Der Gesprächsdraht zwischen Barack Obama und Angela Merkel war in den vergangenen Monaten ziemlich eingerostet. Das letzte bekannte Telefonat im Oktober verlief in eher ungemütlicher Atmosphäre, als die Bundeskanzlerin den US-Präsidenten wegen der Überwachung ihres Mobiltelefons durch den Geheimdienst NSA zur Rede stellte. Nun griff Obama zum Hörer und lud Merkel nach Washington ein. Die NSA-Affäre war bei dem Telefongespräch am Mittwoch offiziell zwar kein Thema. Doch der vereinbarte Besuch der Kanzlerin in der US-Hauptstadt ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die transatlantischen Partner zusammenraufen wollen.
"Das ist der beste Weg, um zu versuchen, die Unstimmigkeiten aus dem Weg zu räumen", sagt Steve Szabo, Direktor des Washingtoner Instituts Transatlantic Academy. Der Wille beider Regierungen zur Versöhnung stehe in "scharfem Kontrast" zu der Eiszeit im transatlantischen Verhältnis vor zehn Jahren, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Obamas Vorgänger George W. Bush wegen des Irakkriegs über Kreuz lag.
Die dürren Erklärungen des Weißen Hauses und der Bundesregierung verraten wenig, der Wortlaut lässt aber auf eine Entspannung zwischen Merkel und Obama schließen: Der Präsident habe der CDU-Politikerin zur Bildung ihrer neuen Regierung gratuliert und ihr eine schnelle Genesung nach ihrem Skiunfall während des Weihnachtsurlaubs gewünscht, hieß es. Merkel, die wegen der beim Langlauf in der Schweiz zugezogenen Beckenverletzung derzeit nur eingeschränkt transportfähig ist, nahm die Einladung für einen Washington-Besuch "in den kommenden Monaten" an.
Bei dem Telefongespräch erörterten die beiden Politiker den Angaben zufolge "die zentralen transatlantischen Aufgaben für 2014", darunter die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union sowie der NATO-Gipfel im September. Ob auch die NSA-Affäre zur Sprache gekommen sei, wollte Obamas Sprecher Jay Carney beim täglichen Pressebriefing nicht verraten. Auf die Frage eines Journalisten, ob der Präsident die Kanzlerin denn auf dem Handy angerufen habe, antwortete Carney unter Gelächter, dass Obama ausländische Spitzenpolitiker selbstverständlich auf dem Festnetz erreiche.
Obama feilt an Geheimdienstreform
Die Reparatur des deutsch-amerikanischen Verhältnisses ist auch von großer Bedeutung für die seit Sommer laufenden Freihandelsgespräche. Die Bundesregierung gilt als einer der wichtigsten Verbündeten Washingtons in der EU, wenn es um den Abbau von Zoll- und Handelsschranken geht. Die US-Regierung hat bis heute nicht offiziell eingeräumt, dass ihre Geheimdienste in der Vergangenheit Merkels Handy ins Visier genommen haben. Das Weiße Haus erklärte lediglich, dass die NSA die Kommunikation der Kanzlerin "nicht überwacht und nicht überwachen wird". Außerdem muss Obama noch konkret darlegen, wie eng er die Geheimdienste beim Ausspähen von E-Mails und Telefonverbindungen tatsächlich an die Leine nehmen will. Signale aus Regierungskreisen in Washington deuten jedenfalls darauf hin, dass die deutschen Forderungen nach einem umfassenden No-Spy-Abkommen unerfüllt bleiben dürften.
Der US-Präsident kam am Mittwoch im Weißen Haus zu Beratungen mit Vertretern der Geheimdienste sowie mit Datenschützern zusammen, um an der noch in diesem Monat erwarteten Geheimdienstreform zu feilen. Eine von Obama im Vorjahr eingesetzte Kommission hatte dazu bereits eine Reihe von Vorschlägen und Empfehlungen erarbeitet, darunter auch Einschränkungen beim Ausspionieren ausländischer Politiker.