Nach dieser Woche voller Corona-Probleme und damit verbundener Glücklosigkeiten konnte Donald Trump gute Nachrichten dringend gebrauchen. Und er bekam sie: Das Justizministerium lässt das Strafverfahren gegen Michael Flynn fallen, den Kurzzeit-Sicherheitsberater des US-Präsidenten. Der umtriebige Ex-General war eine Schlüsselfigur in der Russland-Affäre. Die hatte Trump zu Beginn seiner Amtszeit stark belastet und entsprechend euphorisch feierte er nun den de-facto-Freispruch: "Er war ein unschuldiger Mann und ich denke, er ist ein Held", sagte das US-Staatsoberhaupt begeistert.
Willkommener Sieg? Pustekuchen
Donald Trump hätte es dabei belassen können und die von der Opposition heftig kritisierte Entscheidung als willkommenen Sieg auskosten können. Aber das ist nicht nach Art des Mannes im Weißen Haus. In auch für seine Verhältnisse harschen Worten, kübelte Trump einen Schwall von Beleidigungen über die verantwortlichen Ministeriumsmitarbeiter aus, die aus der Zeit von Vorgänger Barack Obama stammen: Sie seien "menschlicher Abschaum" und hätten "Verrat" begangen. Flynn sei das Opfer der Machenschaften von "dreckigen, widerlichen Bullen an der Spitze" des FBI und er hoffe "viele Leute werden einen hohen Preis bezahlen".
Dass sich die Causa Flynn so entwickeln würde, war lange Zeit nicht absehbar. Er soll das FBI und Vizepräsident Mike Pence angelogen haben, Trump musste ihn entlassen. Später zog er sein Geständnis wieder zurück, vermutlich weil ihm signalisiert worden war, dass er mit Gnade aus dem Weißen Haus rechnen könne. Und dann tauchte jüngst eine FBI-Notiz auf, die sich las, als wolle die Bundespolizei ihn reinlegen. Kurzum: Mit Flynn begann nach nur drei Wochen Trumps erste große Affärenphase, die Russland-Ermittlungen. Nun scheint sich das Kapitel zu erledigen. Umso größer nun Trumps Erleichterung.
Journalisten zwingen, Preise zurückzugeben
Und wo er schon beim leidigen Thema Russland war, forderte er im Zuge seiner Triumphtirade noch, dass Journalisten, die über die russische Einflussnahme auf die US-Wahl 2016 berichtet hatten, die Pulitzerpreise aberkannt bekommen sollten. Nicht zum ersten Mal. "Sie sind keine Journalisten. Sie sind Diebe", zeterte Trump im Weißen Haus weiter. Einige von ihnen hätten über Jahre versucht, ihn "reinzulegen", und sie "sollten gezwungen werden, diese Pulitzerpreise abzugeben. Eine Schande. Alles Fake News".
Da ist er also wieder, der ungeschönte Donald J. Trump, der selbst im Augenblick der Genugtuung keine Zurückhaltung kennt. Viele verachten den US-Präsidenten dafür, aber erstaunlich viele lieben dennoch. Oder genau deswegen.
Zwar sehen seine Umfragewerte nicht gut aus, aber das haben sie ohnehin noch nie getan. Nur sind sie eben auch nie ins Bodenlose abgerutscht. Auch jetzt nicht, mitten in der Coronakrise, für die er mitverantwortlich gemacht wird. 44 Prozent der Amerikaner sind weiterhin zufrieden mit seiner Amtsführung. Hinter Joe Biden, dem designierten Präsidentschaftskandidaten der Opposition, liegt er laut den Demoskopen zwar zurück, aber auch nicht mehr oder hoffnungsloser als damals vor vier Jahren als die Konkurrentin Hillary Clinton hieß.
