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Thomas Gottschalk "Thea hat ihren Stiefel gemacht und ich meinen" - das sagte Gottschalk 2015 über seine Frau

Da wirkten sie noch innig und vertraut: Entertainer Thomas Gottschalk und seine Frau Thea besuchten im Juli 2018 die Bayreuther Festspiele. Beide sind Opernfans.
Vor knapp vier Jahren zog Thomas Gottschalk im Gespräch mit dem stern die Bilanz seines Lebens - und sprach auch über seine Ehefrau Thea.

Das Interview erschien am 23. April 2015 im stern.

"Schaumschläger", "Luftikus", "Durchlauferhitzer". Herr Gottschalk, das sind keine Kritikerworte, sondern so bezeichnen Sie sich in Ihrer Autobiografie. Was soll dieses Runtermachen?

Selbstschutz! Um im Notfall sagen zu können: "War nur heiße Luft!"

Sie sind also gar kein "TV-Titan"?

Titan mit Lizenz zum Schaumschlagen. Das muss ich noch schnell erklären: Mein Deutschlehrer schrieb mir mal unter eine Arbeit: "Sie verstehen es meisterhaft, eine weitgehende gedankliche Leere durch sprachlich hohes Niveau zu überdecken." Das steht jetzt als Zitat auf dem Buchumschlag. Botho Strauß widerspricht. Der eine sagt so, der andere sagt so.

Große Klappe, kleines Selbstbewusstsein?

Ein übergroßes Ego ist schlimmer. Letzten Endes spielt sich die Wirklichkeit irgendwo dazwischen ab. Und ich habe immer gewusst, wann ich Herr der Lage war und wann nicht. Ich bin der Letzte, der in einem Buch Lebenshilfe geben will. Aber ich will denen, die denken: "Menschenskind, warum kriegt der's hin und ich nicht ...?", sagen: Leute, ich bin nichts Besseres, aber ich habe manche Dinge nur deshalb hingekriegt, weil ich sie leichtgenommen habe! Und ihr kennt mich, ich bin ja das ganze Leben vor euren Augen unterwegs gewesen.

Verstecken Sie sich manchmal hinter Ihrem Papageno-Image? "Der Vogelfänger bin ich ja. Stets lustig, heißa, hopsasa ..."
Ich halte es mit Helmut Thoma: "Im Seichten kann man nicht ertrinken." Lieber gelegentlich einen Überraschungstreffer aus der Hüfte, als blank zu sein, wenn's auf die entscheidende Kugel ankommt. Die hab ich immer im Lauf. Kann auch ’ne Platzpatrone sein. Hauptsache, es knallt.

"Herbstblond" lautet der Titel Ihres Buchs. Das klingt poetisch, aber auch ein bisschen nach Abschied und Ende. Müssen wir uns Sorgen machen?

Du musst ja irgendwann zu einer gewissen Form von Vernunft kommen. Wenn nicht mit 65, wann dann? Weise bin ich nicht geworden, aber imstande, selbstkritisch auf das zurückzublicken, "was so alles gewesen ist".

Wie war das, als Ihr Goldköpfchen langsam ins Herbstblonde abdriftete?

Mein Dahinaltern sehe ich mit dem gleichen Unernst wie alles, was mir bisher passiert ist. Ich neige nicht zu düsteren Gedanken. Außer nach TV-Shows, wenn es nicht so gelaufen ist, wie ich mir das vorgestellt hatte. Dann zweifle ich noch mal kurz an mir, wenn die Quote kommt, und damit ist das Thema erledigt.

Alter und Sterben sind ein großes Thema des Buchs. Wann fingen Sie an, darüber nachzudenken?
Ich bin von meinem Alter überrascht worden. Zwischen 30 und 60 hatte ich eine eigenartige Wahrnehmung von meinem Leben. Ich stand immer in Lindau oder sonst wo in einer Halle, und die Leute haben geklatscht. Ich habe 93 schon gewusst, wo ich 95 bin. Also es gab ...

Struktur und Disziplin.

Genau. Es war ein durchstrukturierter Erfolg. Kaum Zäsuren. Es gab Geburten, es gab Todesfälle. Aber weder hatte ich Geldsorgen noch ernste Krankheiten. Von schweren Schicksalsschlägen bin ich verschont geblieben. Einfach Schwein gehabt, grundsätzlich Schwein gehabt.

