Nach außen hin soll alles aussehen, wie bei einer freien und demokratischen Wahl. Zwischen drei Kandidaten können sich die Syrer offiziell entscheiden, wenn sie an diesem Mittwoch über den nächsten Präsidenten des Bürgerkriegslandes abstimmen. Die staatliche Agentur Sana veröffentlicht Banner von allen dreien. Auch in den Straßen der Städte unter Kontrolle der Regierung hängen überall Wahlplakate. Dennoch besteht kein Zweifel, dass der neue Präsident Syriens derselbe sein wird wie der alte: Baschar al-Assad.
Syriens Regierung organisiert eine Präsidentschaftswahl, in der nicht nur Oppositionelle, sondern auch neutrale Beobachter eine Inszenierung sehen, die ausschließlich dem Machterhalt des 55 Jahre alten Staatschefs dient. "Es ist schwer vorstellbar, dass das Ergebnis etwas anderes sein wird als eine Pro-Forma-Restauration Baschar al-Assads", sagt der Syrien-Analyst und frühere Mitarbeiter der International Crisis Group, Sam Heller. "Bei dieser Wahl geht es nicht wirklich um eine lebhafte politische Auseinandersetzung."
Viele Menschen in Armut und Hunger
Und dennoch scheint Assad um zusätzliche Legitimität zu ringen. Obwohl seine Herrschaft nach 21 Jahren an der Macht ziemlich gefestigt ist, dürfte auch er Druck spüren, von innen und außen. Seit Monaten leidet Syrien unter einer schweren Wirtschaftskrise, die Millionen Menschen in Armut und Hunger getrieben hat. Die Verteilkämpfe zwischen Assads Anhängern werden schärfer. Einiges spricht auch dafür, dass nach zehn Jahren Bürgerkrieg selbst in Regierungsgebieten lokale Milizen das Sagen haben, die zwar offiziell zu Assad stehen, aber ihr Eigenleben führen, angeführt von Warlords.
Zudem kursieren immer wieder Gerüchte, Assads enger Verbündeter Russland könnte gewillt sein, den Präsidenten zu opfern, sollte der Westen im Gegenzug einer Moskau genehmen Lösung für den Konflikt zustimmen. "Assad schließt mit seiner Kandidatur für eine weitere siebenjährige Amtszeit jede Vorstellung aus, er könnte als Teil eines größeren politischen Kompromisses zurücktreten", sagt Heller.

Opposition chancenlos
Den Anhängern Assads geht es augenscheinlich darum, eine möglichst hohe Wahlbeteiligung sicherzustellen. Auf Anordnung von oben sind überall im Land Wahl-Zelte errichtet worden, in denen Syrerinnen und Syrer zur Stimmabgabe für den Machthaber gebracht werden sollen. Auch die Wahlplakate zeigen mit wenigen Ausnahmen nur das Porträt Assads. Einen Vorgeschmack auf die Wahl am Mittwoch gab die Abstimmung der Syrer im Ausland am Donnerstag. Im Libanon etwa karrten mit Assad-Plakate geschmückte Busse Wähler zur syrischen Botschaft in der Hauptstadt Beirut, damit sie ihr Kreuz machen.
Gegenkandidat Mahmud Mari, Vertreter der von der Regierung geduldeten innersyrischen Opposition, beklagt hingegen, er habe kaum finanzielle Mittel und Unterstützung, um für sich zu werben. Sein Wahlkampf falle deswegen sehr bescheiden aus, sagt er. Der größte innersyrische Oppositionsblock boykottiert die Abstimmung.
Das Szenario erinnert an die Präsidentschaftswahl vor sieben Jahren. Damals waren erstmals zwar Gegenkandidaten zugelassen, jedoch musste ein solcher mindestens zehn Jahre ohne Unterbrechung in Syrien gelebt haben, womit im Exil lebende Oppositionspolitiker von der Kandidatur ausgeschlossen waren. Assad erhielt am Ende fast 89 Prozent der Stimmen. Westliche Staaten stuften die Wahl als unrechtmäßig und undemokratisch ein. Assad blieb dennoch unbehelligt an der Macht, die sein Vater Hafiz 1970 übernommen hatte und die nach dessen Tod 2000 an den Sohn überging.
Wie der Vater, so der Sohn
Bereits Hafiz al-Assad ließ sich demokratisch legitimieren, trat jedoch stets ohne Gegenkandidat an. Dabei steigerte er mit Ausnahme seiner ersten Wahl die offiziellen Ergebnisse immer. Von 99,2 Prozent der Stimmen 1971 ging es runter auf 97 Prozent 1978 und über 99,97 Prozent 1985 auf 99,98 im Jahr 1992. Bei seiner letzten Widerwahl 1998 erreichte Hafiz dann noch ein abschließendes Mal 99,9 Prozent.
Nach dem Tod des Vaters ließ sich Baschar al-Assad 2000 zunächst mit nur 97,29 Prozent der Stimmen wählen, um dieses Ergebnis 2007 auf 97,6 Prozent zu steigern. Nach dem der Arabische Frühling 2011 auch auf Syrien übergegriffen hatte, war eine Steigerung der Zustimmung angesichts der Lage im Land bei den Wahlen 2014 nicht umzusetzen. Nachdem erstmals Gegenkandidaten zugelassen wurden, sprach das offizielle Ergebnis Assad 88,7 Prozent der Stimmen zu.
Wahlen nicht Teil eines internationalen Prozesses
An Legitimität wird es Assad dennoch schon allein deswegen mangeln, weil nur in den rund zwei Dritteln des Landes abgestimmt werden wird, die unter Herrschaft der Regierung stehen. Die von den Kurden kontrollierten Regionen im Nordosten Syriens beteiligen sich genauso wenig wie die Rebellengebiete im Nordwesten des Bürgerkriegslandes.
Auch der eigentlich stets um Ausgewogenheit bemühte UN-Syrienvermittler Geir Pedersen, ein erfahrener Diplomat, drückte sein Missfallen aus. Er machte deutlich, dass die Wahl nicht Teil des internationalen Prozesses ist, der eine politische Lösung für den langjährigen Konflikt finden soll. In Genf hat eigentlich ein Ausschuss mit Vertretern der Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft den Auftrag, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Diese soll zu freien und fairen Wahlen unter UN-Aufsicht führen. Doch vor allem Assads Vertreter zeigen wenig Interesse an Fortschritten, so dass die Verhandlungen seit Monaten auf Eis liegen.
Für die Zukunft der Gespräche unter dem UN-Dach in Genf und damit generell für die internationale Diplomatie verheißt die Abstimmung am Mittwoch wenig Gutes. Damaskus scheine die Wahl vor allem zu nutzen, um die Kontinuität des syrischen Systems zu demonstrieren, sagt Heller. Die Abstimmung bedeute nicht zwangsläufig das Ende des Verfassungsausschusses. "Aber diese Wahl lässt das Verfassungskomitee weniger relevant erscheinen, als es ohnehin schon war."