Krieg gegen die Ukraine Ex-Wirtschaftsberater von Putin: Wie der Westen Russland zum Kriegsende drängen könnte

Andrej Illarionov sitzt auf einem Stuhl und hält seinen rechten Zeigefinger an seine Wange
Der einstige Wirtschaftsberater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Andrej Illarionov, im Jahr 2013 bei einem Treffen in Moskau 
©  dpa | Metzel Mikhail / Picture Alliance
Russland lässt sich auch 1,5 Monate nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine nicht von seinem Handeln abhalten – und setzt den Angriff auf sein Nachbarland fort. Putins Ex-Wirtschaftsberater Andrej Illarionov ist sich indes sicher, wie der Westen ein Kriegsende erzwingen könnte.

Trotz zahlreicher Sanktionen, militärischer Unterstützung der Ukraine und immensem Druck der Politik: Schwere Sanktionen des Westens können den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht an seiner Militäroffensive in der Ukraine hindern. Dabei gibt es aus Sicht von Putins Ex-Wirtschaftsberater Andrej Illarionov ein Mittel, Moskau zu einem raschen Kriegsende zu drängen: ein "echtes Embargo" gegen russische Energie durch westliche Länder.

"Ich würde darauf wetten, dass die russischen Militäroperationen in der Ukraine wahrscheinlich innerhalb von ein oder zwei Monaten eingestellt werden", sagt Illarionov gegenüber der BBC. Dies sei eines der sehr wirksamen Instrumente, die den westlichen Ländern noch zur Verfügung stünden, so Illarionov, der von 2000 bis 2005 Putins wichtigster Wirtschaftsberater war. Er sagt, Russland nehme die Drohungen anderer Länder, ihren Energieverbrauch zu reduzieren, "nicht ernst".

Putin ist offenbar bereit, wirtschaftliche Schäden in Kauf zu nehmen

Tatsächlich ist Europas Abhängigkeit von russischen Energieträgern groß. Die EU importiert etwa 40 Prozent ihres Gases und 27 Prozent ihres Öl aus Russland. Schätzungen der Denkfabrik Bruegel zufolge wird in die EU derzeit täglich russisches Öl im Wert von etwa 450 Millionen Euro importiert.

"Eine Milliarde [Euro] zahlen wir Putin jeden Tag für die Energie, die er uns liefert", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor wenigen Tagen. Das verdeutlicht im Gegenzug, welchen Gewinn Russland durch sein Energiegeschäft mit der EU erzielt: Im vergangenen Jahr machten die Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor 36 Prozent der russischen Staatsausgaben aus.

Die russische Wirtschaft leidet indes stark unter den Sanktionen des Westens. Eine aktuelle Studie der russischen Zentralbank prognostiziert für dieses Jahr einen Rückgang der Wirtschaft um acht Prozent. Dem International Institute of Finance zufolge könnte dieser sogar bei bis zu 15 Prozent liegen.

Doch Putin ist laut Illarionov bereit, darüber hinwegzusehen, um seine Ziele in Bezug auf den in der Ukraine geführten Krieg zu erreichen. "Seine territorialen Ambitionen, seine imperialen Ambitionen, sind viel wichtiger als alles andere, einschließlich des Lebensunterhalts der russischen Bevölkerung und der finanziellen Situation im Land... sogar die finanzielle Lage seiner Regierung", so der ehemalige Wirtschaftsberater Putins, der mittlerweile in den USA lebt. Illarionov geht davon aus, dass sich die Zahl der Russen, die in Armut leben, wahrscheinlich verdoppeln, vielleicht sogar verdreifachen werde.

Und er sagte, ein Regierungswechsel sei "früher oder später" unvermeidlich. Denn es sei "absolut unmöglich, mit dem derzeitigen politischen Regime eine positive Zukunft für Russland zu haben". Unter Präsident Putin gebe es "keine Möglichkeit, das Land wieder in die internationalen Beziehungen und in die Weltwirtschaft zu integrieren".

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EU arbeitet an Sanktionspaket mit Öl-Embargo

Nach dem fünften Sanktionspaket der EU gegen Moskau könnte es nun tatsächlich aber ein Embargo gegen russische Energie geben. Die EU-Kommission arbeitet derzeit nämlich an einem neuen Sanktionspaket gegen Russland, das auch ein Öl-Verbot vorsieht. Neben Irland befürworten auch Länder wie Tschechien, Dänemark, die Niederlande und Litauen ein Importverbot von russischem Öl.

Etwa Deutschland war zuletzt aber gegen ein Öl-Embargo, da ein solcher Schritt die EU derzeit wirtschaftlich stärker treffen würde als Russland, so die Begründung. Eine Entscheidung ist somit noch nicht getroffen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Montag nach einem Treffen der Minister in Luxemburg allerdings: "Nichts ist vom Tisch, einschließlich Sanktionen gegen Öl und Gas." Er sprach sich dafür aus, einen Unterschied zwischen den beiden Energieträgern zu machen und mit Öl zu beginnen. 

Die EU hat vergangenen Freitag ihr fünftes Sanktionspaket gegen Russland in Kraft gesetzt. Es sieht ab dem 10. August einen Importstopp für Kohle, Holz und Wodka sowie zahlreiche weitere Strafmaßnahmen vor. Teil des Sanktionspakets ist auch ein vollständiges Transaktionsverbot zulasten vier wichtiger russischer Banken, darunter auch die zweitgrößte russische Bank VTB. Zudem soll Schiffen unter russischer Flagge das Einlaufen in EU-Häfen verboten werden. Ausgenommen von den Sanktionen ist etwa die Lieferung von Lebensmitteln, humanitärer Hilfe sowie von Energie.

Die US-Regierung hat bereits am 8. März ein Einfuhrverbot für Öl aus Russland verhängt. Das Importverbot betrifft laut US-Präsident Joe Biden auch andere russische Energieträger wie beispielsweise Gas und Kohle. Ein ranghoher US-Regierungsvertreter sagte ebenfalls am 8. März, dass lediglich Altverträge noch mit einer Übergangsfrist von 45 Tagen fortgeführt werden dürfen.

Quellen: BBC, mit Material der dpa

nk