Noch gibt es keine offizielle Bestätigung für den Tod von Söldnerführer Jewgeni Prigoschin. Allerdings hat der Telegram-Kanal Grey Zone, den Prigoschin zur Verbreitung seiner Videos genutzt hat, den Tod des Chefs der Privatarmee Wagner gemeldet. Auf einer Passagierliste, die von der Luftfahrtbehörde Rosawiazija veröffentlicht wurde, steht Prigoschins Name und auch der des offiziellen Wagner-Kommandeurs Dmitri Utkin. Alle zehn Insassen seien ums Leben gekommen, teilte der russische Zivilschutz mit.
Angesichts der sich verdichtenden Anzeichen für Prigoschins Tod gibt es auch bereits erste Reaktionen aus der Politik. "Dass Prigoschin seinen Angriff auf Putin mit dem Leben bezahlen wird, davon war auszugehen", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und sprach mit Blick auf Prigoschin von einem "Teufel, der sich mit dem Teufel einlässt". Es zeige aber auch, "dass offensichtlich große Nervosität bei Putin und seinen Schergen im Kreml herrscht", fügte sie hinzu.
CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter vermutet, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Tod des Wagner-Chefs beauftragt hat. "Es war eine Frage der Zeit", sagte er in der Sendung "RTL Direkt" am Mittwochabend. "Dass es jetzt so rasch ging (...) und auch noch zehn weitere Tote in Kauf genommen wurden, zeigt die Brutalität des Systems Putin", erklärte er.
Prigoschins Tod: Auch eine Warnung für Deutschland?
Die mutmaßliche Ermordung Prigoschins sei eine "Warnung" auch für Deutschland, betonte Kiesewetter. "Wir müssen uns im Klaren sein, dass dieses System nicht verhandelt (...) und nur die Sprache der Stärke versteht."
Der CDU-Außenpolitiker und Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen sieht Präsident Putin auch nach dem Tod Prigoschins geschwächt. "Entweder Putin oder Prigoschin – das blieb die Lage auch nach dem abgesagten Putsch", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ob die von Putin enthauptete Wagner-Gruppe sich nun erst recht zur Rebellion formiert oder sich führungslos fügt, ist eine offene Frage. Das Machtsystem Putins aber hat Risse bekommen, und das kann er nicht mehr stoppen."
Baerbock warnt vor Spekulationen
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnte vor Spekulationen. Der Flugzeugabsturz sei erst einige Stunden her, deswegen könne man "keine schnellen Schlüsse ziehen", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag im Deutschlandfunk. Der Vorfall unterstreiche aber, "dass ein System, dass eine Macht, dass eine Diktatur, die auf Gewalt gebaut ist, dass sie eben auch intern nur Gewalt kennt". Das habe man "auf traurige, dramatische Art und Weise in den Vorjahren schon gesehen, wo Oppositionelle, wo Journalisten, wo einfache Menschen aus dem Fenster gefallen sind oder vergiftet worden sind".
Nach Ansicht des ukrainischen Präsidentenberaters Michailo Podoljak hat Prigoschin mit seinem abgebrochenen Marsch auf Moskau im Juni sein "Todesurteil" unterschrieben. "Prigoschin hat in dem Moment, als er 200 Kilometer vor Moskau stehen blieb, sein eigenes Todesurteil unterschrieben", sagte Podoljak der "Bild"-Zeitung. Der Aufstand habe Putin "erschreckt". "Putin verzeiht niemandem seine eigene Angst", fügte er hinzu.
Auch US-Präsident Joe Biden ließ sich auf eine erste vorsichtige Einschätzung ein. Er wisse nicht genau, was passiert sei, sei aber nicht überrascht, sagte Biden am Rande eines Urlaubs im US-Bundesstaat Kalifornien. Auf die Frage von Reportern, ob der Absturz seiner Ansicht nach auf das Konto Putins gehe, sagte Biden: "Es gibt nicht viel, was in Russland passiert, hinter dem Putin nicht steckt." Er wisse aber nicht genug, um die Frage beantworten zu können.
Die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja schrieb im Onlinedienst X (vormals Twitter), den "Verbrecher Prigoschin" werde in Belarus "niemand vermissen". Er sei "ein Mörder" gewesen und "sollte als solcher in Erinnerung bleiben". Zudem werde "sein Tod" womöglich "die Präsenz der Wagner-Gruppe in Belarus auflösen und die Bedrohung für unser Land und unsere Nachbarn verringern".