Die majestätische weiße Kuppel des Kapitols ist ein Wahrzeichen der Demokratie. Obwohl der Sitz des US-Kongresses bereits vor 222 Jahren fertiggestellt wurde, ist die Rolle des Architekten bis heute ein hochdekoriertes Amt in Washington. Ein Amt, das nun vakant ist. US-Präsident Joe Biden hat den bisherigen Architekten des Kapitols am Montag entlassen. Der Grund: Brett Blanton soll sein Amt missbraucht haben.
Die Rolle des "Architect of the Capitol"
Jeden Tag strömen 30.000 Menschen auf das Kapitol-Gelände, dazu kommen mehr als drei Millionen Besucher im Jahr. Der Architekt des Kapitols ist der oberste Verwalter aller Gebäude und Anlagen auf dem Capitol Hill und ist damit für die Aufsicht, Pflege und Instandhaltung von mehr als 1,6 Millionen Quadratmetern Innenfläche und 570 Hektar Außengelände verantwortlich. Damit ist er offiziellen Angaben zufolge Chef von rund 2000 Mitarbeitern, die "rund um die Uhr" im Einsatz seien. Dazu gehören neben Architekten, Elektrikern und Ingenieuren auch Gärtner, Restaurateure, Maurer, Maler und viele weitere Fachkräfte.
Seit Januar 2020 war Brett Blanton der Architect of the Capitol (AOC)– ernannt hatte ihn damals noch Donald Trump. Der Ingenieur und Ex-Marinesoldat sollte das Kapitol eigentlich bis 2030 am Laufen halten. Eigentlich.
Sturm auf das Kapitol: Blanton hielt es am 6. Januar 2021 für "unklug" zur Arbeit zu kommen
Ob Ukraine-Hilfen, Schuldengrenze oder Abtreibungen: So unversöhnlich sich die Republikaner und Demokraten auch inzwischen gegenüberstehen – in einem waren sie sich einig: Beide Parteien wollten Blanton loswerden. Der 51-Jähriges, so der Vorwurf, soll seine Position mehrfach missbraucht haben: Laut "Washington Post" beschuldigte ihn der zuständige Generalinspektor in einem Bericht, Regierungsfahrzeuge für Familienausflüge benutzt und sich selbst fälschlicherweise als Vollzugsbeamter ausgegeben zu haben. Mit dem Geländewagen sei er mehrfach zu einer Brauerei in Loudoun County gefahren und habe den Wagen für Urlaubsreisen nach Florida und South Carolina benutzt. Auch seine Frau und Tochter hätten den Wagen wiederholt privat gefahren, heißt es in dem Untersuchungsbericht. Insgesamt seien so 14.000 US-Dollar nicht gemeldeter Steuervorteile zusammengekommen.
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Außerdem soll er in einem mit Sirenen und Blaulicht ausgerüsteten Dienstfahrzeug ein Auto verfolgt haben, dessen Fahrer den Wagen des Partners seiner Tochter gerammt habe. Angeblich gab er sich sogar als Gesetzeshüter aus. Im Polizeibericht von Fairfax County sei Blanton als "nicht im Dienst befindlicher Polizeibeamter aus DC" bezeichnet worden, so die "Washington Post". Weiterhin heißt es im Bericht, Blanton soll private Führungen durch das Kapitol angeboten haben, als das Gebäude während der Corona-Pandemie geschlossen war.
In einer hitzigen, 90-minütigen Anhörung vergangene Woche hatte Blanton seinen Kritikern schließlich noch mehr Argumente geliefert. Er bestritt, während seiner Amtszeit teils unethisch gehandelt zu haben. Blanton habe den Dienstagen zwar privat gefahren, aber nur, um im Notfall schnell im Kapitol zu sein. Der Untersuchungsbericht sei "voller Fehler" – auch, wenn er ihn nicht ganz gelesen habe. Blanton habe später das staatliche Nummernschild und die GPS-Ortung des Wagens entfernen lassen, um die Untersuchungen zu erschweren.
Für Empörung sorgte allerdings etwas anders: Er gab zu, am 6. Januar 2021 nicht im Kapitol gewesen zu sein, weil er es für "unklug" gehalten habe, das Gelände zu betreten. Nur wäre das sein Job gewesen. Blanton war Mitglied des dreiköpfigen Capitol Police Board, das Mitverantwortung für den Schutz der Regierungsgebäude trug – und bekanntermaßen versagte. Schließlich steht der Ausschuss der für die Sicherheit des Kapitols zuständige United States Capitol Police vor. Man werde "die Struktur des Capitol Police Board in Zukunft überprüfen", so der Abgeordnete Bryan Steil, der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses des Repräsentantenhauses.
Suche neuem Kapitol-Architekten könnte Jahre dauern
Blantons Entlassungsschreiben liest sich kurz und bündig: "Auf Anweisung von Präsident Biden teile ich Ihnen mit, dass Ihre Ernennung zum Architekten des Kapitols mit Wirkung von heute 17 Uhr beendet ist", schreibt Gautam Raghavan, Bidens Personalchef.
"Nachdem der Präsident die Möglichkeit hatte, auf zahlreiche Anschuldigungen wegen rechtlicher, ethischer und verwaltungstechnischer Verstöße zu reagieren, hat er Herrn Brett Blanton seines Amtes enthoben – eine Entscheidung, hinter der ich voll und ganz stehe", zitiert die "Washington Post" Joseph Morelle, den führenden Demokraten im Verwaltungsausschuss des Repräsentantenhauses. Man wolle "sofort mit der Suche nach einem neuen Architekten zu beginnen"
"Er sollte kündigen oder Präsident Biden sollten ihn sofort entlassen", hatte auch Kevin McCarthy, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses am selben Tag getwittert. Dabei wussten die Spitzenkandidaten der Grand Old Party nach "Politico"-Informationen zu dem Zeitpunkt bereits von Blantons anstehender Entlassung. So aber entstand der Eindruck, Biden sei gegenüber den Republikanern eingeknickt.
Blantons Nachfolge dürfte sich schwierig gestalten. Das liegt aber nicht an dessen tiefen Fußstapfen, sondern am aufwändigen Nominierungsprozess, der sich Medienberichten zufolge über Jahre ziehen kann. Dazu muss zunächst eine partei- und kammerübergreifende, 14-köpfige Kommission gebildet werden, die wiederum dem Präsidenten mehrere Kandidaten vorschlägt. Dabei müsste es schnell gehen – denn Blanton hatte keinen Stellvertreter.
Quellen: "Politico"; "Washington Post"; "New York Times"; Website Architect of the Capitol