Fünf von 50 Staaten. Ob die Demokraten von US-Präsident Joe Biden wenigstens im Senat ihre Mehrheit behalten, entscheidet sich bei den Midterms am 8. November aller Voraussicht nach in fünf umkämpften Bundesstaaten. Für Biden wäre es wichtig, wenigstens in dieser 100 Sitze umfassenden Kammer des Kongresses (jeder Staat entsendet zwei gewählte Vertreter) die Oberhand zu behalten. Denn laut den Demoskopen wird die Präsidenten-Partei bei den Zwischenwahlen mit großer Wahrscheinlichkeit die Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren – und angesichts der äußerst starken Polarisierung zwischen den Parteien stünden dem Präsidenten dann ohnehin zwei schwierige Regierungsjahre bevor. Ganz abgesehen vom Rückenwind, den die Republikaner und mit ihnen Donald Trump für die Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren durch den Wahlsieg bekämen.
Wirklich gut sieht es für Biden aber auch im Senat nicht aus. Das Rennen könnte kaum knapper sein. Schon jetzt ist es nur die qua Amt bei einem Patt entscheidende Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris, die den Demokraten die Kontrolle über die Kammer gibt. Die Republikaner müssten also nur einen Staat zurückgewinnen, um die Senatsmehrheit zu übernehmen. In den folgenden umkämpften Bundesstaaten haben sie große Aussichten auf Erfolg. Hier wird sich das Rennen um die Senatsmehrheit entscheiden:
Pennsylvania: Kopf-an-Kopf-Rennen
Die Auseinandersetzung in dem Rustbelt-Staat hat auch hierzulande schon Aufmerksamkeit erregt, weil sich hier mit dem Vizegouverneur John Fetterman nicht nur ein unknoventioneller, volkstümlicher Kandidat zur Wahl stellt, sondern auch ein Mann, der einen Schlaganfall überwunden hat. Während einer TV-Debatte musste der 53-jährige Demokrat – ebenso wie die Wähler:innen – erkennen, dass er noch nicht bereit ist, einen konfrontativen Schlagabtausch durchzustehen. Fettermans angeschlagene Gesundheit spielt seinem Gegenkandidaten Mehmet Oz, ein landesweit bekannter TV-Arzt, in die Karten. Über Monate hinweg schien sein Kampf aussichtslos. Nun erwarten die Experten einen derart knappen Ausgang, dass der Sieger wohl erst Tage nach Wahl feststehen wird. Je nach den Ergebnissen in den anderen Staaten könnte es so zu einer tagelangen Hängepartie im Senat kommen.
Aktuelle Vorhersage: "FiveThirtyEight": 49,4% zu 48,5% für Fetterman (Dem.); "RealClearPolitics": 47,4% zu 46,2% für Fetterman
Georgia: Herschel Walker auf dem Vormarsch
Auch das Rennen in dem Südstaat hat bis nach Europa Schlagzeilen gemacht. Der Grund liegt in dem von Donald Trump unterstützten republikanischen Kandidaten Herschel Walker, einem früheren Footballstar und Neuling in der Politik. Walker geriet besonders in den Fokus der Öffentlichkeit, als bekannt wurde, dass der erklärte Abtreibungsgegner 2009 einen Schwangerschaftsabbruch bei seiner damaligen Freundin finanzierte. Doch Walker ist es gelungen, alle Vorwürfe gegen ihn als Lügen abzutun, während er andererseits seinen demokratischen Kontrahenten, den amtierenden Senator Raphael Warnock, mit den Themen gefühlt steigende Kriminalität und schwächelnde Wirtschaft in Bedrängnis brachte. Alle schlechten Nachrichten haben "Trumps Skandalvogel" in den Umfragen nicht geschadet. Das Rennen ist sehr eng, nachdem Warnock zu Beginn uneinholbar geführt zu haben schien. Besonderheit in Georgia: Der Gewinner muss mindestens 50 Prozent erreichen. Das trifft derzeit auf keinen der beiden Kandidaten zu.
Aktuelle Vorhersage: "FiveThirtyEight": 49,2% zu 49,2%; "RealClearPolitics": 47,4% zu 45,8% für Walker (Rep.)
