Für die Sunniten und Schiiten im Libanon ist der Syrien-Konflikt eine harte Belastungsprobe. Denn sowohl #link;http://www.stern.de/politik/ausland/hisbollah-90325606t.html;die schiitische Hisbollah# als auch ihre sunnitischen Widersacher mischen im syrischen Chaos kräftig mit. Kämpfer der Schiiten-Miliz Hisbollah unterstützen die Truppen von Syriens Präsident Baschar al Assad. Die sunnitischen Gruppen wiederum helfen der Opposition, indem sie den Transport von Geld, Waffen und "Gotteskriegern" über den Nord-Libanon organisieren.
Als im Oktober dann auch noch der wichtigste Sunnit im libanesischen Geheimdienstapparat, der das syrische Regime durch seine Ermittlungen bloßgestellt hatte, durch einen Sprengstoffanschlag starb, war sie plötzlich wieder da: die Angst vor dem Bürgerkrieg. Doch mehr als vereinzelte Schießereien hat es bislang nicht gegeben. Die Cafés in der Hauptstadt Beirut sind abends voll. Am vergangenen Wochenende rannten beim Beirut-Marathon Tausende von Läufern unbehelligt durch die Straßen der Hauptstadt.
Dass es trotz der aufgeladenen politischen Atmosphäre noch keine große Konfrontation gegeben hat, liegt vor allem daran, dass die Hisbollah-Bewegung momentan keine Lust auf eine militärische Auseinandersetzung im eigenen Land hat. Denn sie ist an der Regierung beteiligt und hätte dadurch nichts zu gewinnen.
Angst vor Salafisten
"Die Hisbollah will keinen Krieg anzetteln, und ihr Schutzpatron, der Iran, hat auch kein Interesse daran", erklärt ein libanesischer Politiker, der enge Beziehungen zur Regierung hat. "Die Einzigen, die momentan Öl ins Feuer gießen, sind die radikalen Sunniten, #link;http://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Sicherheit/Extremismus/Salafismus/salafismus_node.html;allen voran die Salafisten#, die von Katar und Saudi-Arabien dafür bezahlt werden, dass sie Unruhe stiften."
Zu den prominentesten Figuren der Salafisten-Szene gehört Scheich Ahmed al Asir, 44, aus der Stadt Sidon. Seine Anhänger sind auf Krawall gebürstet. Am vergangenen Sonntag zogen sie in Sidon los, um in einem von Schiiten bewohnten Viertel Plakate der Hisbollah abzureißen. Es fielen Schüsse. Drei Menschen starben. "Sie haben auch auf mich geschossen, aber ich blieb unverletzt, weil ich hinter meinem Auto stand", berichtet Scheich Ahmed. Sein kurzgeschorenes Haar steckt unter einer Häkelkappe. Sein Bart ist lang und buschig.
"Die Hisbollah ist eine iranische Partei, sie hat unser Land zerstört", sagt der Salafisten-Scheich mit tonloser Stimme. Wie ein religiöser Fanatiker wirkt er nicht, eher wie ein Politiker, der taktiert und jeden Schritt mit kühlem Verstand abwägt. "Die Hisbollah hat mehr Waffen als der Staat, die Sunniten dagegen sind unbewaffnet", erklärt er - obwohl vor der Moschee, in der er predigt, Männer mit automatischen Waffen stehen.
Alles hängt von der Hisbollah ab
"Ob der Funke des Bürgerkrieges von Syrien auf den Libanon überspringt, hängt davon ab, ob die Hisbollah weiterhin darauf besteht, das Assad-Regime zu unterstützen", sagt der Abgeordnete Nohad al Maschnuk, der zur oppositionellen Zukunftsbewegung gehört. Seine Partei hat nach dem Attentat auf den Geheimdienstgeneral den Rücktritt von Ministerpräsident Nadschib Mikati gefordert. Sie will die Einsetzung einer Regierung parteiloser Experten.
Die westlichen Regierungen standen in den vergangenen Jahren stets auf der Seite der Fraktion, zu der die Zukunftsbewegung gehört. Doch sie halten den Rücktritt der Regierung Mikati für keine gute Idee. Ihre Botschaft lautet: Die Regierung muss bis zu den Wahlen im Frühsommer 2013 bleiben, die Probleme sollen in einem nationalen Dialog gelöst werden.
"Mikati bleibt, denn er weiß, dass es Kämpfe geben würde, wenn er zurücktritt", sagt sein Berater Chaldun al Scharif. Ein Machtvakuum in der aktuellen angespannten Situation wäre gefährlich, glaubt er. "Denn Mikati kann, wenn es irgendwo Unruhen gibt, mit den Verantwortlichen vor Ort Kontakt aufnehmen und dann die Armee in Bewegung zu setzen. Das hat in Sidon und bei anderen Vorfällen in jüngster Zeit immer gut funktioniert."