Ukraine-Krieg Das bietet die Ukraine an. Das will Russland: Was bei Verhandlungen auf dem Tisch liegen könnte

Verhandlungen Russland - Ukraine in Antalya
Die Delegationen von Russland und der Ukraine bei ihrem Treffen in Antalya
© Cem Ozdel/Turkish Foreign Ministry/AP/ / DPA
Auch wenn die Verhandlungen zwischen dem ukrainischen Außenminister Kuleba und seinem russischen Kollegen Lawrow ohne Ergebnis geblieben sind: In den vergangenen Tagen gab es ein paar Andeutungen, an die Diplomaten anknüpfen könnten.

Es schien zumindest ein kleiner Hoffnungsstrahl in dieser düsteren Zeit: das Treffen der Außenminister der beiden Kriegsparteien Russland und Ukraine im türkischen Antalya. Doch als der russische Außenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba nach ihrem Treffen auseinandergingen, war schnell klar: Die sowieso nur minimalen Erwartungen auf konkrete Ergebnisse sind noch enttäuscht worden.

"Wir haben über eine Waffenruhe gesprochen, aber in dieser Hinsicht wurde kein Fortschritt erzielt", sagte Kuleba nach dem rund 90-minütigen Treffen vor Journalisten. Als einzige vergleichsweise gute Nachricht muss herhalten, dass man vereinbart habe, die Gespräche "in diesem Format" fortzusetzen. Immerhin: Es dürfte also zu weiteren Treffen zwischen Lawrow und Kuleba kommen.

Wie schwierig generell eine diplomatische Annäherung ist, zeigt allein schon Lawrows Behauptung, dass Russland die Ukraine gar nicht angegriffen habe, sondern bloß auf die ukrainische Bedrohung seiner Sicherheit reagiert habe. Es scheint, als ob da zwei Wirklichkeiten aufeinander prallten.

Welchen Spielraum gibt es angesichts der frustrierenden Nachrichten überhaupt für Verhandlungen? Was liegt auf dem Tisch? Über welche Themengebiete sind die Ukraine und Russland überhaupt bereit, miteinander zu reden?

Das bietet die Ukraine an

Für die Ukraine hat Präsident Wolodimir Selenskyj in zwei Interviews vergleichsweise klar formuliert, zu welchen Zugeständnissen sein Land bereit sei. "In jeder Verhandlung ist mein Ziel, den Krieg mit Russland zu beenden", sagte Selenskyj in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung. "Man kann Kompromisse machen, aber diese dürfen nicht der Verrat meines Landes sein", so Selenskyj weiter. Wie diese Kompromisse aussehen könnten, hatte Selenskyj zuvor schon in einem Interview mit dem amerikanischen TV-Sender ABC angedeutet.

  • Verzicht auf Nato-Mitgliedschaft: Der Beitritt zur Nato und zur EU sind in der ukrainischen Verfassung als zentrale Staatsziele festgelegt. Schon kurz nach Kriegsbeginn hatte Selenskyj publikumswirksam die EU um die formelle Aufnahme gebeten. In Sachen Nato sagte er nun bei ABC, er habe seine Haltung zu dieser Frage "schon vor einiger Zeit abgemildert", da er einsehen musste, dass die Nato offenbar nicht bereit sei, "die Ukraine zu akzeptieren". Er wolle nicht der Präsident eines Landes sein, "das auf Knien" um einen solchen Beitritt "bettele", so Selenskyj
  • Unabhängigkeit des Donbass, Status der Krim: In der Frage sei er zu "Kompromissen" bereit, so Selenskyi bei ABC. Für ihn sei vor allem wichtig, "wie Menschen, die Teil der Ukraine sein wollen, dort leben werden". Allerdings schränkte er ein: "Wir können nicht anerkennen, dass die Krim das Territorium Russlands ist." Er sei bereit zu einem "direkten Dialog, aber nicht zu einer Kapitulation".
  • Neutralität der Ukraine: Hier hat Selenskyjs außenpolitischer Berater, Ihor Tschowka, in einem Interview mit den ARD-"Tagesthemen" einige aufschlussreiche Bemerkungen gemacht. "Solche Fragen ließen sich in Verhandlungen diskutieren, das ist durchaus möglich", sagte Tschowka dort. "Aber solche Verhandlungen und eine mögliche Übereinkunft können erst zustande kommen, wenn die Kriegshandlungen aufgehört haben", schränkte er ein und betonte, dass es dazu direkter Gespräche zwischen Selenskyj und Putin bedürfe, die vom Kreml bislang abgelehnt würden.

Allerdings machte sowohl Selenskyj als auch seine Partei Sluha Narodu klar, dass diese Zugeständnisse an Bedingungen gebunden sind. Ein Verzicht auf die Nato-Mitgliedschaft müsse an Sicherheitsgarantien des Westens geknüpft sein. Ferner müsse auch Russland "garantieren, dass es unseren Staat nicht bedrohen wird".

Die Ukraine ist ein gebranntes Kind, was solche Garantien angeht. Im Budapester Memorandum 1994 hatte sie sich zur Abgabe sämtlicher Atomwaffen verpflichtet, die seit Sowjetzeiten auf ukrainischem Gebiet stationiert waren. Und im Gegenzug von den USA, England und auch Russland das Versprechen erhalten, "ihre Unabhängigkeit und Souveränität und die existierenden Grenzen zu respektieren". Doch mit der Besetzung der Krim und später der Abspaltung der "Volksrepubliken" im Donbass war das Memorandum Makulatur.

Das will Russland

Von russischer Seite kommen die konkretesten Aussagen zu einer möglichen Beendigung des Krieges von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters erhob Peskow drei zentrale Forderungen:

  • Kapitulation: "Die Hauptsache ist, dass die Ukraine ihre Militäraktionen einstellt", sagte Peskow zu Reuters.
  • Anerkennung der Separatisten-Gebiete und der Krim: Die Ukraine müsse verbindlich anerkennen, dass die Krim zu Russland gehöre und die die sogenannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk künftig selbstständige Staaten sind, so Peskow.
  • Neutralität und Verzicht auf Nato-Beitritt: Zu guter Letzt müsse die Ukraine ihre Verfassung ändern und einen Beitritt zur Nato und zur EU zu den Akten legen. Ansonsten, so Peskow, sei die Ukraine natürlich ein "unabhängiger Staat, der leben wird, wie er will – aber unter den Bedingungen der Neutralität.

Beobachter werteten es zunächst als positives Zeichen, das Peskow in dem Interview nicht mehr die ursprünglich formulierten Kriegsziele einer "Entnazifizierung" und "Entmilitarisierung" erwähnte. Allerdings wurden solche Forderungen erst gestern wieder von der Sprecherin des russischen Außenministeriums wiederholt. Gleichwohl hätten die russischen Truppen im Nachbarland nicht den Auftrag, "die aktuelle Regierung zu stürzen". Auch die Besetzung der Ukraine oder "die Zerstörung ihrer Eigenstaatlichkeit" seien nicht das Ziel, sagte Ministeriums-Sprecherin Maria Sacharowa.

Fraglich ist allerdings, was man auf solche Aussagen geben kann. Fraglich ist auch, ob sich beide Seiten zumindest minimal aufeinander zubewegen können. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu jedenfalls hat sich nach dem Treffen mit seinen russischen und ukrainischen Kollegen vorsichtig optimistisch gezeigt: "Niemand hat erwartet, dass durch dieses Treffen alle Probleme gelöst werden, aber es musste ein Anfang gemacht werden", sagte Cavusoglu.

Quellen: DPA, AP, zdf-heute, SZ