Ukraine-Krieg Putin-Propaganda: Wie deutsche und internationale Influencer die Blockade russischer Medien unterlaufen

In den sozialen Medien wird der Angriff Russlands auf die Ukraine von einem Propagandakrieg begleitet
Telegram, Facebook, Twitter und Co.: In den sozialen Medien wird der Angriff Russlands auf die Ukraine von einem Propagandakrieg begleitet
© Fernando Gutierrez-Juarez / DPA
Während Social-Media-Plattformen und die EU Maßnahmen gegen staatliche russische Desinformation über den Ukraine-Krieg ergriffen haben, erlebt eine Gruppe russlandfreundlicher Bloggenden laut einer Studie einen enormen Popularitätsschub.

Ein kleines Netzwerk von westlichen Bloggenden und Youtuber:innen füttert einer Studie zufolge ein rasant wachsendes Publikum mit russischer Propaganda über den Krieg in der Ukraine. Während die EU die Kreml-Kanäle RT und Sputnik verboten habe und auch Social-Media-Plattformen gegen staatlich kontrollierte russische Medien vorgingen, erreichten die selbsternannten "unabhängigen Journalist:innen" mit ihren Desinformationen weiterhin Millionen, heißt es von der unabhängigen Denkfabrik Institute for Strategic Dialogue (ISD) mit Sitz in London. Alleine auf Youtube hätten die zwölf untersuchten Influencer und Influencerinnen insgesamt 1,6 Millionen Abonnenten.

Die Berichte der Bloggenden stammten häufig aus den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine, verstärkten die Sichtweisen des Kremls und leugneten russische Gräueltaten oder spielten sie herunter, berichtet der US-Sender NBC unter Berufung auf die Studie. Den Forscherinnen und Forschern zufolge hätten sich die Reportagen in Englisch, Deutsch, Französisch und anderen Sprachen als wirksames Mittel erwiesen, um die Bestrebungen europäischer Regierungen und US-amerikanischer Social-Media-Plattformen zu unterlaufen, die Verbreitung russischer Propaganda zu stoppen.

Facebook, Instagram, YouTube und Twitter gehen seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine mit Maßnahmen wie Blockaden, Kennzeichnungen und Faktenchecks gegen Falschinformationen vor. Die meisten dieser Bemühungen konzentrierten sich allerdings auf offizielle russische Regierungs- und Staatsmedien, stellte das ISD laut NBC fest. Das sei zwar teilweise wirksam, lasse aber einen wichtigen Bereich der Kreml-Desinformation außer Acht.

"Die derzeitige Strategie konzentriert sich zu sehr auf eindeutige Verbindungen zum Kreml: staatliche Medienkonten und -kanäle, Journalisten mit eindeutigen Verbindungen sowie Botschaften und Konsulate", zitiert der US-Sender Melanie Smith, Leiterin der Abteilung für digitale Analysen des ISD. "Sie übersieht eine große Menge an Inhalten, die von Akteuren stammen, die sehr schnell ein großes Publikum erreichen und kremlfreundliche Desinformationen verbreiten können, ohne dass der Staat direkt involviert sein muss."

Ukraine-Krieg macht kremlfreundliche Bloggende populär

Den ehemals eher unbedeutenden russlandfreundlichen Bloggenden, von denen einige schon seit Jahren aktiv sind, bescherte der Ukraine-Krieg der Studie zufolge einen Popularitätsschub. Das ISD identifizierte eine Gruppe von zwölf der einflussreichsten dieser Propagandistinnen und Propagandisten, die auf sozialen Websites wie YouTube, Telegram, Facebook und Twitter posten. Zu ihnen gehören demnach auch die Deutschen Thomas Röper, der im russischen Sankt Petersburg lebt, und Alina Lipp, die laut ihrem Telegram-Kanal ebenfalls vor einiger Zeit nach Russland ausgewandert ist. Die 28-jährige gebürtige Hamburgerin vertritt die Ansicht, die Unterstützung der Ukraine sei gleichbedeutend mit der Unterstützung des Nationalsozialismus und behauptet unter anderem ohne jegliche Belege, die Ukrainer hätten unter falscher Flagge in einer Entbindungsklinik in Mariupol ein Massaker verübt. Lipps Anhängerschaft, hauptsächlich auf Telegram, aber auch auf Youtube, wuchs dem Bericht zufolge von etwa 2.000 Follower:innen im Februar auf mehr als 160.000 im Mai. Auf eine Bitte um eine Stellungnahme zu der Studie habe Lipp nicht reagiert, so NBC.