Wollen wir mal ganz vorn anfangen, beim blond gelockten Kind?

Moment mal. Es ist es ja auch nicht so, dass diese erschreckende Erkenntnis "Verdammt, jetzt bist du alt" für mich irgendwelche dramatischen Konsequenzen hat. Es besteht bei mir keine dringende Veranlassung, mich jetzt anders anzuziehen oder mir eine andere Frisur oder eine andere Frau zuzulegen.

Sondern? Einfach verdrängen, weiter verrückte Klamotten anziehen?

Also, ich brauche keinen Rollator. Solche Konsequenzen des Alters haben mich noch nicht ereilt. Aber ich will, wenn sie mich erwischen, nicht wie der Depp dastehen und sagen: Ja, wo kommt denn das jetzt her? Ich stelle mich gedanklich drauf ein.

"Zwischendurch sehe ich den Fährmann des Todes mit seinem Nachen schon beängstigend nahe um die Ecke biegen", schreiben Sie.
Ich kann rechnen. Vor 20 Jahren war ich ein Mann in der Blüte meiner Jahre, in 20 Jahren bin ich im Glücksfall ein Greis. Es gibt Menschen, die jünger sind als ich und tot umfallen. Guckt euch den Schirrmacher an!

Der "FAZ"-Herausgeber starb im vergangenen Sommer mit 54 Jahren.

Mit dem habe ich noch das Theaterstück "Ewig jung" gesehen. Da haben wir uns totgelacht über alte Leute, die in einem Heim sitzen und kiffen. Und wir haben gesagt: "Genau so machen wir es auch mal!" Daraus wird nichts werden.

Ihr Freund Udo Reiter hat sich mit 70 erschossen.

Und Gunter Sachs, den sie "Lebemann" genannt haben, mit 78. Sinnenfroher, als der gelebt hat, geht es nicht, und weniger Gründe zum Sterben als Sachs kannst du gar nicht haben - und trotzdem hat er sich die Kugel gegeben.

Sie haben schon an einigen Särgen gestanden ...

Helmut Dietl war auch ein Weggefährte. Da kommst du zwangsläufig ins Nachdenken. Jeder dieser Männer hatte seine depressiven Phasen. Dieses Gefühl kenne ich nicht. Aber wenn ich die Tatsache, dass mir am Samstagabend mal 20 Millionen zugeguckt haben, als das Glück meines Lebens definiert hätte, dann hätte ich mich auch schon erschießen müssen.

Ist Alter nicht auch eine narzisstische Kränkung?
Es wäre ganz furchtbar, wenn es manchen passiert und manchen nicht. Es passiert allen, und das tröstet mich. Das Fernsehen ist nicht mehr das, was es war. Mein Body ist nicht mehr das, was er war. Ich versuche, sowohl das Fernsehen als auch den Body zu retten, solange es geht. Hier, fühlt mal. (Gottschalk springt auf und spannt den Oberarm an)

Beton! Respekt! Sie sagen, HD-TV lege Falten bloß, von denen man keine Ahnung hatte. So schlimm?

Ich verliere keinen Moment des Tages damit, etwas zu beklagen, was nicht aufzuhalten ist. Aber ich mache alles, um den Verfall zu bremsen. Wenn ich in Malibu bin, steht jeden Morgen mein Trainer Joe in der Garage. Dann heißt es: "Morning Chief. Looking great! Let's do it", und ab an die Geräte!

Garage? Wie Kevin Spacey in "American Beauty"?

Ja, genau, ich bin ja inzwischen auch eine American Beauty.

Und dann grüner Tee und Schlaf vor Mitternacht.

Ich versuche, mehr Fisch als Schweinshaxen zu essen. Ich sauf mir nicht die Hucke voll. Ich rauche nicht, höchstens mal eine Zigarre. Aber kein veganer Kram, kein Ommm-Quatsch.

Ommm-Quatsch?

Das Yoga-Feng-Shui-Getue. Ich bin katholisch, das muss reichen.

Was sagen Ihnen die Worte Kotbauch, Einspeicheln und Speisebrei?
Mayr-Kur. Das ist eine schlichte Entgiftung ohne Chemie. Bittersalz und Kräutertee. Ich glaube daran, mach ich einmal im Jahr.

Helmut Kohl glaubte auch daran.

