Fünf Meter hoch und so lang wie gesamte Landesgrenze zwischen Griechenland und der Türkei: der neue Stahlzaun soll die beiden Staaten effektiv voneinander trennen. Die griechische Regierung will seinen Grenzzaun derzeit auf einem 35 Kilometer langen Stück entlang des Flusses Evros (türkisch: Meric) bauen und diesen so der Reihe nach erweitern. Außerdem sollen zusätzlich 250 Grenzschutzbeamte eingestellt werden. Den Ausbau seines Grenzschutzes lässt sich Athen rund 100 Millionen Euro kosten.
Denn es soll niemand mehr illegal Griechenland und damit EU-Territorium betreten können – auch Erdbebenopfer aus der Türkei oder Syrien nicht. Europa werde seine Grenzen für Wirtschaftseinreisende nicht "auf unorganisiertem Weg" öffnen, sagte der griechische Migrationsminister, Notis Mitarakis, in einem Interview mit der griechischen Zeitung "Ethnos". Somit werde Griechenland weiterhin die Außengrenzen der EU schützen. "Unser Land und Europa können Menschen unterstützen, die Katastrophen erlitten haben. In der Türkei haben wir es mit einer humanitären Krise zu tun. Diese kann nicht durch Massenbewegungen von Millionen von Menschen gelöst werden, sondern durch die Bereitstellung humanitärer Hilfe", so Mitarakis.
Tatsächlich war Griechenland eines der ersten Länder, das nach den verheerenden Erdbeben am 6. Februar Rettungskräfte in die türkische Krisenregion schickte. Zudem brachte das Nachbarland der Türkei bereits über 100 Tonnen Hilfsmittel ins Erdbebengebiet. Doch anders als für ukrainische Flüchtlinge öffnet Griechenland seine Grenze nicht für Erdbebenopfer aus der Türkei und Syrien. Betroffenen stehen aber ohnehin nicht Europas Grenzen zur unkontrollierten Einreise offen. Zum Beispiel haben die deutschen Behörden das entsprechende Verfahren für Betroffene zwar vereinfacht, trotzdem benötigen Einwanderer auch hier nach wie vor ein Visum. Dem griechischen Migrationsminister zufolge habe man bisher allerdings keine Flüchtlingsbewegung von Erdbebenopfern in Richtung Griechenland registriert. Es sei aber wahrscheinlich, dass es zu solchen Bewegungen kommen werde.
Griechenland baut Grenzschutz seit Jahren aus
Der Ausbau des Grenzschutzes in Griechenland hat nicht erst mit den schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien begonnen. Bei der großen Flüchtlingskrise in Europa im Jahr 2015 wurden über eine Million Migranten gezählt, die meisten von ihnen kamen über die sogenannte Balkanroute nach Westeuropa – über Griechenland, Nordmazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich. Die betroffenen Länder verschärften ihre Grenzkontrollen oder verhinderten gar eine Einreise. Etwa baute Österreich einen Grenzzaun und auch Nordmazedonien schloss seine Grenze zu Griechenland. Damit blieben die geflüchteten Menschen schließlich in Griechenland. Und Athen wusste nicht, wo sie untergebracht werden sollen, zumal das krisengebeutelte Land den Migranten kaum eine Perspektive bieten konnte.
Im Februar 2020 gab es heftige Spannungen zwischen der EU und der Türkei, als sich tausende Migranten auf der türkischen Seite der Grenze ansammelten und nach Griechenland weiterreisen wollten. Es kam zu Ausschreitungen, nachdem die Türkei erklärt hatte, die Grenze zur Griechenland sei offen. Laut mehreren Augenzeugenberichten stürmten hunderte Migranten den Grenzzaun und warfen unter anderem Brandflaschen und Steine auf die Beamten auf der griechischen Seite. Diese wiederum reagierten mit Tränengas. Griechische Medien sprachen von einem "Invasionsversuch durch Flüchtlinge".
