Es ist ein historischer Vorgang mit immenser politischer Sprengkraft. Zum ersten Mal überhaupt klagt eine Staatsanwaltschaft einen Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten an. Dieser Ex-Präsident ist der Republikaner und aktuelle Präsidentschaftsbewerber Donald Trump. Die Anklage aus New York gegen ihn sticht auch in anderer Weise heraus: Sie steht im Zusammenhang mit delikaten Vorwürfen gegen den 76-Jährigen. Es geht um mutmaßliche Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels.
Details sind noch nicht bekannt, aber die Anklage von Manhattans höchstem Staatsanwalt Alvin Bragg dreht sich wohl um jene Zahlungen an Daniels und womöglich auch an das Model Karen McDougal in Höhe von 130.000 und 150.000 Dollar. Dieses Geld hatte Trumps Anwalt Michael Cohen kurz vor der US-Präsidentenwahl 2016 überwiesen und dann von der Trump Organization zurückerstattet bekommen. Trump ging damals aus der Wahl als Sieger hervor und zog ins Weiße Haus ein. Die New Yorker Staatsanwaltschaft beschuldigte Cohen 2018, die Zahlungen seien unzulässige Wahlkampfspenden gewesen, weil sie dafür gedacht waren, vor der Wahl Schaden von Trump abzuwenden. Cohen bekannte sich damals schuldig und musste in Haft. Trump streitet die Vorwürfe ab.
Nun geht es wahrscheinlich um die Frage, ob auch Trump gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen hat. Als Präsident hatte er noch Immunität genossen. Ob die Anklage gegen Donald Trump in genau diesem Fall nun der richtige oder der falsche Schritt ist, sehen die führenden US-Medien unterschiedlich.
Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt – diese juristischen Probleme hat er noch am Hals

Die heute 79-jährige Carroll hatte Trump beschuldigt, sie im Frühjahr 1996 in der Umkleidekabine des New Yorker Luxus-Kaufhauses Bergdorf Goodman vergewaltigt zu haben. Öffentlich machte die langjährige Kolumnistin des Magazins "Elle" ihren Vorwurf erst 2019, als Trump Präsident war. Trump bezichtigte Carroll der Lüge und erklärte, sie sei nicht sein "Typ".
Strafrechtlich waren die Vorwürfe verjährt, doch zivilrechtlich konnte Carroll gegen den Milliardär vorgehen, und so verklagte Carroll Trump in New York wegen Verleumdung und im vergangenen November in einer zweiten Klage wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst sowie erneut wegen Verleumdung. Sie verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Weil es sich um einen Zivilprozess und nicht um ein Strafverfahren handelte, drohte Trump keine Gefängnisstrafe.
Für die Geschworenen war der Fall offenbar klar: Nach weniger als dreistündigen Beratungen sprachen sie Carroll fünf Millionen Dollar (rund 4,5 Millionen Euro) zu – zwei Millionen Dollar wegen sexuellen Missbrauchs und drei Millionen Dollar wegen Verleumdung. Ihr Urteil sei für alle Frauen, die ähnliches erlebt hätten, sagte die Autorin nach der Entscheidung. Es gehe ihr nicht um das Geld. Sie habe ihren Namen reinwaschen wollen. Und sie hätte Trump gerne im Zeugenstand vor Gericht gesehen.
Trumps Anwalt Joe Tacopina kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Er verwies unter anderem darauf, dass Carroll Trump stets Vergewaltigung zur Last gelegt habe, die Geschworenen aber lediglich sexuellen Missbrauch anerkannt hätten. Trump selbst reagierte erbost auf den Ausgang des Zivilprozesses. "Dieses Urteil ist eine Schande, eine Fortsetzung der größten Hexenjagd aller Zeiten", wetterte der 76-jährige auf seiner Onlineplattform Truth Social. Mit Blick auf Carroll erklärte Trump: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, wer diese Frau ist."
Vor dem Urteil hatte der Ex-Präsident fälschlicherweise behauptet, er habe sich in dem Verfahren nicht "verteidigen" dürfen. Trump war dem Prozess aus eigenen Stücken ferngeblieben, zu einem Erscheinen vor Gericht war er nicht verpflichtet. Trump war während des Prozesses sogar zu einem Golfplatz in Schottland gereist, der ihm gehört.