Der hat mir das ja erzählt. Die ersten zwei Mal saß ich noch mit Kohl gemeinsam im Fastenstübchen im Gasteinertal. Der Buddha und sein Buddy!

Beide mit Kotbauch?

Er mit Kohl-Bauch, ich mit Kohldampf. In diesem Mayr-Büchlein haben sie unselige Bäuche abgebildet, und du sagst dir: Die will ich nicht haben! Es gibt zum Beispiel auch noch den "Großtrommelträger".

Den was?

Der Franz Josef Strauß war so einer. Die ziehen auch immer so die Schultern hoch. Großtrommel ist noch schlimmer als Kotbauch.

Ein schöner Satz Ihres Buches lautet: "Ich habe mit dem Älterwerden eigentlich kein Problem, nur dass man es sieht, finde ich scheiße."
Ja, das ist wahr. Manchmal stehst du in schlechtem Licht vor einem Spiegel und sagst: "Um Himmels willen, kann man das der Menschheit noch zumuten?" Ich habe aber das Glück, dass mich meine Frau schon vor 40 Jahren nackt gesehen hat und ihre Sehkraft inzwischen nachlässt. Ich muss nicht versuchen, diesen Leib einer 25-Jährigen schönzureden. Das ist eine große Gnade. Gewissen Versuchungen bin ich aus dem Weg gegangen.

Welchen? Den 25-Jährigen?

Auch den 30-Jährigen.

Viele Männer denken anders.

Das fasziniert mich immer wieder, gerade in Beverly Hills. Da sehe ich Paare, wo du sagst: "Das kann nur Liebe sein!"

Sind Sie selbst in Versuchung gekommen?

Laufend, aber ich bin einfach weitergelaufen.

Rubin-Hochzeit, 40 Jahre. Wie kriegt man das hin?

Thea hat ihren Stiefel gemacht und ich meinen. Ich fand die immer klasse, weil sie anders war als andere. Und sie musste nie das Gefühl haben, dass sich für mich irgendetwas ändern würde, wenn ihre Jugendblüte dahin wäre. Meine hat sich ja auch erledigt. Ich habe "Jugend" nie als etwas besonders Erstrebenswertes gesehen.

Ach was. Das sagen alle Schauspiel-Diven, wenn sie älter werden ...
Natürlich knirsche ich mit den Zähnen, wenn ich vor Klamotten von Cavalli oder Dolce & Gabbana stehe und mir eingestehen muss: "Das geht nicht mehr, das ist lächerlich."

Sie leben wie viele Ihrer Fans ein eher traditionelles Ehemodell ...

Meine Frau sah nie wie die klassische Mutter und Hausfrau aus, hat aber Freude daran gehabt, unsere Kinder großzuziehen und unsere Hütten einzurichten. Das begann 1972 mit einer Kellerwohnung in Nord-Schwabing. Da ging es schon los mit den lila Wänden. Am Ende hatten wir dann ein Schloss am Rhein.

Häuser eingerichtet und die Söhne erzogen. Hat ihr das gereicht?

Es hat bei uns funktioniert. Auch wenn das ein Stich ins Herz jeder emanzipierten Frau sein dürfte.

Wollte sie denn nichts "Eigenes"?

Sie meinen, eine Ohrring- oder Was-auch-immer-Kollektion? Theas "Jodel-Kurs" war eine eigene Boutique. Da hat ihr aber meine Fernseh-Fresse den Job erschwert, weil alle gefragt haben: "Ach, ist er denn nicht da? Wann kann er denn mal kommen?" Irgendwann hat sie sich lieber um die Schule und die Kinder gekümmert als um Knopflöcher.

Und den Fernsehgott auf Normalmaß gehalten.

Auch das. Sie hat mich immer toll gefunden, wenn ich im Fernsehen war, aber dann war ich wieder der Familienmann. Ich bin nicht nach Hause gekommen in eine Welt der Verehrung und der Überschätzung. Aber lustig fand mich Thea immer. Ich interessiere mich ja auch für jeden Scheiß. Wir gehen zusammen einkaufen, ich sitze stundenlang draußen vor der Umkleidekabine und unterhalte das Personal. Wir haben es geschafft, eine gewisse Heiterkeit in unserer Beziehung zu erhalten. Das ist das Entscheidende. Wir sitzen nie im Restaurant und schweigen uns an wie das Ehepaar in Kästners "Sachlicher Romanze".