Tote und Infizierte nur ein Problem
Noch, muss man vielleicht sagen, denn die Corona-Pandemie wütet weiter vor sich hin und sie erreicht langsam aber sicher das Landesinnere, die dünn besiedelten Bundesstaaten, dort wo die meisten Trump-Wähler leben. Sollte das Virus im Kernland seiner Anhänger ebenso gnadenlos zuschlagen, wie es das bereits in den Küstenregionen getan hat, könnte die Begeisterung über den Präsidenten vielleicht doch noch umschlagen. Zumal die Infektionswelle nur das eine Problem ist. Denn außer den 75.000 Todesopfern und den 1,2 Millionen Infizierten, gibt es noch die 33 Millionen Menschen, die zuletzt ihren Job verloren haben. Die Arbeitslosenquote liegt bei 14,7 Prozent, Berater im Weißen Haus befürchten, dass sie die 20-Prozent-Marke erreichen könnte. Das sind nicht nur für USA ungeheuerliche Zahlen.
Angesichts der vielleicht schlimmsten Lage am Arbeitsmarkt seit fast 100 Jahren würde jeder US-Präsident nervös werden. Doch Trump fürchtet den Konjunktureinbruch auch deswegen, weil die bislang florierende Wirtschaft sein größter Erfolg war und Wirtschaft generell das mit Abstand wichtigste Wahlkampfthema in den USA ist. Um das Business wieder in Schwung zu bringen, stimmt er das Volk auf das Endes des Lockdowns ein: "Es ist ein großer Moment in unserer Geschichte, weil wir unser Land wieder öffnen", verkündete er per Video-Botschaft auf Twitter. Wie genau, verriet er nicht, nur dass es auf "sichere Weise" geschehen werde. Laut der "New York Times" aber sollen Regierungsbeamte einen entsprechenden Richtlinien-Entwurf von der Gesundheitsbehörde CDC für Schulen, Restaurants und Kirchen abgelehnt haben. Es bestünde die Sorge, dass die Empfehlungen einen zu starken Vorschriftscharakter hätten, religiöse Rechte verletzten und der Wirtschaft weiter schaden könnten, berichtet die Zeitung.
Erster Corona-Fall im Weißen Haus
Außer der noch nicht ganz ausgereiften Wiederöffnungsstrategie, hat das Virus nun auch das engste Umfeld des US-Präsidenten erreicht. Ein Mitglied der US-Navy, das im Weißen Haus arbeitet, ist positiv getestet worden. Trump selbst will aber nur sehr wenig Kontakt mit dem Mitarbeiter gehabt haben, sagt er. Die Tests im Weißen Haus würden täglich und nicht nur wöchentlich gemacht. Und die Corona-Tests in den USA, so der US-Präsident, seien die "besten Tests der Welt".
Fast schon Routine sind Trumps Unhöflichkeiten gegenüber China, das seiner Ansicht nach für die Corona-Pandemie verantwortlich ist. Womöglich sei in einem Forschungslabor in der Stadt Wuhan ein "schrecklicher Fehler" geschehen, mutmaßte er. "Wahrscheinlich war es Inkompetenz, jemand war dumm." Der US-Präsident hat bereits mehrfach behauptet, er habe Hinweise, dass das Virus aus jenem chinesischen Labor stamme. Zwar verbreitet auch US-Außenminister Mike Pompeo die gleiche Vermutung, räumt aber ein, keine Gewissheit darüber zu haben. China weist die Anschuldigungen vehement zurück und auch die Forschung glaubt nicht, dass das Virus aus einem Labor stamme.
Donald Trump mault ungerührt weiter
In der 171. Woche seiner Regentschaft hat Donald Trump eine Schutzmaskenfabrik besucht und dabei auf das Tragen eines Mundschutzes verzichtet. Er hat ein neues Wirtschaftswunder angekündigt und China wegen des Umgangs mit dem Coronavirus beschimpft. Er hat seine Corona-Task-Force aufgelöst und die Auflösung wieder rückgängig gemacht. Er hat seinen obersten Epidemiologen Anthony Fauci untersagt, vor den "Trump-Hassern" im Repräsentantenhaus auszusagen und nebenbei bestritten, etwas mit einem angeblichen Staatsstreichversuch in Venezuela zu tun zu haben. Er hat eingeräumt, dass ihn die Coronakrise nicht schlafen lasse. Am Ende der 171. Woche kommt ihn das Justizministerium in der Flynn-Sache entgegen, doch der US-Präsident mault ungerührt weiter. Und der Wahlkampf hat noch nicht einmal richtig begonnen.
Quellen: "The Atlantic", Realclearpolitics, 538, Johns Hopkins Universität; DPA, AFP, CNN, "New York Times"