Deutsche Außenpolitiker rechnen nach dem gescheiterten Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in Russland mit einem noch härteren Vorgehen des Präsidenten Wladimir Putin. "Putin muss jetzt bei seinen Widersachern den Eindruck vermeiden, er sei angeschlagen.
Er muss innenpolitische Stärke zeigen", sagte Roderich Kiesewetter, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagsausgabe). Putin werde "den Krieg gegen die Ukraine intensivieren, noch brutaler machen als bislang schon".
Die Ukraine brauche nun "mehr Hilfe denn je", sagte Kiesewetter und forderte, Deutschland müsse der Ukraine den Marschflugkörper vom Typ Taurus liefern. Zudem müsse die Bundesregierung "die Rüstungsproduktion in Europa bündeln und verstärkt auf Ukrainer, Polen und Balten hören", fügte Kiesewetter hinzu.
Trittin: "Drohender Bürgerkrieg oder ein Zerfall Russlands" sei eine besorgniserregende Dimension
Der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte sagte dem "Tagesspiegel", Putin habe sich seit Samstag "stabilisiert". "Es ist zu befürchten, dass Putin nun sein Terror-Regime ausweitet, um sein Image der Schwäche zu korrigieren", sagte Lechte.
Zugleich beklagte der FDP-Politiker, die Geheimdienste hätten vorab keinen Hinweis auf die Ereignisse in Russland gegeben. "Offenbar hatte der BND keinerlei Informationszugang. Das ist in dieser Lage ein erhebliches Defizit, das wir aufklären müssen", sagte Lechte.
Der Außenpolitiker Jürgen Trittin von den Grünen nannte es "erheblich besorgniserregend", dass die Atommacht Russland "von einer Söldnertruppe erpresst worden" sei. Auf eine solche Eskalation sei "niemand vorbereitet, auch nicht die USA".
Ein "drohender Bürgerkrieg oder ein Zerfall Russlands" sei eine besorgniserregende Dimension, sagte Trittin dem "Tagesspiegel". Die Eskalation habe Putin "massiv geschadet".
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Außenpolitiker Schmid: Volksaufstand in Russland nicht in Sicht
Nach Einschätzung von Nils Schmid, außenpolitischem Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, schwächt "Russlands Selbstbeschäftigung" seine Fähigkeit, nach außen hin aggressiv zu agieren. "Dennoch müssen wir unabhängig von Putin mit einer weiter aggressiven russischen Außenpolitik rechnen", sagte Schmid dem "Tagesspiegel".
Ein Volksaufstand sei "auch nach diesem 24. Juni nicht in Sicht", sagte Schmid. "Sollte Putin fallen, werden wir es mit einem Nachfolger zu tun bekommen, der nicht automatisch besser oder gar demokratischer sein wird", gab der SPD-Politiker zu bedenken.