Ihr Vater ist gestorben, als Sie 14 waren. Die Mutter hat Ohrfeigen verteilt. Es gab einen katholischen Priester im Haus, und Ihre Klamotten kamen aus der Kleidersammlung. Da könnte man denken: prekäre Kindheit. Sie sagen: "Behütete Sorglosigkeit".
Ja, genau so!

Warum haben Sie das so empfunden?

Kulmbach war in den Fünfzigern eine Idylle. Mein Vater hat als Anwalt und Stadtrat zu den etablierten Kreisen dieser Stadt gehört. Er ist im Kleppermantel mit dem Fahrrad durch die Stadt gefahren. Auto hatten wir keins. Das war damals nicht verhaltensauffällig. Und da war mein Onkel Hans - als katholischer Priester warst du früher kein Exot, sondern Teil des Etablissements. Quatsch, Establishments natürlich. Mutti war die Resolute zu Hause.

Und Sie das blond gelockte Weltkind in der Mitten.

Ja, furchtbar.

Zu viel Glück?

Ich betrachte meine krankhaft gute Laune als Geschenk. Ob meine Umwelt sie immer als Geschenk betrachtet hat, das weiß ich nicht.

Man denkt gleich an Schillers "Ring des Polykrates": "Noch keinen sah ich fröhlich enden, auf den mit immer vollen Händen die Götter ihre Gaben streu'n."
Also, ich habe ja das Haupt nie so hoch getragen, dass mich die Götter mit der Sense erwischen konnten. Ich hatte nie dieses Siegfried-Gefühl, unverwundbar zu sein, ganz im Gegenteil. Nur, ich habe es gelernt, die Verletzungen, Enttäuschungen, Frustrationen als normal zu betrachten und wegzustecken.

Welche denn?

Ich habe nicht gesagt: "Mein Gott, die anderen tragen Beat-Stiefel vom Hertie in Bamberg - und meine Latschen sind aus der Kleidersammlung." Ich habe gesagt: "Dafür sind meine innen gefüttert!" Mir haben zwar die Füße getropft beim Tanzen, hat aber keiner gesehen.

Wann hat Ihnen das Leben zum ersten Mal die harte Kante gezeigt?

Ich habe die harte Kante nicht als solche empfunden. Den Tod meines Vaters habe ich als 14-Jähriger nicht in dieser Dramatik gesehen, wie das Erwachsene tun. Ich habe sofort damit begonnen, mich und meine Mutter so gut wie möglich aus diesem Jammertal zu retten.

Sie zeigen bei Ihren Vorlieben einen gewissen Mut zur Mischung: Mörike-Gedichte und Bayreuth-Oper zum einen. Und dann Jerry Cotton, Comics und billige Horrorfilme.

Das ist kein Mut, sondern ein Aufruf: Freunde, mischt es! Ich habe sie beide erlebt - die Dumpfbacken und die Hochintelligenten. Beide haben was vom Leben verpasst. Zu schlau ist auch blöd.

Haben Sie deshalb einmal in Ihrer "Late Night"-Show den Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki neben die Pornoqueen Teresa Orlowski gesetzt?

Ich nenne es "Füllhorn des Lebens".

Er war an ihrer Arbeit sehr interessiert.

Ich erinnere mich, seine ansehnlichen Ohren begannen, verdächtig rot zu glühen. Die Literaten haben ja alle diesen Drall zum Abgrund.

Seine Wissbegier gipfelte in einer Frage. Könnten Sie die mal vortragen?

"Sssagen Sssie, Verehrtessste: Tzeigen Sssie auch Ssselbstbefriedigung?"

Hat sie befriedigend geantwortet?

Umgehend. Er schien sehr beruhigt. Es war der Höhepunkt meines bisherigen Fernsehschaffens.

"Einer meiner wenigen Albträume ist, dass ich die Showtreppe runterkomme und keiner klatscht", schreiben Sie.
Ja. Mit Betonung auf "Showtreppe"! Komme ich die Rolltreppe im Kaufhof runter, muss keiner klatschen.

Angst davor, dass die eigene Strahlkraft nachlässt?

Nicht nur ich, auch das Medium Fernsehen ist an einen Punkt gekommen, wo man sagt: "So wird es das nicht mehr geben." Ich bin überflüssig geworden, weil dieser Samstagabend, für den ich lange stand, überflüssig geworden ist.

