Es ist der letzte Versuch der Opposition, doch noch so etwas Ähnliches wie einen Wahlkampf auf die Beine zu stellen. Am Sonntag ruft sie ihre Anhänger zu einer Kundgebung auf Harares Messegelände. Doch dort erwarten sie 1000 Milizionäre, erwarten sie Stöcke und Stangen. Wer versucht durchzukommen, wird zusammengeschlagen. Journalisten und Wahlbeobachter fliehen. Die Regierung hat sich wieder einmal auf ihre Art durchgesetzt, hat die Opposition in die Schranken gewiesen.
Am Freitag sollte MDC-Chef Morgan Tsvangirai in einer Stichwahl gegen Simbabwes Diktator Robert Mugabe antreten. Der Oppositionsführer hat die Präsidentenwahl im März zwar gewonnen, aber die absolute Mehrheit verfehlt. Nun hat Tsvangirai seinen Rückzug bekannt gegeben. Desillusioniert, verbittert tritt er am Sonntag vor die Fernsehkameras: Eine "Welle der Brutalität" habe das Land erfasst. Von seinen Wählern könne er nicht erwarten, dass sie "ihr Leben aufs Spiel setzen", sagt Tsvangirai. Er selbst flieht am Montag in die niederländische Botschaft in Harare.
Zur Aufgabe bewogen haben den Hoffnungsträger Schicksale wie das des jungen Lokalpolitikers Denford*. Ein Treffen mit dem Anhänger von Tsvangirais Partei MDC ist heikel - vor allem an diesem Samstag vor der Wahl. In Budiriro Park, einem ärmlichen Vorort der Hauptstadt, soll tags drauf eine Kundgebung der Regierungspartei Zanu-PF stattfinden. Das heißt: Schlägertrupps ziehen durch Harares Straßen und machen der Bevölkerung klar, wie weh es tun kann, nicht zur Abstimmung zu gehen.
"Es wird eng hier"
Entlang der Ausfallstraße nach Budiriro Park stehen viele Kleintransporter, auf deren Ladefläche ein halbes Dutzend Milizionäre mit Stirnbändern kauern. Und als wir schließlich bei Denfords Haus ankommen, ist der Oppositionspolitiker nicht mehr da. Er ist geflohen, als er hörte, dass es die Schlägertrupps auf ihn abgesehen haben. "Es wird eng hier", sagt seine Frau, "verschwindet lieber."
Was es heißt, unter die Fuchtel der Milizionäre zu geraten, ist in einer kleinen, privaten Klinik im Zentrum Harares zu besichtigen. Es dient der MDC als Lazarett. In jedem der 50 Betten liegt ein Opfer des 84-jährigen Mugabe, der seine Macht mit allen Mitteln verteidigt. Einem Patienten haben die Schergen des Präsidenten die Hüfte zertrümmert, einem anderen die Schläfe zerschnitten, einen Dritten so lange gequält, dass Ärzte zerstörtes Fleisch aus dem Gesäß schneiden mussten. Jonathan* erzählt, Mugabes Schläger hätten ihn aus seinem Haus in Epworth bei Harare entführt, weil er ihnen nicht erzählen wollte, wo sich sein Nachbar, ein Gemeinderat der MDC, aufhalte. Sie nahmen den 32-Jährigen mit in eines der Camps, die in allen Landesteilen aufgeschlagen wurden.
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Erst am fünften Tag nach seiner Entführung kam er frei
In dem Camp wurde Jonathan zwei Stunden lang verprügelt. Nachdem er vorübergehend das Bewusstsein verloren hatte, warfen ihn die Milizionäre in eine Grube, wo bereits sechs andere Opfer lagen. Wenige Stunden später wiederholte sich das Prügelritual. In der dritten Runde wurde Jonathan mit einem glühenden Eisenstab am Gesäß und den Fußsohlen verbrannt. Wieder verlor er das Bewusstsein. Zurück in der Grube überschütteten ihn die Milizionäre mit Wasser - es war inzwischen Nacht und bitterkalt. Zwei Tage später wurde Jonathan in eine Polizeistation gebracht und zwei weitere Tage festgehalten. Erst am fünften Tag nach seiner Entführung kam er frei. Wir finden Denford doch noch. Er hat bei einem Freund Unterschlupf gefunden, der zwei weitere Gleichgesinnte eingeladen hat. Die Stimmung in der Runde ist verzweifelt. Seit dem ersten Wahlgang Ende März habe sich die Lage radikal verändert, sagt Denford: Damals konnten Oppositionsanhänger in Budiriro Park noch ihre T-Shirts tragen, Kundgebungen veranstalten und ungestört für Tsvangirai werben.
In den Townships um Harare sei bereits seit Jahren jede Wahl ein Heimspiel der MDC gewesen, fährt Denford fort. Beim ersten Wahlgang im März habe Tsvangirai in seinem Wahlkreis 14.000 Stimmen erhalten, während sich Mugabe mit 2000 Stimmen begnügen musste. Inzwischen komme es einem Selbstmord gleich, ein T-Shirt der Opposition zu tragen. Denfords Freund Emmerson*, der die Parteijugend in Budiriro Park anführt, hat seit zwei Wochen nicht mehr zu Hause geschlafen, aus Angst, von den fast allgegenwärtigen Milizionären aufgegriffen zu werden.
