Ansprache zur Lage der Nation Präsident Barack Obama auf Sputnik-Jagd

In seiner Rede zur Lage der Nation hat Barack Obama den Schwenk zum Wirtschaftspräsidenten und zum Mann der Mitte vollzogen - der US-Präsident sieht Amerika in einem globalen Wettkampf, der ihn sogar an Zeiten des Kalten Krieges erinnert.

Barack Obama ist längst kein wolkiger Messias mehr, sondern ein ernüchterter Präsident, der verstanden hat, dass es seinen Wählern vor allem um eines geht: um ihre Jobs, um die wirtschaftliche Entwicklung Amerikas. In seiner Rede zur Lage der Nation vor beiden Häusern des Kongresses hat der US-Präsident in der Nacht zu Mittwoch deshalb auch vor allem sein Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Verminderung des Haushaltsdefizits des Landes skizziert.

Er schlug Investitionen in die Forschung, die Bildung und den Ausbau der Infrastruktur vor und formulierte konkrete Vorschläge zur Reduzierung des Lochs in der Staatskasse. Gleichzeitig machte der Demokrat Obama den Republikanern ein konkretes Angebot zur Zusammenarbeit. "Es liegt an uns, die Zukunft zu gewinnen", sagte Obama. "Wir werden entweder gemeinsam vorankommen oder gar nicht, denn die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind größer als Parteien und größer als die Politik", sagte er. In der internationalen Konkurrenz erlebe Amerika derzeit einen "Sputnik-Moment", sagte der Präsident. Er spielte darauf an, dass die Entsendung der russischen Sputnik-Rakete im Jahr 1957 die USA angespornt hatte, den damaligen Systemgegner zu übertrumpfen. Nun sieht Obama Amerika in globaler wirtschaftlicher Konkurrenz mit Ländern wie China oder Indien.

Der Präsident der Mitte

Die etwas mehr als einstündige Rede des Demokraten war mit großer Spannung erwartet worden. Denn es war Obamas zweite Rede zur Lage der Nation, aber die erste, die er vor einem Parlament hielt, in dem die Republikaner die Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben. Die Demokraten hatten im November eine schwere Wahlniederlage erlitten, nur den Senat konnten sie halten. In den verbleibenden zwei Jahren seiner ersten Amtszeit ist Obama auf die Zusammenarbeit mit den Republikanern angewiesen. Mit seiner Ansprache stellte Obama unter Beweis, dass er in der Lage ist, sich den neuen Machtverhältnissen pragmatisch anzupassen - und sich, vor allem im Hinblick auf den Präsidentschaftswahlkampf 2012 neu zu erfinden.

Wie erwartet formulierte er einen auf die Wirtschaftspolitik konzentrierten Appell zur Zusammenarbeit zwischen den Parteien, außen- und sicherheitspolitische Themen spielten fast keine Rolle. Obama inszenierte sich als Präsident der Mitte, der bereit ist, mit den Republikanern zusammenzuarbeiten. Diese Haltung, die er bereits in den vergangenen Wochen eingenommen hatte, trägt bereits Früchte. Seine Umfragewerte haben sich maßgeblich verbessert. Sein wichtigstes Problem bleibt dennoch die hohe Arbeitslosenquote von 9,6 Prozent.

Schwarz-weiße Schleifen im Kongress

Vor dem Hintergrund des Mordanschlags von Tucson vor etwas mehr als zwei Wochen warb Obama für einen zivilen Umgang in der politischen Diskussion. Es sei kein Geheimnis, dass es in den vergangenen zwei Jahren erhebliche Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern gegeben habe, sagte er. Aber der Anschlag von Arizona habe gewahr werden lassen, dass alle Politiker Teile der amerikanischen Familie seien. Obama sagte allerdings auch, dass ein respektvoller Umgang alleine nicht reiche für eine verbesserte politische Zusammenarbeit. In Tucson in Arizona hatte ein 22-Jähriger sechs Menschen getötet und 13 schwer verletzt, darunter auch die demokratische Abgeordnete Gabrielle Giffords.

Als Folge des Anschlags und als symbolisches Bekenntnis zu einem respektvollen Umgang miteinander hatten einige Abgeordnete während der Rede zur Lage der Nation die ansonsten starre Sitzordnung nach Parteizugehörigkeit aufgebrochen und sich vermischt. Viele Abgeordnete trugen zudem schwarz-weiß-gestreifte Schleifen am Revers - als Zeichen des Gedenkens an die sechs Todesopfer des Anschlags. Der Sitz Gabrielle Giffords blieb während der Rede des Präsidenten leer. Die "New York Times" veröffentlichte nach der Rede jedoch ein Foto aus dem Krankenzimmer der Abgeordneten in einer Klinik im texanischen Houston. Es zeigt ihren Mann Mark Kelly, die Schleife am Hemd, der neben einem Krankenbett sitzt und offenbar die Hand seiner Frau hält, während er der Rede Obamas lauscht. Das Gesicht Giffords sieht man auf dem Bild jedoch nicht.

Die Gesundheitsreform streifte er nur kurz

Obama sagte, Amerika habe die schlimmste Rezession seiner jüngeren Geschichte erlebt. Weil sich US-Arbeitskräfte in einer immer schärferen internationalen Konkurrenz mit Ländern wie China oder Indien behaupten müssten, komme es vor allem auf eine verbesserte Innovationskraft und Bildung an. Deshalb müsse in die Forschung, aber auch in die Verbesserung des Schulsystems investiert werden. Konkret kündigte Obama an, verstärkt auf Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien zu setzen - auch, um die Abhängig Amerikas vom Öl zu vermindern. Zudem müsse die Infrastruktur des Landes ausgebaut werden. Das umfasse nicht nur Straßen, sondern auch eine verbesserte Anbindung an Hochgeschwindigkeitszüge und eine verbesserte Struktur der Internetanbindungen. Der Präsident setzt, auch nach seinen ersten, gigantischen Investitionspaketen eindeutig weiter auf staatliche Investitionen, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Gleichzeitig versprach Obama, das schwindelerregende Haushaltsdefizit in den kommenden Jahren zu reduzieren. Er schlug eine Deckelung der Ausgaben vor und versprach, Steuerschlupflöcher schließen zu wollen. Und er kündigte an, bald Vorschläge für eine effizientere Organisation der Bundesregierung vorzulegen. Um die Steuereinnahmen zu erhöhen, sagte Obama, müssten in absehbarer Zeit zudem die Steuererleichterungen für die reichsten zwei Prozent der Amerikaner abgeschafft werden. Aber auch der rhetorische Brückenschlag Obamas dürfte grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen zwischen Demokraten und Teilen der Republikanern nicht überdecken können - vor allem, was die Vorstellung von der Rolle der Regierung betrifft. Während Obama eine verschlankte Regierung als Instrument eines starken Staates sieht, der durch Investitionen die Wirtschaft ankurbelt, begreifen viele Republikaner einen starken Staat als per se verschwenderisch und bedrohlich.

Seine umstrittene Gesundheitsreform streifte der Präsident nur kurz. Auch hier sei er bereit zu Änderungen, die eine erhöhte Effizienz bewirkten, sagte er und kam den Republikanern damit ein Stück entgegen. Aber am Kern der Reform wolle er nicht rütteln. Eine vor allem von Liberalen und Linken geforderte Verschärfung der Waffengesetze erwähnte Obama in seiner Rede nicht.