"So einen wie mich wird es im Deutschen Fernsehen nicht mehr geben." Größenwahn?

Nein. Diese Begabung, die ich habe, mag in Deutschland zehnmal rumlaufen ...

Na ja ...

Gut, neunmal. Aber die Chance, in einer Art von Monopolgeschäft unersetzlich zu sein - die wird im Fernsehen keiner mehr bekommen. Ich sag ja: "Schwein gehabt."

Als Sie sich damals beim Bayerischen Rundfunk beworben haben und einen Fragebogen ausfüllen sollten, schrieben Sie: "Man hört eurem Programm an, dass ihr die, die es machen, per Fragebogen gefunden habt." Das war doch größenwahnsinnig.

Ja, das war es. Die zeigten das Ding auch noch im Sender rum, weil ich denen geschrieben habe: "Radio, das ist doch Wortgewalt. Das ist doch Pathos." Und die wollten, dass ich ankreuze, was meine Lieblingsplatten sind!

Jetzt können Sie uns Ihre Lieblingsplatte verraten.

"No Milk Today" (Gottschalk singt vor) von Herman's Hermits war die erste Single, die ich mir gekauft habe. Beim Musik-Franz in Kulmbach. Heute lebt Peter Noone, der Typ, der das damals gesungen hat, ein paar Meilen entfernt von mir.

Das hätte auch alles schiefgehen können.

Es konnte bei mir nichts schiefgehen, weil ich nie was geplant habe. Man kann das fahrlässig nennen oder mutig. Den Mut von Joko und Klaas, sich ein Piercing in den Arsch zu schießen, hatte ich nie.

Die Frage ist noch, was sinnvoller ist?

Bei mir ging es immer um das große Ganze.

Und das große Ganze war was?

Ein Lebensgefühl. Dieses Swinging London, die Carnaby Street mit ihren Wolken aus indischen Riechhölzern und der Musik von Cream und Jimi Hendrix. Das hat mich geprägt, dieses Love & Peace - für mich war das keine Politik, sondern eine Geisteshaltung.

Sie haben später alle Künstler von Rang auf dem Sofa gehabt. Wer war der Größte?
Lady Gaga oder Michael Jackson auf meiner Couch zu haben war die Pflicht. Aber neben Sean Connery zu sitzen oder Tony Curtis - das ist die Kür.

Beatles oder Stones?

Paul McCartney! Die Beatles haben den Soundtrack zu meinem Leben geliefert. Über meinem Bett hängt ein Bild von denen, mit mir als fünftem Mann. (Gottschalk zeigt uns sein Schlafzimmer mit Postern und Fotos an den Wänden)

Das ist ja hier ...

... wie im Museum. Abteilung Spätromantik!

Hans im Glück?

Ja. Wenn ich mich mal verhauen habe, dann habe ich den falschen Künstler angesagt, aber nicht als Arzt das falsche Bein amputiert oder als Schrankenwärter den falschen Knopf gedrückt oder als Politiker das Falsche gesagt.

Sie meinen, es ging bei Ihnen nie um Existenzielles?

Es ging nur um meine Existenz und die meiner Familie. Es ist mir ja auch geglückt, eine normale Ehe und zwei normale Söhne hinzukriegen, jedenfalls halbwegs.

Sind Sie besser als Opa oder als Vater?
Als Opa bist du natürlich in der glücklichen Lage, das Kind zurückgeben zu können. Habe ich ja lange genug gehabt, im Dunklen mit nackten Füßen auf Legos zu treten. Alles ist zu seiner Zeit passiert. Ich habe mich im richtigen Alter als Vater versucht. Und jetzt bei meinem Enkel eben als Großvater.

Sie räumen immerhin ein paar Ohrfeigen ein. Das gibt nicht jeder zu.

Gemessen an den Ohrfeigen, die ich bekommen habe, bin ich bei meinen Söhnen sehr sparsam damit umgegangen. Unsere Erziehung war sicher nicht so perfekt, wie sie hätte sein können, aber meine Kinder haben am Telefon nie gehört: "Ich kann jetzt nicht". Ich bin immer für sie erreichbar, wenn sie mich brauchen.

