Nach der dramatischen Terrorwarnung der Bundesregierung gilt auch der Berliner Reichstag als mögliches Ziel eines Angriffs. Dies bestätigte der Bundestag am Samstag. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat dagegen nach eigenen Angaben keine konkreten Informationen über Terrorziele. "Es gibt keine Hinweise auf bestimmte Orte, Personen oder Zeitpunkte", sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke in Hamburg. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte die Bürger zur Ruhe.
BKA-Chef Ziercke reagierte auf einen detaillierten Bericht des "Spiegel", wonach islamistische Terroristen bereits in Berlin seien und den Reichstag im Visier hätten. Sie planen dort angeblich eine Geiselnahme und ein Blutbad. Ziercke nannte den Bericht "hochspekulativ" und grenzwertig. Mit Blick auf die laufenden Ermittlungen und den Schutz von Informanten könne im Moment nicht mehr gesagt werden, als Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bereits am Mittwoch mitgeteilt habe.
Merkel sagte am Rande des NATO-Gipfels in Lissabon: "Wir haben eine reale Gefährdung durch den Terrorismus." Zu Details wollte sie sich nicht äußern. Zugleich mahnte die Kanzlerin, nicht in Panik zu verfallen. Die Sicherheitsbehörden arbeiteten aufmerksam und der Lage angemessen.
Informationen von Aussteiger?
De Maizière hatte ungewöhnlich eindringlich vor einer konkreten Terrorgefahr in Deutschland und einem möglichen Anschlag noch in diesem Monat gewarnt. Anlass waren laut "Spiegel" Informationen eines potenziellen islamistischen Aussteigers, der sich beim BKA gemeldet haben soll. Von ihm sollen die Informationen über das Terrorkommando aus sechs Personen stammen, das angeblich Anfang 2011 den Reichstag angreifen will.
Ein Sprecher von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) äußerte sich zu dem Bericht nicht konkret, sagte aber: "Wir wussten natürlich auch, das der Reichstag ein mögliches Ziel sein kann." Schutzmaßnahmen seien getroffen worden.
Laut "Spiegel" stützte sich de Maizière auch auf einen Warnhinweis der US-Bundespolizei FBI zur geplanten Einreise zweier mutmaßlicher Terroristen am 22. November. Eine schiitisch-indische, mit Al-Kaida verbündete Gruppe habe zwei Männer für einen Anschlag auf den Weg nach Deutschland geschickt.
Die Informationen decken sich offenbar zum Teil mit einem "Focus"-Bericht. Das Münchner Magazin meldete zudem, de Maizière habe den Länderinnenministern berichtet, mit Anschlägen sei am ehesten in "Berlin, Hamburg, München, im Rhein-Main-Gebiet und im Raum Köln/Bonn" zu rechnen. Mit einer Art Rasterfahndung versuchten die Sicherheitsbehörden, die Einreise eines mutmaßlichen Terror-Kommandos zu verhindern.
Nach einem Bericht des ARD-Magazins "Report Mainz" gibt es zudem einen weiteren Anschlagsplan islamistischer Terroristen für Deutschland. Aus dem pakistanischen Waziristan seien vor sechs bis acht Wochen zwei Personen eingereist, die einen Anschlag auf "eine Menschenmenge in einer großen Stadt" planten. Dabei handle es sich nicht um ein Selbstmordattentat, sondern um einen Angriff mit einer zeitgesteuerten Spreng- und Brandvorrichtung. Die beiden Attentäter warteten noch auf die Zünder. Sie würden nicht telefonieren, nicht in die Moschee gehen und auf westliches Aussehen achten, zitierte das Magazin aus einem internen BKA-Papier.
Festnahme in Namibia
In Namibia wurde nach dem Fehlalarm wegen einer Bombenattrappe der Leiter der Flughafensicherheitspolizei von Windhuk festgenommen, wie das Bundesinnenministerium unter Berufung auf namibische Behörden mitteilte. Der Mann soll gestanden haben, den sogenannten Realtest-Koffer am Mittwoch auf das Gepäckförderband gelegt zu haben. Die Motive seien aber unklar. Bereits am Freitagabend hatte das Ministerium ausgeschlossen, dass deutsche Behörden an der Platzierung der Attrappe beteiligt waren. Diese stammt aus US-Produktion. Wegen des Fehlalarms wurde eine Air-Berlin-Maschine nach München stundenlang aufgehalten und nochmals kontrolliert.
Absage an neues Sicherheitspaket
Die politische Debatte über zusätzliche Abwehrmaßnahmen hält unvermindert an. Unions-Innenpolitiker forderten neue Sicherheitsgesetze und mehr Geld für Geheimdienste. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erteilte solchen Forderungen aber eine klare Absage. "Wir haben uns im Kreis der Rechts- und Innenpolitiker der Koalition darauf verständigt, dass es kein neues Anti-Terror-Paket geben wird", sagte die FDP-Politikerin der "Welt am Sonntag". Auch die Forderung nach einer Vorratsdatenspeicherung lehnte sie erneut ab.