US-Kommentare zur Anklage gegen Donald Trump
Los Angeles Times: "Unabhängig vom Ausgang dieses oder eines anderen Strafverfahrens hat sich Trump selbst von jeder Erwägung als Kandidat für das Amt, das er beschmutzt hat, disqualifiziert. Das gilt unabhängig vom Ausgang dieses Strafverfahrens.
Denjenigen, die meinen, dass die Anklage gegen einen ehemaligen Präsidenten das Amt des Präsidenten in irgendeiner Weise bedroht, möchten wir entgegenhalten, dass nichts das Präsidentenamt und die Nation so sehr bedrohen würde wie die Wahl von Trump im Jahr 2024. Er ist ein zweimal angeklagter Narzisst, dessen selbstsüchtige Unwahrheiten über eine gestohlene Wahl einen Terroranschlag auf das US-Kapitol inspirierten.
Verurteilt oder freigesprochen, Trump darf nicht ins Weiße Haus zurückkehren. Die Republikanische Partei und, falls erforderlich, die Wähler können dieses Unheil verhindern, unabhängig davon, wie die Richter und Geschworenen entscheiden werden."
New York Post: "Trump sieht sich mit Untersuchungen konfrontiert, die unserer Meinung nach weitaus schwerwiegender sind: sein Verhalten am 6. Januar und sein Druck auf Georgia, um 'Stimmen' für ihn zu finden.
Der Fall Stormy Daniels ist eine Luftnummer, die Amerika nur davon überzeugt, dass unser Rechtssystem voreingenommen und politisiert ist.
Dass Bragg das nicht sehen konnte – oder es ihm egal war – zeigt, was für ein schlechter Staatsanwalt er ist."
New York Times: "Die Entscheidung, einen ehemaligen Präsidenten strafrechtlich zu verfolgen, ist eine ernste Aufgabe – insbesondere angesichts der tiefen nationalen Gräben, die Herr Trump mit dem Näherrücken des Wahlkampfs 2024 unweigerlich noch vergrößern wird. Aber der Preis dafür, es zu unterlassen, Gerechtigkeit gegen einen Führer zu suchen, der diese Verbrechen begangen haben könnte, wäre noch höher."
Wall Street Journal: "Die Gefahr für Amerika ist der Präzedenzfall, den diese Anklage schafft. Herr Bragg sprengt eine politische Norm, die seit 230 Jahren gilt. Sobald ein ehemaliger Präsident und jetziger Kandidat angeklagt wird, wird irgendein lokaler republikanischer Staatsanwalt versuchen, sich einen Namen zu machen, indem er das Gleiche mit einem Demokraten tut. Die US-Demokratie wird weiter missbraucht und geschädigt werden. Herr Bragg, der fortschrittliche Provinzler, setzt Kräfte frei, die wir alle noch bedauern werden."

Washington Post: "Verstöße gegen das Gesetz zur Wahlkampffinanzierung untergraben die Demokratie und verdienen es, ernst genommen zu werden. Jedoch sollten auch die möglichen Schattenseiten einer Anklage gegen Trump ernst genommen werden. Diese Klage wird zwangsläufig der Präzedenzfall für jeden ehemaligen Präsidenten werden, und natürlich auch für alle Verfahren gegen ebendiesen Ex-Präsidenten – von denen es reichlich gibt. Weitere laufende Ermittlungen umfassen Untersuchungen des Justizministeriums zum (Sturm auf das US-Kapitol am) 6. Januar 2021 und zu Geheimdokumenten, die in (Trumps Anwesen) Mar-a-Lago entdeckt wurden (...). Ein Scheitern der Anklage wegen der Schweigegeldzahlung könnte sie alle gefährden und Trump Munition für seine 'Hexenjagd'-Vorwürfe liefern (...). Diese Anklage muss hieb- und stichfest sein. Sonst lohnt es sich nicht, sie weiter zu verfolgen."
Quellen: DPA, "Los Angeles Times", "New York Post", "New York Times", "Wall Street Journal", "Washington Post".