Wie erklären Sie sich eigentlich, dass Sie mit allen können? Sie waren mit dem Kohl gut, mit Schröder, Genscher und mit Merkel.

Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich meinen Arsch überall reinzwängen kann, ohne richtig fehl am Platze zu sein. Wenn Merkel mich mitnimmt ins Weiße Haus zu Obama und sagt: "He is one of our leading entertainers", dann widerspreche ich nicht.
Das war 2011, als sie die amerikanische Medal of Honor erhielt.
Sie hat den Journalisten gesagt, ich wär ein Botschafter der guten Laune zwischen beiden Ländern. Ich bin der fröhliche Narr, der es früher auch schon an die Königshöfe geschafft hat.

Ach, jetzt machen Sie sich schon wieder runter.

Ich bin schmückendes Beiwerk. Ich erklär doch dem Obama nicht, was der Bush im Irak falsch gemacht hat!

Das heißt, Politik ist tabu?

Natürlich!

Ihre Mutter hat Ihnen und Ihren Geschwistern gesagt: "Ihr müsst euch vor niemandem verstecken." Wirkt das noch?

Ja. Ich habe deshalb auch kein Problem, wenn da der US-Vizepräsident steht, mit der Hand in der Hosentasche, und mich fragt: "So, what are you doing?" Dann sage ich: "I'm entertainer - like you."

Wie hat Joe Biden reagiert?

Gelacht natürlich. Ich weiß nicht, ob es einen großen Unterschied gibt zwischen Entertainer oder Politiker - zumindest in Amerika. Auch bei Schröder war das immer recht unverklemmt.

Ist das Ihre amerikanische Leichtigkeit?

Viele Gäste in meiner Show haben mich hinterher gefragt, ob ich wirklich Deutscher bin.

Wie sind denn Deutsche?

Als Kind war ich mal im Urlaub in Scharbeutz. Mit dem Stadtjugendring für minderbemittelte Familien. Als der Klugscheißer aus der Nebenstraße das Meer sah, hat er gemault: "Da sind doch keine Wellen!" Das erste Mal am Meer und "keine Wellen"! Das ist deutsch.

Kann man sagen: Sie sind anpassungsfähiger?
Ich gehe nicht im T-Shirt ins Weiße Haus. Aber ich weiß genau, dass der Biden auch manchmal Ärger mit seiner Frau oder seiner Verdauung hat - genau wie ich. Das führt zu einer gewissen Sicherheit im Auftreten. Egal wo. Ich fühle mich im Rosengarten des Weißen Hauses genauso wohl wie in der Leipziger Sozialwohnung, die ich nach einer verlorenen Wette frisch streichen musste. Mit Wollmäusen hinterm Schrank und Pornoheftchen. Da sage ich nicht: "Gott, was mache ich hier?", sondern: "Schön, dass ich da bin."

Mit dieser Gabe hätten Sie Kanzler werden können!

Das hat man bei Guttenberg auch geglaubt. Ich wäre sicher genauso gestolpert wie der. Über irgendwas.

Sie hätten in Kulmbach die Chance gehabt, Stadtrat zu werden.

Ja, bei den Freien Wählern. Bloß nicht festlegen. Und auch die waren mich schnell wieder los.

Heißt das, eine politische Karriere ist keine Option fürs Alter?

Allein das Wort "Parteidisziplin" schließt dieses Berufsbild für mich aus.

Deutschland oder Amerika? Wo reiten Sie in den Sonnenuntergang?
Wir überlegen noch. Meine Frau fremdelt mit dem amerikanischen Gesamtlebensgefühl. Und sie liebt die deutsche Sprache. Beim Arzt sind wir oft am Ende unserer Kunst. Ich habe kürzlich einen Bandscheibenvorfall szenisch dargestellt, weil ich die Vokabel nicht wusste.

Im Klinikum München kennt Sie jede Krankenschwester.

Solche Überlegungen spielen natürlich eine Rolle. Will ich im Winter meines Lebens die Früchte ernten, oder will ich blutend auf dem Gang eines US-Krankenhauses liegen, und die checken meine Kreditkarte statt meines Blutdrucks? Aber nachdem das Wetter in Kalifornien immer etwas besser ist als auf dem Prenzlberg, bleibt zu befürchten, dass ich langfristig mehr Zeit dort verbringe. Zumal die Chance, von einem Radfahrer totgefahren zu werden, in Malibu geringer ist.