Grenzbeamte aus mehreren europäischen Ländern reisten nach Griechenland und unterstützten die griechischen Beamten an der Grenze, die europäische Grenzschutzagentur Frontex stockte ihr Personal auf. Auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reiste in die Grenzregion, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Daraufhin beschloss die Regierung in Athen, den bestehenden Zaun auszubauen. In den vergangenen Jahren hat man einen 37,5 Kilometer langen Stahlzaun entlang seichter Stellen des Grenzflusses gebaut.
Streit mit Türkei über Migration
Die Flüchtlingsfrage sorgt immer wieder für Streit zwischen Griechenland und der Türkei. Nichtregierungsorganisationen und Medien beschuldigen die griechische Regierung regelmäßig, Migranten rechtswidrig in die Türkei zurückzudrängen (Pushbacks). Athen bestreitet dies und wirft der Türkei wiederum vor, die Flüchtlingsfrage für sich zu instrumentalisieren und Menschen gezielt nach Griechenland zu lenken. Vergangenen Oktober sorgten Bilder von dutzenden nackten Männern an der griechisch-türkischen Grenze für Entsetzen. Sie sollen nackt und teils verletzt über die Grenze geschleust worden sein.
Nach wie vor kommen Geflüchtete über den Land- sowie den Seeweg nach Griechenland. Immer wieder kommt es zu Unglücken. Erst am Sonntag ereignete sich vor Kalabrien, im Süden Italiens, ein schweres Bootsunglück. 64 Menschen starben, ungefähr 20 werden noch vermisst. Sie hatten ihre Reise offenbar von der türkischen Küste gestartet, als ihr Boot nahe des Ufers von Crotone bei heftigem Seegang an einem Felsen zerschellte.
Flüchtlingsfrage "ein Problem der EU"
"Griechenland hält keine Experimente mehr aus", erklärt Mitarakis in Bezug auf die Flüchtlingskrise von 2015. Es sei entscheidend in Europa, so der griechische Migrationsminister, "dass wir entscheiden, welche Art von Migrationspolitik wir wollen. Wir müssen den Menschen, die Schutz brauchen, Asyl bieten – aber auf organisierte Weise." Auf Menschenschmuggel müsse man reagieren – "auch mit Zäunen, wo dies nötig ist", sagt der konservative Politiker, in dessen Land den Plänen nach Anfang April Parlamentswahlen stattfinden werden.
Die Minister aus 15 EU-Mitgliedsstaaten, darunter Griechenland, Zypern, Österreich, Polen, Lettland, Litauen und Estland, haben sich deshalb vergangene Woche zu einer zweitägigen Konferenz in Athen getroffen. Sie fordern einen umfangreicheren Grenzschutz. In einer gemeinsamen Mitteilung rufen sie die EU-Kommission dazu auf, "ausreichend finanzielle Unterstützung" für die Staaten bereit zu stellen, deren Grenzen die EU-Außengrenzen bilden. Außerdem müsse die Unterstützung der Frontex erweitert werden, heißt es. Denn die Flüchtlingsfrage sei "ein Problem der EU", stellt Mitarakis klar. Und: "Die Flüchtlingsströme aus der Türkei betreffen nicht nur Griechenland." Sie hätten vor allem in Zypern und Bulgarien und in den vergangenen zwei Jahren in Italien zu Problemen geführt. Oftmals versuchen Migranten von hier aus, weiter nach Westeuropa zu gelangen.
Satellitenbilder zeigen das Ausmaß der Erdbebenkatastrophe in der Türkei

Um die Zuwanderung zu kontrollieren, errichtet Griechenland also einen Grenzzaun an der griechisch-türkischen Grenze aus. Er soll eine Gesamtlänge von 140 Kilometer haben.
Quellen: Griechisches Ministerium für Migration und Asyl, Ministerium für Bürgerschutz, Ethnos, mit Material der dpa