Details über das Lager sind nicht zu bekommen
Im Lazarett berichtet ein Arzt von den Menschenrechtsverbrechen, die Oppositionsmitglieder zu erwarten haben. Während bloße MDC-Wähler "nur" damit rechnen müssten, bis zur Bewusstlosigkeit verprügelt zu werden, würden Funktionäre der Partei regelrecht exekutiert. Im Mutoko-Distrikt im Nordosten von Harare sei ein Schuldirektor tot aufgefunden worden, dessen Augen - wohl, als er noch lebte - herausgerissen und dessen Genitalien abgeschnitten wurden. Immer wieder werden Oppositionspolitiker in ihr Haus gesperrt, das dann in Brand gesteckt wird: Auf diese Weise kam in der vergangenen Woche die Frau des frisch gewählten Bürgermeisters von Harare ums Leben. In Diplomatenkreisen ist bekannt, dass die Milizionäre in Goromondzi, rund 60 Kilometer östlich von Harare, ein regelrechtes Folterzentrum eingerichtet haben. Details über das Lager seien allerdings nicht erhältlich, heißt es in MDC-Kreisen, weil keiner den Aufenthalt dort überlebe.
Denford und seine Mitstreiter kennen alle ein besseres Leben. Sie haben ihre Ausbildung mit dem Abitur abgeschlossen und einen Beruf ausgeübt - als Ingenieur, Fabrikangestellter oder Schlosser. Doch inzwischen sind sie alle arbeitslos: Als Letzter gab Denford vor drei Monaten seinen Job auf, nachdem er von seinem Gehalt wegen der galoppierenden Inflation nicht einmal mehr das Busgeld zum Arbeitsplatz bezahlen konnte.
"Notfalls auch mit Gewalt"
Jetzt überleben die Männer, indem sie oder ihre Frauen Obst oder Gemüse am Straßenrand verkaufen. Abends einen trinken zu gehen sei schon lange nicht mehr drin. Und wenn ihre Kinder Geburtstag hätten, berichtet Denford, "sitzen wir alle nur rum und tun uns selber leid". Viele der jüngeren Township-Bewohner hätten längst jede Hoffnung aufgegeben, sagt Emmerson: "Wer sich nicht nach Südafrika absetzt, um dort sein Glück zu suchen, hängt nur herum, raucht Rauschgift, prostituiert sich oder lässt sich für ein bisschen Geld von der Regierungspartei als Milizionär anstellen." Nur die Älteren in Budiriro Park hätten noch die Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte, sagt Denford: "Notfalls auch mit Gewalt."
Mugabe befindet sich längst im Kriegszustand mit Tsvangirai: Niemals werde er seinen Gegner in die Villa des Staatspräsidenten einziehen lassen, wettert der Diktator: Die Unabhängigkeit Simbabwes, die er mit dem Gewehr errungen habe, könne nicht an der Wahlurne rückgängig gemacht werden. Für Mugabe ist Tsvangirai eine "Marionette" der Briten, mit deren Hilfe sich die "Imperialisten" ihren einstigen Kolonialbesitz zurückerobern wollten: Derzeit werde der "Endkampf um die totale Kontrolle" Simbabwes geführt. "Nur Gott", sagte der von deutschen Jesuiten ausgebildete Katholik am Wochenende, "kann mich aus dem Amt entfernen."
Die Verzweiflung ist groß
Solche Worte haben Denford schon vor Tsvangirais Rückzug den Glauben an Wahlen verlieren lassen. "Wenn wir nur Waffen hätten!", klagt er. Längst hätte die MDC eine zweigleisige Strategie verfolgen und sich einen bewaffneten Flügel zulegen müssen. Wie einst die IRA in Irland oder der ANC in Südafrika. "Noch nie in der Weltgeschichte wurde ein Diktator wie Mugabe durch Wahlen aus dem Amt entfernt." Denford fragt, ob wir dabei helfen könnten, Waffen zu besorgen. Oder wenigstens einen Job im benachbarten Südafrika? Die Verzweiflung ist groß.
Am Sonntag erhält die Parteizentrale der MDC im Zentrum von Harare zwei Neuzugänge. Dort sind seit Wochen auf drei Stockwerken über tausend Oppositionsmitglieder eingepfercht, viele vergipst oder bandagiert. Keiner wagt sich noch auf die Straße, nachts schlafen sie auf dem Boden. Die Neuzugänge sind ein schwer hinkender Denford und Emmerson, der den rechten Arm in einer Schlinge trägt. Wenige Stunden nach unserer Begegnung sind sie von den Milizionären der Zanu-PF aufgegriffen und zwei Stunden lang verprügelt worden. Emmersons Handgelenk ist gebrochen, Denford hat eine tiefe Wunde am Gesäß. "Jetzt erst recht", sagt Denford trotzig: "Wenn wir sie nicht mehr an der Wahlurne schlagen können, dann müssen wir uns eben anders revanchieren." Ob ihnen das gelingt, ist seit Montag unsicherer denn je. Am Nachmittag stürmt die Polizei die Parteizentrale und nimmt Hunderte Oppositionelle fest. Vermutlich auch Denford und Emmerson.
*Name von der Redaktion geändert