Reiter, Sachs, Fritz J. Raddatz. Sie sehen den Trend zum selbstbestimmten Sterben eher kritisch. Wie wollen Sie selbst sterben?

Hm ... Also soll ich jetzt exklusiv für den stern über meinen Tod nachdenken. Es ist nicht so, dass ich zwischendurch wie ein Eremit im Sarg schlafe, um schon mal zu testen, wie es sich anfühlt. Mit 80 beim Joggen umzufallen wäre in Ordnung. Vielleicht nicht an einem Sonntagnachmittag. Nachdem ich nicht jogge, ist dieser Abgang unwahrscheinlich. Aber dass mir beim Training eins meiner 40-Kilo-Gewichte auf den Kopf fällt - so was könnte passieren.

"Leergelebt" fühle er sich, schrieb Raddatz in einem Abschiedsbrief. Können Sie das nachvollziehen?
Nein. Im Gegenteil. Ein Intellektueller in der Reife seiner Jahre hat sich doch hoffentlich vollgelebt. Das ist für mich der Sinn des Alters, dazusitzen, zu sortieren, zu reflektieren, auszusortieren und weiterzugeben. Ich weiß ja auch nicht, was mir morgen blüht. Wenn mir in Malibu meine Mühle per Erdbeben wegsackt. Dann sitze ich vielleicht nachher doch ...

... im Altersheim am Prenzlauer Berg.

Möglich. Nur beschwere ich mir mein Heute nicht mit dem Blick auf morgen, sondern ich erhelle es mir mit dem Blick auf gestern.

Große Leistung, wenn man so unsentimental denken kann.

Das ist keine Leistung. Das ist ein klarer Blick auf die Wirklichkeit.

Ist die manchmal traurig für Sie?

Traurig ist es, einsam zu sein. Bin ich nicht. Es ist für mich kein großer Unterschied, ob ich hundert oder hunderttausend Leute unterhalte. Ich habe nie die Millionen in irgendwelchen Wohnzimmern gesehen. Ich habe eine Halle voller Menschen vor mir gehabt, das war's. Und wenn ich jetzt zwei stern-Journalisten hier vor mir sitzen habe, dann laber ich eben die voll. Zu Selbstgesprächen besteht noch keine Veranlassung.

Autobiografie, das ist ein Blick zurück - auch auf die Weggefährten. Günther Jauch gehört dazu. Was verbindet Sie?

Wir sind als Freunde gemeinsam die Langstrecke gelaufen. Vielleicht ist es unsere Verschiedenheit. Er sagt immer: "Ich beneide dich um diese Lockerheit, wie machst du das eigentlich?" Ich sage ihm: "Wenn einer Grund hat, locker zu sein, dann doch du." Aber er sucht noch das Haar in der Suppe, wenn ich sie schon ausgelöffelt habe.

Wir müssen über den 4. Dezember 2010 sprechen. Samuel Koch stürzte beim Salto über ein fahrendes Auto und brach sich das Genick.
Das war in dem Moment noch nicht absehbar, aber wir haben sofort gemerkt, dass es keine Bagatelle war. Dieses "Gleich steht er wieder auf", wie man das vom Fußball kennt, ist nicht passiert.

Sie schreiben, diese Minuten hätten sich in Ihr "Hirn eingebrannt".

Ja. Und die darauffolgende Nacht war Folter. Mir war aber gleich klar, dass auch etwas Grundsätzliches passiert war, dass meine Unterhaltungswelt infrage stand. Das, was da passiert war, konnte ich nicht wegmoderieren.

Sie fühlten sich mitschuldig?

Ja, klar. Das war ein Unglück, an dem ich zumindest mittelbar schuld war. Da konnte ich ja nicht auf einmal sagen: "Ich bin hier nur der Moderator!" Ich habe ja gelebt von Menschen wie ihm. Mein ganzes Erfolgsmodell war darauf aufgebaut, dass Menschen so was machen. Und plötzlich hat einer dafür fast mit seinem Leben bezahlt.

Sie haben am Morgen nach dem Unfall mit Kochs Eltern gebetet.

Mir erschien das in dieser Situation der Hilflosigkeit als einzig angemessene Reaktion. Ich habe meinen Gott oft gefragt, warum er Samuel Koch ausgerechnet in meiner Sendung so schwer verunglücken ließ. Ich habe darauf keine Antwort erhalten.

