Neue Regierung in Athen Und noch ein deutsch-griechisches Duell

Hellas hat eine neue Regierung. Die macht sofort klar: Das Sparpaket verhandeln wir nach. Die deutsche Regierung tritt auf die Bremse – mit geringen Erfolgsaussichten.

Bei der Fußball-EM wird das Ringen zwischen Deutschland und Griechenland nach 90 oder 120 Minuten, spätestens aber nach dem Elfmeterschießen entschieden sein. So besagen es die Regeln. In der Politik gibt es solche klaren Zeitrahmen nicht. Da zieht sich die Kabbelei schon mal hin. Monatelang handelten Griechenland und seine internationalen Geldgeber Bedingungen für Milliardenkredite aus, die das Land vor dem finanziellen Ruin bewahrten. Vor allem Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) beharrten auf harte Sparvorgaben für den Fast-Pleitestaat – und setzten sie auch durch. Doch nun kündigte die neue Regierung in Athen - kaum, dass sie gebildet wurde - an, die Bedingungen nachzuverhandeln.

Neuer Ministerpräsident ist der Vorsitzende der konservativen Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras. "Mit Gottes Hilfe werden wir alles tun, um das Land so schnell wie möglich aus der Krise zu führen", gelobte er während der Zeremonie zu seiner Vereidigung. Samaras hatte sich zuvor mit der sozialdemokratischen Pasok und der gemäßigten Demokratischen Linken auf eine Koalition geeinigt. Pasok-Chef Evangelos Venizelos kündigte die Zusammenstellung eines Regierungsteams an, das mit den internationalen Geldgebern die Auflagen für die Milliardenhilfen neu verhandeln soll. Dabei müssen sich die Griechen jedoch auf eine harte Auseinandersetzung einstellen, wie erste Reaktionen insbesondere aus Berlin zeigten.

Auch im Inland muss die neue Regierung mit heftigem Widerstand rechnen. Das radikale Linksbündnis Syriza, das die Auflagen komplett kippen wollte, landete auf dem zweiten Platz in der Wahl am Sonntag und stellt damit eine starke Opposition. Faktisch alle Parteien hatten im Wahlkampf angekündigt, sich im Falle eines Sieges für eine Nachverhandlung der Bedingungen für die Hilfen einsetzen zu wollen. Die drei Koalitionsparteien bekennen sich zum Euro, wollen aber für Änderungen am mit EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) vereinbarten Sparpaket kämpfen.

Große Kraftprobe kommt Ende Juni

Für Griechenland war es nach der zweiten Parlamentsneuwahl binnen sechs Wochen höchste Zeit, dass eine Regierung zustande kommt. Das von der Staatspleite bedrohte Land braucht dringend Geld. Die Kassen sind leer, und das wenige Geld reicht nur noch bis Mitte Juli. Schon an diesem Donnerstag tagt in Luxemburg die Eurogruppe. Bei der Sitzung werde Griechenland vom bisherigen Interimsfinanzminister Giorgos Zanias vertreten, gab Venizelos bekannt. Die erste große Kraftprobe werde der Regierung beim EU-Gipfeltreffen Ende Juni bevorstehen, erklärte Venizelos. "Wir müssen mit dieser Qual der Arbeitslosigkeit fertig werden", sagte er am Mittwoch im Fernsehen.

Griechenland steckt in einer schweren Rezession, fünf Jahre lang erzielte das Land kein Wachstum. Das ist auch Folge der scharfen Sparpolitik, die viele zehntausend Menschen den Arbeitsplatz kostete. Löhne und Renten wurden zusammengestrichen. All das würgte die Konjunktur ab und bescherte Hellas, das ohnehin auf schwachen wirtschaftlichen Füßen steht, herbes Minuswachstum. In der Eurozone - und in der Bundesregierung - wird heiß diskutiert, ob man den Griechen nicht wenigstens beim Reformzeitplan entgegenkommen sollte. Finanzminister Schäuble markierte eine klare Linie und wies den Vorwurf zurück, die Auflagen seien zu hart. "Wir haben Griechenland nicht überfordert, und wir werden die Griechen nicht überfordern", sagte der CDU-Politiker der "Zeit": "Dass Anpassungsprogramme, auch wenn sie hart sind, sehr erfolgreich sein können, wurde ja bereits nach dem Fall der Mauer vielerorts bewiesen." Es brauche vor allem mehr Entschlossenheit, die Maßnahmen auch zügig umzusetzen.

Unionsfraktionschef Volker Kauder lehnte Zugeständnisse wegen der im Wahlkampf verlorenen Zeit ab. Stattdessen müsse die neue Regierung versuchen, wieder aufzuholen und zum Beispiel bei den Privatisierungen das Tempo zu erhöhen, sagte er "Spiegel Online": "Ich kann nur sagen, Zeit kann im Fall Griechenlands viel Geld bedeuten." Außenminister Guido Westerwelle und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle (beide FDP) hatten sich dagegen gesprächsbereit über den Zeitplan gezeigt. Westerwelle begrüßte zudem, dass es nach den Parlamentswahlen so schnell zur Bildung einer Regierung gekommen sei. "Das zeigt, dass die proeuropäischen Kräfte in Athen um den Ernst der Lage wissen". Westerwelle war mit seiner Aussage vorgeprescht und hatte damit frühzeitig Verhandlungsbereitschaft signalisiert. In der Koalition wird ihm vorgeworfen, damit Deutschlands Verhandlungsposition geschwächt zu haben. Die harte Haltung wird Deutschland ohnehin kaum aufrechterhalten können, da Frankreich und andere wichtige Eurostaaten für eine Entzerrung der Vorgaben für Athen plädieren. Den Eurorettern ist klar: Gelingt Griechenland nicht die Wende, wird die Bevölkerung erst recht gegen die Sparauflagen rebellieren. Ohne Konjunktur keine Steuereinnahmen – der Teufelskreis ginge weiter.

Erste Gespräche könnte es im EM-Stadion geben

Die Bundesregierung will über den weiteren Umgang mit Griechenland erst nach einem neuen Troika-Bericht entscheiden. Ein erstes Treffen von Merkel und dem neuen griechischen Regierungschef könnte es in Danzig geben, wenn Deutschland gegen Griechenland antritt. Zumindest die Kanzlerin wird am Freitagabend beim deutschen EM-Viertelfinalspiel auf der Tribüne sitzen, wie der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin ankündigte. Ob Samaras kommt, blieb offen.

Gleich nach abgeschlossener Regierungsbildung will die Kontroll-Troika aus EU, EZB und IWF eine Delegation nach Athen schicken, um den Stand der Reformbemühungen zu überprüfen. Zunächst müsse der Bericht der Troika abgewartet werden, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann: "Gibt es Abweichungen, muss deren Ursache analysiert werden, aber zunächst ist Griechenland gefordert, einen Weg zur Nachbesserung aufzuzeigen." In EU-Kreisen hatte es geheißen, das Programm sei praktisch an allen zentralen Stellen aus dem Ruder gelaufen.

DPA · Reuters
tso/Reuters/DPA