Arizona: Kari Lake macht Kelly zu schaffen
Gemeinsam ist allen aktuell umkämpften Bundesstaaten der Trend. Nach großen Vorsprüngen oder zumindest klarer Favoritenstellung müssen die demokratischen Kandidat:innen erleben, wie ihre Gegner:innen stetig aufholen und die Wahl zunehmend offen gestalten. Das ist auch in Arizona so, wo mit dem amtierenden Senator Mark Kelly eigentlich der sicherste und angesehenste aller demokratischen Kandidaten in den fünf umkämpften Staaten zur Wahl steht. Doch sein Gegenkandidat Blake Masters profitiert sehr davon, dass mit Kari Lake, einer bekannten TV-Moderatorin, der neue Star der Republikaner parallel für das Gouverneursamt kandidiert und die Stimmung im Staat in Richtung der Grand Old Party verschiebt. "Ich denke, Kelly wird es herausquetschen", so ein nicht namentlich genannter demokratischer Wahlkämpfer gegenüber dem Polit-Portal "The Hill", "aber es ist viel enger, als es sich irgendjemand wünschen würde."
Aktuelle Vorhersage: "FiveThirtyEight": 50,3% zu 47,8% für Kelly (Dem.); "RealClearPolitics": 47,1% zu 44,8% für Kelly
Der Sturm auf das Kapitol: Diese Bilder erschütterten die Welt

Nevada: Demokraten sehen Niederlage entgegen
Dass es die demokratische Senatorin Catherine Cortez Mastro im Silver State besonders schwer haben würde, wiedergewählt zu werden, das war allen in ihrer Partei klar. "Es ist in vielerlei Hinsicht schwierig, Nevada in den Griff zu bekommen", konstatiert ein Parteistratege. Der Staat hat etliche Bevölkerungsgruppen und zahlreiche gegensätzliche politische Strömungen. Ausschlaggebend für das Senatsrennen könnte sein, dass die Zustimmung zu den Republikanern bei den Latino-Wähler:innen wächst. Das Rennen ist eng, eine Umfrage des Siena Colleges für die "New York Times" ergab zuletzt ein Patt von 47 Prozent sowohl für Cortez Mastro als auch für ihren republikanischen Herausforderer Adam Laxalt, dem früheren Generalstaatsanwalt Nevadas. Doch die Projektionen sehen am Wahlabend den Konservativen vorne.
Aktuelle Vorhersage: "FiveThirtyEight": 49,2& zu 48,3% für Laxalt (Rep.); "RealClearPolitics": 46,8% zu 45,5% für Laxalt
Wisconsin: Angriff der Demokraten vor dem Scheitern
Mit Senator Ron Johnson steht in "Amerikas Molkereiland" ein umstrittener Republikaner zur Wahl, der auch aus deutscher Sicht interessant ist. Johnson gehörte zu jenen Senatoren, die der Geschäftsführung der Hafengesellschaft Fährhafen Sassnitz in einem Brief massive Sanktionen androhte, sollte die Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb gehen, die mittlerweile wegen des Ukraine-Krieges tatsächlich nicht betrieben wird. Im Zusammenhang mit dem Sturm aufs Kapitol bestritt er, dass es Trump-Anhänger waren, die in das Parlamentsgebäude eindrangen und wollte die Verantwortung für die Ereignisse Demokraten wie Nancy Pelosi, der Sprecherin des Repräsentantenhauses, zuschieben. Pelosi Partei glaubte, dass Johnson bei den Zwischenwahlen angreifbar sei. Doch es sieht nicht danach aus, dass der nominierte Vizegouverneur des Staates, Mandela Barnes, das politische Format besitzt, Johnson zu schlagen. Barnes gilt vielmehr inzwischen als Enttäuschung und als ein Beispiel dafür, warum in beiden Parteien die generelle Qualität der Kandidaten diskutiert wird.
Aktuelle Vorhersage: "FiveThirtyEight": 52,3% zu 47,7% für Johnson (Rep.); "RealClearPolitics": 50,2 zu 47,2 für Johnson
US-Senat: Fast alles spricht für die Republikaner
So geht in drei der fünf umkämpften Staaten der Trend in Richtung der Republikaner. Es spricht sehr viel dafür, dass die konservative Partei auch im Senat, und damit wohl in beiden Kammern des Kongresses die Oberhand gewinnen wird – und dies nicht zuletzt mit etlichen Kandidaten, die der falschen Behauptung, Trump sei die vergangene Präsidentschaftswahl gestohlen worden, anhängen. Noch aber ist die Wahl nicht entschieden.
Aktuelle Vorhersage: "FiveThirtyEight": 51 zu 49 Sitze für die Republikaner: "RealClearPolitics": 54 zu 46 Sitze für die Republikaner
Quellen: "FiveThirtyEight"; "RealClearPolitics", "The Hill", DPA