Powell-Besuch Diplomatie der kleinen Schritte

Trotz unverändert harter Gegegensätze wegen des Irak-Kriegs ist Bundeskanzler Gerhard Schröder erste Schritte auf die USA zugegangen.

Trotz unverändert harter Gegegensätze wegen des Irak-Kriegs ist Bundeskanzler Gerhard Schröder erste Schritte auf die USA zugegangen. Nach einem Treffen mit US-Außenminister Colin Powell in Berlin unterstützte Schröder die Forderung der USA nach Aufhebung aller UN-Sanktionen gegen den Irak. Zugleich zeigte sich der Kanzler grundsätzlich bereit, zusätzliches Engagement der Deutschen bei der Friedenssicherung in Afghanistan zu prüfen. Es war das erste Treffen eines US-Regierungsmitglieds mit Schröder nach dem monatelangen Zerwürfnis wegen des Irak. Ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Schröder und US-Präsident George W. Bush ist aber trotz der Möglichkeit während internationaler Treffen in St. Petersburg und Frankreich in zwei Wochen weiter nicht geplant.

Koch darf, was Schröder nicht darf

Indes traf Hessens CDU-Regierungschef Roland Koch in Washington überraschend mit Bush zusammen. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, die "kurze Begegnung" von 15 Minuten sei "ohne Bedeutung" für das Gespräch von Schröder und Powell gewesen. Bush hat nach Kochs Aussage nach wie vor Unverständnis über Haltung der Bundesregierung zum Irak-Konflikt gezeigt. Wie verlautete, war Bush bei dem Treffen mit Koch besonders über den Kanzler verärgert.

Powell zufrieden

Powell zeigte sich zufrieden über das Treffen mit Schröder, das er als "offen und ehrlich" bezeichnete - so wie das zwischen Freunden üblich sei. Später kam er mit Außenminister Joschka Fischer (Grüne) zu einem bilateralen Treffen zusammen. Beide vereinbarten, als "gute Verbündete" im transatlantischen Rahmen nach vorn zu gehen. Powell traf auch CDU-Chefin Angela Merkel zu einem kurzen Gespräch.

Powell wirbt um Zustimmung zum Resolutionsentwurf

Zum Wiederaufbau des Irak sagte Schröder nach dem halbstündigen Gespräch mit Powell: "Wir sind der Auffassung, dass Sanktionen jetzt keinen Sinn mehr machen und aufgegeben werden sollten." Powell warb um die Zustimmung Deutschlands zum US-Entwurf der Irak-Resolution, mit der die Aufhebung der Sanktionen beschlossen und den USA beim Wiederaufbau weitgehend freie Hand gelassen werden soll. Ein deutsches Ja könne hilfreich für eine Verbesserung des Verhältnisses sein, sagte er im ZDF.

Nach dem Gespräch mit Fischer zeigte sich Powell zuversichtlich, dass die Irak-Sanktionen "in den nächsten Tagen und Wochen" aufgehoben werden können. Schröder und Fischer betonten, die Länder im UN-Sicherheitsrat müssten aufeinander zugehen, um eine "möglichst einhellige Position" zu erreichen.

Entwurf "gute Diskussionsgrundlage"

Fischer ließ aber offen, ob Deutschland der Vorlage Washingtons in der jetzigen Fassung zustimmen wird. Er nannte den Entwurf eine "gute Grundlage" für die weitere Diskussion, betonte aber, dass für Deutschland ein "UN-Dach" für den Wiederaufbau des Irak entscheidend sei. Die USA wollen auch in ihrem überarbeiteten Resolutionsentwurf den Vereinten Nationen dagegen keine zentrale Aufgabe zubilligen. Grünen-Chefin Angelika Beer kritisierte im Deutschlandfunk, die jetzige US-Position "reduziert die Vereinten Nationen auf eine Hilfstruppe".

Rolle Deutschlands in Afghanistan soll überprüft werden

Über eine mögliche Rolle der NATO beim Wiederaufbau des Irak sprachen Fischer und Powell nach eigenen Angaben nicht. Allerdings sagte Powell, in einer früheren Diskussion im Nordatlantikrat sei ein solcher NATO-Einsatz bereits Thema gewesen. Es liege allein an Deutschland, ob es für die Friedenssicherung im Irak Truppen bereitstellen wolle. Schröder erklärte sich bereit, mit den USA über die Ausdehnung der Sicherheitszonen in Afghanistan über die Hauptstadt Kabul hinaus zu reden und die Rolle Deutschlands dabei zu prüfen. Gemeint sind nach Regierungsangaben regionale Wiederaufbau-Teams, die den zivilen Aufbau etwa von Behörden in den Regionen sowie Hilfsorganisationen unterstützen sollen. Dabei ist Steg zufolge zu klären, ob diese zivilen Kräfte eine "militärische Schutzkomponente" benötigten.

Steg betonte, dass die Bundesregierung nicht die Absicht habe, Änderungen am Mandat der auf Kabul und Umgebung beschränkten internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) vorzunehmen. Die ISAF wird zur Zeit von Deutschland und den Niederlanden geführt. Deutschland hatte sich bislang wegen der großen Gefahren immer gegen eine Ausweitung des ISAF-Mandats über Kabul hinaus ausgesprochen.

Berlin war die letzte Station einer einwöchigen Nahost- und Europareise Powells. Er flog am Nachmittag zurück in die USA.

DPA