Das ISD nennt in seiner Untersuchung laut NBC auch Eva Bartlett, eine kanadische Aktivistin, die früher Verschwörungstheorien verbreitet habe, wonach die als Weißhelme bekannten syrischen Rettungskräfte während des syrischen Bürgerkrieges gefälschte Angriffe inszeniert hätten. Bartlett sei nicht bei RT angestellt, habe aber auf der Internetseite des staatlich kontrollierten russischen Nachrichtensenders Meinungsbeiträge verfasst, Videos mit RT-Korrespondenten gedreht und RT-Inhalte geteilt, um die Sperrung russischer Staatsmedien durch die Plattformen zu umgehen. Facebook hat Bartletts Beiträge mit dem Hinweis versehen, dass sie "teilweise oder ganz unter der redaktionellen Kontrolle der russischen Regierung stehen" könne. Auch die Kanadierin habe nicht auf eine Bitte um Stellungnahme reagiert.

Berichte mit grausamen Bildern von Leichen und Gewalt

Der beliebteste der von den Forschenden identifizierten kremlfreundlichen Influencer ist nach Angaben von NBC Patrick Lancaster, ein in Missouri geborener Veteran des US-Marinegeheimdienstes und selbsternannter unabhängiger Crowdfunding-Journalist, der in die russische Armee eingebettet sei. Seit Dezember sei Lancasters Youtube-Kanal mit seinen täglichen Berichten aus von Russland besetzten Teilen der Ukraine von 57.500 Abonnenten auf über 500.000 angewachsen. Bei seinen Videos handele es sich oft um dramatische Berichte mit grausamen Bildern von Leichen und Gewalt, für die Lancaster die Ukraine verantwortlich mache. In mindestens einem der Filme seien die gezeigten Szenen Berichten zufolge inszeniert worden. Lancaster trete häufig in russischen Staatsmedien und bei Infowars auf, einem rechtsradikalen, texanischen Radio- und Online-Kanal für Verschwörungserzählungen. Er habe ebenfalls nicht auf eine Bitte um Stellungnahme reagiert.

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Die in der Studie untersuchten Bloggenden sind nach Erkenntnissen des ISD ein mächtiges Werkzeug zur Verbreitung von Propaganda. Sie nutzten Schlupflöcher der Social-Media-Plattformen aus und umgingen deren Bemühungen, Falschinformationen als solche zu kennzeichnen, schreibt das Institut auf Twitter. Russische Staatssender interviewten und zitierten sie und russische Botschaften im Ausland posteten ihre Inhalte auf Facebook und Twitter.

"Einige der Desinformationen, die sich schnell verbreiten, werden nicht faktengeprüft, weil sie ein Publikum erreichen, das als kleiner oder weniger wichtig erachtet wird als das von RT und Sputnik", sagte Smith laut NBC. "Aber die Gesprächsthemen sind dieselben und die präsentierten Beweise sind dieselben." Es handele sich bei den Bloggenden um unabhängige Leute, die sich innerhalb der Grenzen der Politik der Plattformen frei äußern könnten. "Und manchmal kommt es vor, dass sie zu Gewalt aufstacheln, Kriegsverbrechen leugnen und über den Kontext der Ereignisse und darüber, wie Menschen zu Opfern werden, ganz unverhohlene Desinformationen verbreiten."