Wann stand fest, dass Sie die Sendung aufgeben?
Als ich ihn zum ersten Mal besucht habe. Als ich sah, der ist querschnittsgelähmt und nicht nur in der Form, wie ich das vom Udo Reiter kannte, sondern vom Hals an. Und dann habe ich mir eingestanden, dass auch mein Fernsehmodell im Verfall war.

Ihre Abschiedssendung sahen 15 Millionen ...

Das war eine Herbstblüte. Die wäre nicht zu halten gewesen. Wenn ich heute sechsmal im Jahr "Wetten, dass ..?" mit fünf Millionen Zuschauern machen würde, hieße es: "Merkt der nicht, dass seine Zeit vorbei ist?" Jedes Youtube-Video, in dem ein betrunkener Trottel einen Ferrari gegen die Wand fährt, hat 33 Millionen Klicks. Und bei mir macht ein braver Turner 20 Handstände in einer Mülltonne. All das habe ich mir erspart.

Eine Wiederauflage ist also undenkbar?

Wenn das ZDF auf die Idee kommt, am Heldengedenktag oder zur Feier "100 Jahre heute-journal" "Wetten, dass ..?" als Event wiederzubeleben - dann ziehe ich gern noch mal in den Quotenkrieg.

Das ist schon mal eine interessante Option.

Aber nicht meine Entscheidung.

Instagram, Facebook, Twitter - machen Sie da mit?

Nee, warum soll ich mich auf 140 Zeichen beschränken? Ich habe noch genügend Leute, bei denen ich meine komplette Moderation loswerden kann.

Wen? Und wo ist die Grenze? Bei RTL-Shows auf den Buzzer drücken?
Notfalls laufe ich meinem Publikum auch hinterher. Aber nur ein Stückchen. Man kann mich als "verbrauchtes Gesicht" abschreiben. Ich sehe mich eher als "vertrautes Gesicht" . Dass auch noch meine herbstblonde Rübe Wiedersehensfreude auslöst, merke ich jedes Mal, wenn ich unter Menschen gehe. Ich habe noch Spaß an dieser Herausforderung. Aber das ist nicht zwanghaft. Ich fange nicht an zu moderieren, wenn ich den Kühlschrank aufmache, nur weil das Licht angeht.

Was gucken Sie selbst im TV?

Es gibt bei ARD und ZDF zwischendurch hervorragende Fernsehfilme. Den "Tatortreiniger" finde ich lustig, und das "Dschungelcamp" ist ein soziales Experiment, das mal mehr, mal weniger funktioniert. Ich dachte, "Newtopia" wär vielleicht interessant. Aber das ist nur ein Häufchen Verstörter, die eine neue Gesellschaft aufbauen wollen, indem sie telefonisch Pizza ordern.

Jan Böhmermann?

Guter Mann, Heufer-Umlauf - bis auf den Namen - auch. Stefan Raab ist ein echter Kämpfer. Steven Gätjen hat Ansätze. Barbara Schöneberger ist eine Rampensau. Harald Schmidt fehlt mir. Ich mochte die "Shopping Queen" mit Guido Maria Kretschmer. Aber dem werden jetzt auch schon verhaltensauffällige Menschen zugeführt.

Gibt es denn jemanden, in dem Sie einen Nachfolger erkennen?
Im Radio sähe ich eine Chance für den Nachwuchs. Aber heute haben die Moderatoren Computerrotation, eine festgelegte Wortanzahl, müssen drei Gewinnspiele machen, viermal das schönste Wetter, die schnellsten Blitzer und die größten Hits der 70er, 80er und 90er Jahre ansagen. Ich höre keinen, der machen darf, was ich damals durfte. Auch da: Schwein gehabt.

"Ich lebe in der Wahnvorstellung, ewig Kind bleiben zu können - zur Not eben ein altes Kind", schreiben Sie. In welchem Kindesalter sind Sie gerade?

Ich bin der Fünfjährige, der noch fast alles machen darf, was er will, weil er so putzig dabei ist und so niedlich angezogen.

Ein Kleinkind?

Ja, aber bereits stubenrein.

Und noch nicht schulverbildet.

Genau. Ich befinde mich im Zustand vollkommener Unverdorbenheit, ich bin, wenn Sie so wollen, der reine Tor.

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