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Kurz vor dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine hat die UN-Vollversammlung mit Beratungen über eine Friedens-Resolution begonnen, die an diesem Donnerstag in New York verabschiedet werden soll. Worum geht es – und warum wird die Abstimmung mit Aufmerksamkeit verfolgt? Die wichtigsten Fragen.
Warum die UN-Vollversammlung?
Knapp ein Jahr nach der russischen Invasion ist die UN-Vollversammlung zu einer hochrangigen Debatte zusammengetroffen. Das Treffen des größten UN-Gremiums im UN-Hauptquartier in New York hat am Mittwoch begonnen und dauert bis Donnerstag. Am Ende der Sitzung soll eine Resolution beschlossen werden, die Russland unter anderem zum Rückzug auffordert und die territoriale Integrität der Ukraine betont.
Was steht drin in der UN-Resolution?
In dem Resolutionsentwurf wird ein "umfassender, gerechter und dauerhafter Frieden in der Ukraine in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen" gefordert. Hervorgehoben wird die Bedeutung der "Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Integrität der Ukraine". Außerdem wird Russland aufgefordert, "sofort, vollständig und bedingungslos" alle seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen.
Außenministerin Annalena Baerbock hat um Zustimmung zu der von mehr als 50 Staaten eingebrachten Resolution geworben. Die Resolution werde die notwendigen, konkreten Schritte hin zum Frieden in der Ukraine enthalten, sagte sie. Sie nannte den Stopp der russischen Angriffe, den Schutz der Zivilbevölkerung, die Achtung der territorialen Unversehrtheit der Ukraine durch russischen Truppenabzug, sowie Rechenschaft für die begangenen Verbrechen. "Das ist der Weg zum Frieden", und dies erwarte die Welt seit einem Jahr von Russland, betonte Baerbock.
Warum wird das Ergebnis der Abstimmung mit Spannung erwartet?
In der UN-Vollversammlung hat Russland – anders als im UN-Sicherheitsrat – kein Veto-Recht. Die Versammlung hat seit Beginn des Ukraine-Kriegs eine Reihe von Resolutionen beschlossen, die aber nicht völkerrechtlich bindend sind.
- So stimmten im März vergangenen Jahres 141 der 193 UN-Mitgliedstaaten für eine Resolution, in der Russland zum "sofortigen" Abzug aus der Ukraine aufgefordert wurde.
- Im April beschloss die Vollversammlung mit einer deutlich knapperen Mehrheit von 93 Stimmen, Russlands Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat in Genf auszusetzen.
Im Oktober verurteilten dann 143 Mitgliedstaaten die "illegalen Annexionen" der ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja durch Russland. Die Regierung in Kiew und ihre Unterstützer hoffen nun auf eine mindestens ebenso breite Zustimmung zu der geplanten neuen Resolution. Deshalb sind die Formulierungen in dem Entwurf weniger scharf, als es sich die Regierung in Kiew gewünscht hätte. Diplomaten zufolge scheint ein Ergebnis mit einer Zustimmung von über 130 oder erneut 140 Ländern möglich.
Wann wird abgestimmt?
Die Abstimmung über die Resolution war für den späten Donnerstagabend (MEZ) nach Dutzenden Reden hochrangiger Sprecherinnen und Sprecher geplant, neben Außenministerin Baerbock sollen auch ihr US-Amtskollege Antony Blinken und der britische Chefdiplomat James Cleverly sprechen.
Wie lauten die ersten Reaktionen?
Zum Auftakt der Sitzung prangerte UN-Generalsekretär António Guterres das Vorgehen Moskaus als einen "Angriff auf unser kollektives Gewissen" an. "Der erste Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine stellt einen dunklen Meilenstein dar – für das ukrainische Volk und für die internationale Gemeinschaft", sagte Guterres am Mittwoch. Zugleich warnte der UN-Chef vor einer weiteren Eskalation des Konfliktes. Er verwies auf "indirekte Drohungen" des Einsatzes von Atomwaffen und "unverantwortliche" Militäraktionen im Umfeld von Atomkraftwerken. "Es ist höchste Zeit, sich vom Abgrund wegzubewegen."
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba warb seinerseits um Zustimmung für die geplante Resolution. "Ich appelliere an Sie: Dies ist ein entscheidender Moment, um Unterstützung, Einheit und Solidarität zu zeigen", sagte er vor der Vollversammlung. "Niemals in der Geschichte war die Trennlinie zwischen dem Guten und dem Bösen so klar: Ein Land will einfach nur überleben. Das andere will töten und zerstören."
Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensia erhob seinerseits in der Debatte schwere Vorwürfe gegen den Westen. Dieser wolle Russland bezwingen und die "Weltherrschaft" erringen. "Sie sind bereit, die gesamte Welt in den Abgrund des Krieges zu stürzen", sagte Nebensia mit Blick auf den Westen und bezeichnete die Ukraine erneut als "neofaschistisch". Diese Vorwürfe wurden vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell scharf zurückgewiesen: "Hier geht es nicht um 'Der Westen gegen Russland'", sagte er. "Dieser illegale Krieg betrifft jeden: den Norden, den Süden, den Osten, den Westen."
Wie geht es nach der Abstimmung weiter?
Am Freitag, dem ersten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine, wird sich dann der UN-Sicherheitsrat mit dem Krieg in der Ukraine befassen. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen ist im Ukraine-Krieg aber weitgehend blockiert: Russland hat als eines der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats ein Veto-Recht und kann damit jede völkerrechtlich bindende Resolution verhindern.