Seit Monaten wandelt Jewgeni Prigoschin auf des Messers Schneide. Nun ließ er die Würfel fallen. Als Caesar einst den Rubikon überschritt, gab es für ihn kein Zurück mehr. Er marschierte auf Rom. Nun marschiert Prigoschin auf Moskau. Auch für ihn wird es kein Zurück geben.
Der Anführer der Wagner-Söldner setzt alles auf eine Karte – in dem verzweifelten Versuch, sein Leben zu retten. De facto hatte Prigoschin die Wahl, entweder auf seinen Tod zu warten, oder in einem letzten Akt des Aufbegehrens für einen Abgang mit lauten Fanfaren zu sorgen. Er entschied sich für das Letztere – und übt Rache an seinem alten Herren.
Alles, was Prigoschin ist und hat, hat er einem einzigen Mann zu verdanken: Wladimir Putin. Seine Milliarden, seine Macht, seine sogenannte Privatarmee – die noch nie eine war, sondern immer die Befehle aus dem Kreml empfing. Und Prigoschin hat seinem Herren lange Jahre treu gedient, für ihn in der ganzen Welt die Drecksarbeit erledigt – bis der Diener sich nicht mehr mit dem Schattendasein begnügen wollte.
Jewgeni Prigoschin wartet nicht auf den Fenstersturz
Prigoschin wollte mehr, viel mehr: Anerkennung, Ruhm, Ansehen und exekutive Macht. In den Augen der russischen Militärs, die ihn stets verachtet haben, wollte Prigoschin Furcht sehen. Doch Putin stellte sich im Machtkampf zwischen den russischen Streitkräften und Prigoschin auf die Seite des Militärs.
Sein Befehl an die Wagner-Truppe, sich dem Verteidigungsministerium zu beugen, kam einem Todesurteil für Prigoschin gleich. Wer ist Prigoschin noch ohne seine Kämpfer? Ein Niemand. Der bald dasselbe Ende gefunden hätte wie die zahlreichen Separatistenführer, für die Putin keine Verwendung mehr hatte. Sie starben bei seltsamen Autounfällen, wurden mit Kopfschüssen exekutiert oder fielen versehentlich aus dem Fenster, wie man in Russland zu sagen pflegt.
Prigoschin weiß nur zu gut, was ihm blüht. Er wird selbst den ein oder anderen unliebsam gewordenen Mann aus dem Fenster geschubst haben. Und so geht er lieber mit einem großen Knall. Verzweiflung macht aber gefährlich. Wie gefährlich, demonstrierte Putin selbst, als er am Samstagmorgen sich an die russische Nation wandte. Den Rauch aus Rostow riecht Putin bereits in Moskau.