrer eigenen Familie. Seit 2011 ist sie mit ihrem Schauspielkollegen Christian Berkel (67) verheiratet, die beiden haben zwei gemeinsame Söhne, die mittlerweile längst erwachsen sind.

"Ohne meine Kinder wäre ich nicht imstande gewesen, mich in meine Kindheit zurückzuversetzen und die Geister der Vergangenheit hervorzuholen. Ohne meine Familie hätte ich dieses Leben nicht überlebt. Ich hätte mir niemals verziehen", sagt sie. Zuvor habe sie große Schuldgefühle gehabt: "Ein zwölfjähriges Kind will seinen Vater umbringen. Aber es ist mir gelungen, die kleine Andrea in den Arm zu nehmen. Und ihr zu sagen: Du bist nicht so schlimm, wie du denkst."

Ihre Mutter hatte Nachtdienst

Im Jahr 2023 erzählte Sawatzki bereits der "Bild"-Zeitung, dass ihre Mutter als Krankenschwester im Nachtdienst arbeitete und danach ihren kranken Mann pflegte. "Ich habe übernommen, wenn ich aus der Schule kam, damit sie noch etwas schlafen konnte und dann die Nacht hindurch auf meinen Vater aufgepasst", erinnerte sich Sawatzki. Darunter litten auch die schulischen Leistungen, oftmals sei sie "gar nicht hingegangen, weil ich einfach zu müde war".

Schon mit 17 Jahren zog sie nach München und arbeitete als Kellnerin: "Es war auch ein gutes Gefühl, endlich mal eigenes Geld in der Tasche zu haben, weil wir zu Hause chronisch pleite waren." Später kam sie doch noch zum Schauspiel, auch wenn sie erst "tatsächlich darüber nachgedacht [hatte], mein Leben so weiter zu verbringen". Die Schauspielerei wurde offenbar zu einer Art Flucht: "Anfangs dachte ich, ich könnte meinem eigenen Leben entfliehen und mich hinter meinen Figuren verstecken. Aber so mit 30 habe ich gemerkt, dass man sich auch in der Schauspielerei immer mitnimmt und keine Rolle spielen kann, ohne sein eigenes Leben einzubringen."

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