Der Sicherheitsexperte Christian Mölling sieht keine Gefahr, dass die Lieferung von westlichen Kampfflugzeugen an die Ukraine zu einer Eskalation des Konflikts führt. Mölling betonte am Dienstag im stern-Podcast "Ukraine – die Lage", dass die Ukraine ja bereits über Kampfflugzeuge verfüge. Es gehe nicht um die Lieferung von Waffen ganz neuer Qualität, sondern um die "Durchhaltefähigkeit" im Kampf gegen den russischen Aggressor. "Hier hätte man sich viel Ärger ersparen können, wenn man das ganze Thema deutlich niedriger gehängt hätte", sagte der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er begrüßte, dass Dänemark und die Niederlande mehrere Dutzend Flugzeuge vom Typ F-16 zugesagt haben.
Für die gegenwärtige Offensive der Ukraine würden sie aber nicht rechtzeitig einsatzbereit sein. "Wenn sie da sind, sind sie hilfreich. Sie werden allerdings an dem jetzigen Kampfgeschehen nichts verändern", sagte Mölling. Flugzeuge seien zudem komplexe Systeme mit einem hohen Aufwand für Betrieb, Wartung und Ausbildung. Positiv gewendet zeige die Zusage, "dass einige Staaten in der Lage sind, über den jetzigen Tag hinaus zu denken". Die Sicherung der Ukraine nannte er eine "Daueraufgabe für die nächsten Jahrzehnte".
Mölling: Debatte um Taurus-Lieferungen wird nochmal stärker werden
Die Wirksamkeit der Flugzeuge hängt nach Möllings Einschätzung, "ganz stark davon ab, was man den Piloten an die Hand und unter die Flügel gibt". Eine mögliche Bewaffnung wären die Taurus-Marschflugkörper, über deren Lieferung seit Wochen in Deutschland diskutiert wird. Auch nach der Äußerung von Außenministerin Annalena Baerbock, dass es auf jeden Tag ankomme, erwartet Mölling aber keine unmittelbare Entscheidung. Er sagte, Baerbock habe mit ihrer Aussage ihren Spielraum innerhalb der Bundesregierung ausgenutzt. "So weit kann sie noch gehen im Ausdruck ihres Wunsches, was eigentlich passieren müsste", sagte Mölling.
Bislang sei in der öffentlichen Auseinandersetzung nur selten der Zusammenhang zwischen der konstanten Befähigung der Ukraine zur Verteidigung und dem Verlust von Menschenleben herausgestellt worden. "Ich kann mir vorstellen, dass die Debatte um diese Frage noch mal stärker wird, weil dieser Zusammenhang im Prinzip anerkannt ist auch durch die Bundesregierung", sagte er. Mölling erinnerte an die Debatte um die Lieferung von Kampfpanzern, in der Baerbocks Drängen zu Spannungen mit Bundeskanzler Olaf Scholz geführt habe.