War es das mit der Nato-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands zur Nato? Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nun explizit ausgesprochen, was ohnehin schon länger befürchtet worden war: Dass sein Land kein grünes Licht für den Beitritt der beiden skandinavischen Staaten zum Militärbündnis geben werde. Konkreter Anlass ist eine Koran-Verbrennung in Stockholm. "Wenn ihr der türkischen Republik oder dem religiösen Glauben der Muslime keinen Respekt zollt, dann könnt ihr von uns in Sachen Nato auch keine Unterstützung bekommen", sagte Erdogan jetzt Ankara.
Was war in Schweden vorgefallen?
Am Wochenende hatten in der schwedischen Hauptstadt rund 100 Rechtsextreme vor der türkischen Botschaft protestiert. Der aus Dänemark stammende rechte Aktivist Rasmus Paludan von der islam- und einwanderungsfeindlichen Partei Stram Kurs (Strammer Kurs), hatte nach einer Rede eine Ausgabe des Koran mit einem Feuerzeug angezündet. Zuvor war zudem ein Video aufgetaucht, das eine an den Füßen aufgehängte Puppe zeigte, die Erdogan ähnelte. Dazu hatten sich schwedische Kurden bekannt.
Wie fallen die Reaktionen in der muslimischen Welt aus?
Die Aktion hat in Teilen der islamischen Welt Empörung ausgelöst. So verurteilt der Staatenbund "Organisation für Islamische Zusammenarbeit" die "provokative Aktion", welche die "heiligen Werte" der Muslime verletze. In vielen Ländern gingen Menschen auf die Straße. In der irakischen Hauptstadt kam es vor der schwedischen Botschaft zu Ausschreitungen, bei denen acht Menschen verletzt wurden. Bereits vor der Koranverbrennung hatte die Türkei den schwedischen Botschafter in Ankara einbestellt, um die "provokative Aktion zu verurteilen". Nach der Aktion twitterte der Sprecher Erdogans die Demonstration trotz "all unserer Warnungen" zu erlauben, entspreche einer "Ermutigung zu Hassverbrechen und Islamophobie". Ein geplanter Türkei-Besuch des schwedischen Verteidigungsministers wurde abgesagt.
Warum hat das Auswirkungen auf die Nato?
Alle 30 Nato-Mitglieder müssen die Anträge Schwedens und Finnland auf Nato-Mitgliedschaft ratifizieren, 28 haben das bereits getan – nur die Türkei sowie Ungarn fehlen noch.
Wie reagiert Schweden?
Ministerpräsident Ulf Kristersson verurteilte die Aktion des Rechtsextremisten als "zutiefst respektlos", unterstrich jedoch zugleich, dass die Meinungsfreiheit ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie sei. "Ich möchte allen Muslimen meine Sympathie ausdrücken, die davon verletzt sind, was in Stockholm passiert ist", schrieb er auf Twitter. "Bücher zu verbrennen, die heilig sind, ist eine zutiefst respektlose Aktion", erklärte er. "Die Meinungsfreiheit ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie. Aber was legal ist, ist nicht notwendigerweise angemessen." Über die Nato-Absage hat sich Schwedens Regierung zunächst nicht geäußert. Außenminister Tobias Billström wolle zunächst genau verstehen, was gesagt worden sei, teilte er der schwedischen Nachrichtenagentur TT mit.
Woran hakt es in den schwedisch-türkischen Beziehungen?
Das Nato-Mitglied Türkei blockiert seit Monaten die Aufnahme Schwedens und Finnlands in das Verteidigungsbündnis. Die Türkei wirft vor allem Schweden unter anderem Unterstützung von "Terrororganisationen" wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vor und fordert die Auslieferung etlicher Personen, die Ankara als Terroristen betrachtet.
Was sagt die Nato?
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Drohung Erdogans zurückgewiesen. Bislang habe sich die Türkei in der Nato-Beitrittsdebatte recht kooperativ gezeigt, die Ratifizierung der Beitrittsprotokolle dürfe nun nicht auf den letzten Metern scheitern. Zudem sei die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, wie er sagte. Er sei gegen diese Art von Beleidigungen und "absolut gegen das Verhalten, was wir auf den Straßen von Stockholm erlebt haben", sagte Stoltenberg im TV-Sender der Welt. Es sei aber nicht illegal gewesen. "Denn die Meinungsfreiheit ist nun mal stark verankert, ist ein großes, hohes Recht."
Finnland will in die Nato. Auf den Ernstfall bereitet es sich schon lange vor – mit einer unterirdischen Stadt

Wie reagiert Finnland?
Nach den Aussagen Recep Tayyip Erdogans zeigt sich der direkte Nachbar Russlands erstmals offen, dem Bündnis unter Umständen auch ohne Schweden beizutreten. Finnland könnte gezwungen sein, einen Nato-Beitritt ohne seinen langjährigen Verbündeten Schweden in Betracht zu ziehen, sagte Außenminister Pekka Haavisto. Natürlich sei es mit Blick auf die Sicherheit der beiden Länder nach wie vor die absolut erste Option, weiter gemeinsam voranzukommen. Allerdings sei noch zu früh, dazu Stellung zu beziehen.
Hat Erdogans Nein etwas mit der Präsidentschaftswahl zu tun?
Recep Tayyip Erdogan will die im Juni geplante Präsidentschafts- und Parlamentswahlen um rund einen Monat auf den 14. Mai vorziehen. Die Abstimmung gilt als Bewährungsprobe für das seit 20 Jahren amtierenden Regierungschef, beziehungsweise Staatsoberhaupt. Der Konflikt mit Schweden könnte auch dazu dienen, um mit einem Außenkonflikt von der für ihn eher ungünstigen innenpolitischen Lage abzulenken.
Quellen: DPA, AFP