
Nemmersdorf, Ostpreußen (1944). Das Massaker von Nemmersdorf (heute: Majakowskoje, Russland) ist ein historisch bekanntes Beispiel dafür, dass solche Kriegsverbrechen auch für eigene Propagandazwecke genutzt werden. Bekannt ist, dass die Rote Armee am 21. Oktober in das Dorf einzog, das wegen einer der wenigen Brücken über den Fluss Angerapp an einer strategisch wichtigen Stelle lag. Wegen einer deutschen Gegenoffensive zogen sich die russischen Einheiten zwei Tage später wieder aus dem Dorf zurück. Als die Deutschen Nemmersdorf wieder übernahmen, fanden sie nach heutigen Erkenntnissen zwischen 19 und 30 Leichen vor – in erster Linie 13 Menschen, die am Ausgang vor einem provisorischen Bunker per Kopfschuss hingerichtet wurden. Zudem waren Flüchtlinge erschossen und Frauen vergewaltigt worden. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels beschloss das Ereignis zu nutzen, um die Angst und Abwehrbereitschaft gegenüber "den Bolschewisten" zu stärken. In deutschen Zeitungen erschienen wenig später Berichte unter Schlagzeilen wie "Bestien wüteten in Ostpreußen" (Braunschweiger Zeitung, 27.10.1944). Die darin beschriebenen Details waren weit übersteigert oder erfunden. Auch Fotos wurden gestellt; unter anderem wurde die Kleidung weiblicher Leichen demonstrativ nach oben geschoben, um angebliche Vergewaltigungen zu belegen. Das ohnehin furchtbare Ereignis wurde auf zynische und makabre Weise für eigene Zwecke benutzt.
© Bundesarchiv, Bild 101I-464-0383I-26