Putins Dekret Gas nur noch gegen Rubel? Wie es jetzt weitergeht

Elemente der Gaspipeline Nord Stream 2
Elemente der Ostseepipeline Nord Stream 2 warten im September 2020 auf ihre Monate. Inzwischen ist die Gaspipeline zwar fertiggestellt, Gas wird durch sie in absehbarer Zeit jedoch nicht hindurchfließen.
© Odd Andersen / AFP
Gas nur noch gegen Rubel – das ist der erklärte Plan von Russlands Präsident Wladimir Putin. Der Westen reagierte zurückhaltend auf das neue Dekret des Kreml-Herrschers. Wie geht es im Gas-Streit weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Der Showdown im Streit um die Bezahlung russischer Gaslieferungen in den Westen rückt näher: Kreml-Herrscher Waldimir Putin hat ein Dekret erlassen, wonach zum 1. April westliche Staaten Konten bei der Gazprom-Bank eröffnen müssen, um ihre Gaslieferungen aus Russland weiterhin zu bezahlen – und so die Importe sicher können.

Die Zahlungen sollen nach den Vorstellungen Putins in Euro bezahlen, die Gazprom-Bank soll das Geld dann in Rubel konvertieren und den Betrag in russischer Währung an den Staatskonzern Gazprom überweisen.

Spielt der Westen da mit? Wie geht es nun weiter? Der stern beantwortet die wichtigsten Fragen:

Wie reagiert die Bundesregierung?

Zurückhaltend. Wenn das russische Dekret vorliege, wolle die Regierung es "gründlich prüfen und bewerten", sagte eine Sprecherin des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums der Nachrichtenagentur DPA. Der Kanzler beharrte auf seiner Ablehnung einer Begleichung der Rechnungen in Rubel. "Die Zahlung russischer Gaslieferungen findet entsprechend der bestehenden Verträge in Euro und Dollar statt", erklärte Olaf Scholz (SPD) auf Twitter. "Das ist so, das wird auch so bleiben, und das habe ich gestern in meinem Gespräch mit Präsident Putin auch deutlich gemacht."

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Die G7-Gruppe führender Wirtschaftsmächte und die Europäische Union hatten schon Anfang der Woche Forderungen nach einer Zahlung in Rubel eine Absage erteilt. Zu den G7 gehören neben Deutschland auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien.

Bereits am Mittwoch hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen, die erste von drei möglichen Stufen. Das bedeutet, dass die Bundesregierung sich auf eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgung vorbereitet. Ein Krisenteam soll die Lage engmaschig beobachten.

Was würde sich mit den neuen Forderungen ändern für die Gasabnehmer?

Nach Ansicht von Fachleuten wenig. "Für die deutschen Unternehmen dürfte sich unter dem Strich nicht besonders viel ändern", sagte Ulrich Leuchtmann, Leiter der Devisen-Abteilung bei der Commerzbank. Die Gazprom-Bank unterliege derzeit keinen wesentlichen Finanzsanktionen, was aber auch beabsichtigt sei, damit die Bezahlung von Gas-Lieferungen für den Westen überhaupt möglich sei.

Ähnlich sieht es Experte Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen: "Letztlich ändert sich an der bisherigen Zahlungsweise nur wenig, wenn die Abnehmerländer ihre Gas-Rechnung weiter in ihren Landeswährungen bezahlen und eine russische Bank die Devisen in Rubel umtauscht."

Wie reagiert die Wirtschaft?

Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, forderte die russische Regierung auf, bestehende Gaslieferverträge unverändert zu respektieren. "Russland gefährdet mit einseitigen Änderungen die jahrzehntelangen Energiebeziehungen mit Deutschland und der EU und beschleunigt den Ausstieg aus diesem Geschäftsmodell." Deutschlands größter Importeur von russischem Gas, der Energiekonzern Uniper, wollte die jüngsten Äußerungen Putins zunächst nicht kommentieren.

Was droht der deutschen Wirtschaft insgesamt falls man sich nicht einigt?

"Ein potenzieller Stopp der russischen Gaslieferungen hätte für die deutsche Wirtschaft schwerwiegende Konsequenzen", sagte der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Hermes. "Wir können Gas aus Russland kurzfristig nicht ersetzen. Energielieferungen aus Russland wurden daher bewusst von den Sanktionen ausgenommen, weil wir kurz- und mittelfristig darauf angewiesen sind." Erdgas stehe als Energieträger und Rohstoff am Anfang vieler Wertschöpfungsketten. Da Haushalte bei der Belieferung priorisiert würden, drohe in einigen Industrien bei einem Lieferstopp ein kompletter Produktionsstillstand. "Dadurch sind hunderttausende Arbeitsplätze in energieintensiven und nachgelagerten Industriezweigen unmittelbar gefährdet", warnte Hermes. "Es drohen zudem Einschnitte bei der Grundversorgung und bei Pharmaprodukten." Er forderte Hilfen für betroffene Unternehmen.

Wie viel Gas kommt aktuell aus Russland?

Der Anteil russischer Gaslieferungen ist in Deutschland nach jüngsten Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums von Ende vergangener Woche inzwischen von 55 auf 40 Prozent gesunken. Bis zum Sommer 2024 könne es gelingen, bis auf wenige Anteile unabhängig von russischem Gas zu werden, stellte Habeck in Aussicht. Bei Öl und Kohle soll es Deutschland demnach noch im Laufe diesen Jahres schaffen, sich weitgehend von Russland zu lösen.

Wie ist die Versorgungslage aktuell?

Die Gasversorgung in Deutschland ist laut Bundesnetzagentur stabil. Es seien keine Beeinträchtigungen der Gaslieferungen nach Deutschland zu verzeichnen, geht aus einem Lagebericht hervor. So liefere die Pipeline Nord Stream 1 von Russland nach Deutschland auf einem hohem Niveau. Der aktuelle Füllstand der Gasspeicher liege bei 26,8 Prozent, es seien leichte Einspeicherungen zu verzeichnen.

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Woher soll die Energie künftig kommen?

Die Bundesregierung will einen sparsameren Verbrauch vorantreiben und ruft die Bürger auch zum Energiesparen auf. Der Ausbau erneuerbarer Energien soll vorangetrieben werden. Kohlekraftwerke sollen länger in der Reserve bleiben. Außerdem bemühen sich die EU und Deutschland um neue Energie-Handelspartner.

Martina Herzog / DPA / wue