Bei einem Großangriff des israelischen Militärs auf Dschabalia im Norden des Gazastreifens sind zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Wie viele der Toten Zivilisten sind, darüber gibt es unterschiedliche Angaben.
Nach Angaben des israelischen Militärs wurden bei dem Schlag am Dienstag rund 50 Terroristen getötet, darunter ein Drahtzieher des Massakers der islamistischen Hamas in Israel vom 7. Oktober. Das von der radikalislamischen Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium spricht ebenfalls von mindestens 50 Toten. 150 weitere Menschen seien bei der Bombardierung des Flüchtlingslagers Dschabalia im Norden des Palästinensergebiets verletzt worden, erklärte das Gesundheitsministerium am Dienstag. Die Hamas behauptet auch, sieben von ihr aus Israel verschleppte Geiseln seien bei dem Luftangriff getötet worden. Unter ihnen seien drei Geiseln mit ausländischen Pässen, erklärte die Palästinenserorganisation am Mittwoch. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Laut einem Arzt des Kamal-Adwan-Krankenhauses kamen mindestens 35 Menschen bei dem Angriff ums Leben, darunter auch Kinder und Frauen. Zudem seien mehr als 200 Verletzte in die Klinik eingeliefert worden, sagte Hussam Abu Safija der Deutschen Presse-Agentur.
"Das ist die Tragödie des Krieges"
Die israelische Armee bestätigte einen Angriff auf Dschabalia. Auf die zivilen Opfer des Großangriffs angesprochen, sagte ein Sprecher der israelischen Armee dem US-Fernsehsender CNN: "Das ist die Tragödie des Krieges."
Auf Aufnahmen aus der bombardierten Stadt sind große Krater und völlig zerstörte Häuser zu sehen. Palästinenser suchen in den Trümmerbergen nach Überlebenden und Leichen. Auf Videoaufnahmen der Nachrichtenagentur AFP war zu sehen, wie mindestens 47 Leichen aus den Trümmern geborgen wurden.
Das israelische Militär sprach von einem "groß angelegten Angriff" auf eine "militärische Hochburg der Hamas" im Westen der Stadt. Dort seien unter anderem Terroristen ausgebildet worden. Neben Bodentruppen seien auch Kampfflugzeuge an dem Angriff beteiligt gewesen.
Das "Dschabalia-Batalillon" der Hamas habe zivile Gebäude in der Stadt Gaza besetzt, erklärte die israelische Armee weiter. Durch den Angriff seien die Kommandostruktur der Hamas und ihre Fähigkeit zu Angriffen auf israelische Soldaten beschädigt und "unterirdische Terror-Infrastruktur" unter den Gebäuden zerstört worden.
Israel: Drahtzieher der Hamas-Massaker unter Toten
Bei dem Einsatz wurde demnach der Hamas-Kommandeur Ibrahim Biari getötet, der den Angaben nach unter anderem an den Hamas-Massakern im israelischen Grenzgebiet vom 7. Oktober beteiligt gewesen war. Dieser habe sich – wie für die Hamas üblich – zwischen Zivilisten versteckt. Die islamistische Organisation habe in der Gegend die Kontrolle über zivile Gebäude gehabt, hieß es weiter. Unterdessen kamen bei Kämpfen mit der Hamas auch zwei israelische Soldaten ums Leben. Die beiden 20 Jahre alten Männer seien am Dienstag im Norden des Küstengebiets ums Leben gekommen, hieß es.
Krieg im Nahen Osten: Tote und Trauer in Israel und Gaza

UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich "zutiefst beunruhigt" über die Verschärfung des Konflikts. Dazu gehörten die Ausweitung der Bodenoperationen der israelischen Streitkräfte genauso wie intensivierte Luftangriffe und der anhaltende Raketenbeschuss aus Gaza auf Israel, teilten die Vereinten Nationen am Dienstag in New York mit. Guterres forderte erneut einen humanitären Waffenstillstand und ungehinderten Zugang von Hilfskräften in den Gazastreifen.
Südamerikanische Länder verurteilen Israels Vorgehen
Bolivien brach unterdessen die diplomatischen Beziehungen zu Israel wegen dessen Angriffen auf den Gazastreifen ab. Das südamerikanische Land habe die Entscheidung "in Ablehnung und Verurteilung der aggressiven und unverhältnismäßigen israelischen Militäroffensive im Gazastreifen und der Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit" getroffen, erklärte das Außenministerium am Dienstag.

Gleichzeitig beorderten die südamerikanischen Länder Chile und Kolumbien ihre Botschafter für Konsultationen zurück. "Chile verurteilt die Militäroperation im Gazastreifen auf das Schärfste und stellt mit großer Besorgnis fest, dass dieser Einsatz, der eine kollektive Bestrafung der palästinensischen Zivilbevölkerung darstellt, die grundlegenden Normen des Völkerrechts nicht einhält", hieß es in einer Mitteilung des chilenischen Außenministeriums.
Auch Saudi-Arabien hat den israelischen Angriff auf das Flüchtlingslager im Gazastreifen scharf kritisiert. Der Angriff habe "den Tod und die Verletzung einer großen Anzahl unschuldiger Zivilisten" verursacht, erklärte das Außenministerium in Riad am Mittwoch. Saudi-Arabien verurteile die Bombardierung "auf das Schärfste" und prangerte die "unmenschlichen Angriffe" auf das Flüchtlingslager "durch die israelischen Besatzungstruppen" an, hieß es weiter.
Die Hamas hatte Israel am 7. Oktober überfallen und mehr als 1400 Menschen, zumeist Zivilisten, getötet. Seit dem Hamas-Überfall nimmt Israel den Gazastreifen unter Dauerbeschuss. Dabei wurden nach neuen Angaben der Hamas-Regierung mehr als 8500 Menschen getötet. Diese Zahl ließ sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Israel setzt außerdem trotz internationaler Forderungen nach einer humanitären Feuerpause seine Offensive mit Bodentruppen in dem Palästinensergebiet fort.