Viele Indizien deuten auf die bevorstehende Verhaftung des als "Schlächter vom Balkan" bekannt gewordenen mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic hin. Die Medien in Belgrad sind sich sicher, dass die neue Regierung "bis Ende August" den früheren Militärchef der bosnischen Serben dingfest machen und an das UN-Tribunal in Den Haag ausliefern wird. Die Regierung hat jedoch am Donnerstag dementiert: Man sei dem seit über einem Jahrzehnt untergetauchten Mladic heute nicht näher als bisher.
Passender Zeitpunkt
Das stärkste Argument bei den Mladic-Spekulationen stellt der aktuelle Zeitpunkt dar. Nach der Verhaftung und Auslieferung des ehemaligen Mladic-Chefs Radovan Karadzic "wird die Regierung diesen günstigen Zeitpunkt nicht verstreichen lassen", heißt es. Das Parlament und die Bürger sind in Ferien und werden nicht mit ernstzunehmenden oder gewaltsamen Straßenprotesten auf eine Mladic- Verhaftung reagieren, so das Kalkül.
Die Verhaftung müsse bis zur Belgrad-Reise des Chefanklägers im UN-Tribunal, Serge Brammertz, über die Bühne sein, so die heimischen Analytiker. Nur dann werde er die "vollständige Zusammenarbeit" Serbiens mit dem Tribunal bestätigen und damit den Weg frei machen für die EU-Außenminister. Die könnten dann am 15. September das heiß erwartete vorübergehende EU-Wirtschaftsabkommen mit Brüssel in Kraft setzen. Damit käme Belgrad an einige wichtige EU-Finanztöpfe.
Reicht der EU die Auslieferung von Karadzic?
Doch in Belgrad gibt es auch ganz andere Szenarien. Die Regierung erwarte, dass der EU die Auslieferung von Karadzic als Bedingung reicht und sie nicht auf der Verhaftung von Mladic besteht. Denn es sei auch im Interesse Brüssels, Belgrad jetzt mit Finanzspritzen zu "belohnen", so diese Denkschule. Dem steht entgegen, dass vor allem die Niederlande mehr als alle anderen EU-Länder klipp und klar gesagt haben, ohne Mladic werde es keinen EU-Fortschritt für Serbien geben.
Jenseits aller EU-Reaktionen könnte sich Serbien auf dem Weg nach Brüssel noch selbst ein Bein stellen. Darauf hat der stellvertretende Regierungschef Bozidar Djelic am Donnerstag hingewiesen. Die Blockade des serbischen Parlaments durch die nationalistische Opposition könne dazu führen, dass die Volksvertretung viele Gesetze und Verordnungen als Voraussetzung für die EU-Annäherung nicht rechtzeitig verabschiedet.
Vor allem das schon ratifizierte Assoziierungs- und Kooperationsabkommen steht auf Warteposition. Weil die Nationalisten diesen Vertrag bekämpfen, haben sie bisher jede Diskussion darüber mit Tagesordnungstricks verhindert. Der Parlamentsspitze wusste sich nicht anders zu helfen, als die Abgeordneten zur "Abkühlung der aufgeheizten Gemüter" außerplanmäßig bis Anfang September in die Ferien zu schicken.
Wie sehr es der Opposition um eine Frontalkonfrontation und wie wenig um das Wohl und Wehe des Landes geht, macht der Gesetzesstau im Parlament deutlich. Dadurch seien Schenkungen und Kredite in Höhe von rund 300 Millionen Euro blockiert, haben die Medien errechnet. Wichtige Renovierungen und Investitionen liegen so auf Eis: Für Kliniken und Straßen ebenso wie für die Umwelt und die Verwaltungen in den Gemeinden.